Sogar ein Bundesrat trat zurückDie Schweiz und ihre Kampfjets – eine Geschichte voller Pannen
Bruno Bötschi
2.7.2025
Nach den Plänen von Bund und Armee sollen die Kampfjets des Typs F-35 (unten) den aktuelle F/A-18 (oben links) ablösen.
Bild:sda
Die Probleme beim F-35 sind kein Einzelfall. Will die Schweizer Armee neue Kampfjets kaufen, gibt es seit den 1960er-Jahren immer wieder gröbere Schwierigkeiten – und sogar ein Bundesrat trat schon zurück.
Der Kauf von neuen Kampfflugzeugen bringt in der Schweiz immer wieder Politiker*innen in die Bredouille und erhitzt die Gemüter der Stimmbürger*innen.
«Mal wird das Parlament hintergangen. Mal sind die Flieger schlicht zu teuer. Und mal will das Volk einfach nicht, wie es soll», schaute der «Blick» vergangene Woche «auf Jahrzehnte voller Pleiten, Pech und Pannen» zurück.
Alles begann mit dem sogenannten «Mirage-Skandal», welcher anfangs der 1960er Jahre die Öffentlichkeit beschäftigt und das Vertrauen in die Armee und die politischen Institutionen nachhaltig erschüttert.
Der Rücktritt von Verteidigungsminister Paul Chaudet Ende November 1966 markiert das Ende der Affäre. Der Skandal führt zudem zur ersten Parlamentarischen Untersuchungskommission.
Von der gescheiterten Abstimmung über den Kauf von 22 Gripen-Jets im Jahr 2014 bis zur Mirage-Affäre anfangs der 1960er Jahre – ein Rückblick auf die Geschichte der Schweizer Luftwaffe.
2014: Ein Macho-Spruch lässt den Gripen abstürzen
2010 wählt der Bundesrat den Gripen des schwedischen Herstellers Saab als Kampfjet aus – und dies, obwohl er in der technischen Evaluation nicht an erster Stellte steht. Schweden will den Jet zusammen mit dem einheimischen Waffenkonzern Ruag fertig entwickeln, derweil sich die Schweiz dadurch mehr technisches Know-how erhofft.
In der Folge finden geheime Berichte den Weg in die Öffentlichkeit. In diesen Dokumenten geht hervor, dass das einstrahlige Mehrzweckkampfflugzeug bei Tests durchgefallen sein soll. Gleichzeitig äussern Schweizer Militärpiloten Bedenken, weil sie ein besseres Flugzeug kaufen wollen.
Das Schweizer Stimmvolk sagt 2014 mit dem Nein zum Gripen erstmals seit zwei Jahrzehnten Nein zu einer Militärvorlage.
Bild:SRF
Auch der Bundesrat macht in dieser Zeit nicht die beste Figur. Höhepunkt ist eine Pro-Gripen-Veranstaltung, auf der Bundesrat Ueli Maurer einen Macho-Spruch macht und Hausfrauen mit Gebrauchsgegenständen vergleicht: «Wie viele Gebrauchsgegenstände, die 30 Jahre alt sind, haben Sie noch zu Hause?» Maurers Antwort: «Bei uns sind das nicht mehr viele, ausser natürlich die Frau, die den Haushalt schmeisst.»
Die Folge? Ein Denkzettel an der Urne: 53,4 Prozent der Schweizer*innen sagen Nein zum Gripen. Das Stimmvolk verwirft erstmals seit 20 Jahren eine militärpolitische Vorlage.
1993: Initiative «Stop F/A-18» lässt Armee zittern
Im Frühjahr 1992 sagen National- und Ständerat Ja zum Kauf von 34 Kampfjets des US-Typs F/A-18 zum Preis von 3,5 Milliarden Franken. Doch auch diese Beschaffung geht nicht reibungslos über die politische Bühne.
Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee, kurz GSoA, lanciert als Folge des Kaufentscheides eine Volksinitiative «Stop F/A 18». Diese wird zwar 1989 vom Stimmvolk abgelehnt. Die 42,8 Prozent Ja-Stimmen sind jedoch ein klares Zeichen des Misstrauens.
Am Abstimmungstag im Juni 1993 organisiert die GSoA ein Konzert auf dem Bundesplatz in Bern.
Bild:zVg
Fünf Jahre später werden die ersten F/A-18-Kampfflugzeuge ausgeliefert. Monate bevor die letzte Maschine 1999 an die Armee geht, stürzt eine Maschine im Kanton Wallis ab.
Heute verfügt die Schweizer Luftwaffe noch wie vor über 30 F/A-18 Kampfjets. Davon werden jedoch nur die Hälfte für den Einsatz instand gehalten.
1972: Verzicht auf Corsair und danach nicht die beste Wahl
«Nach dem Mirage-Skandal 1964 tut sich die Flugwaffe schwer, die aus ihrer Sicht dringend benötigten neuen Kampfjets zu beschaffen. 1972 weigert sich der Bundesrat gar, einen fixfertig vorbereiteten Kaufvertrag zu unterschreiben», schreibt die WOZ im April 2008 in der fünften Folge ihrer Serie zur Geschichte der Schweizer Kampfflugzeuge.
Die Bundesbehörden sind auf der Suche nach Ersatz für die Kampfflugzeuge des Typs Venom. 1972 sagt der Bundesrat wegen zu knapper Bundesfinanzen Nein zur Beschaffung des Corsair A-7D.
Der damalige Luftwaffenchef Eugen Studer fürchtet sich vor einer unglaubwürdigen Flotte ohne moderne Flugzeuge. «Einen Antiquitätenladen werden wir in der Flugwaffe nicht aufziehen», wird er in den Medien zitiert.
Die WOZ publiziert 2008 eine mehrteilige Serie zur Geschichte der Schweizer Kampfflugzeuge.
Bild:WOZ
Drei Jahre später sind die Finanzaussichten immer noch nicht rosig, trotzdem einigen sich Bund und Parlament auf den Kauf von neuen Kampfjets. Im August 1975 gibt es ein Ja für den Kauf von 72 F-5 Tiger zum Preis von rund 1,2 Milliarden Franken.
Kritische Stimme behaupten zwar, das Flugzeug sei nicht das beste, aber unter den finanziellen Möglichkeiten bestimmt das geeignetste.
Die Tiger-Beschaffung wird ausserdem getrübt vom Lockheed-Skandal. In diesen Korruptionsfall sind mehrere US-amerikanische Waffenhersteller verwickelt. Der Tiger-Hersteller Northrop ist ebenfalls mit Schmiergeldvorwürfen konfrontiert. Der Bund entlastet das Unternehmen schliesslich durch eine Untersuchung.
1964: Nach dem Mirage-Skandal rollen Köpfe
Der Bundesrat stellt am 30. Juni 1960 eine neue Truppenordnung vor: Die Schweiz soll eine mit Hightechmaterial ausgerüstete Armee aufstellen, die es mit jedem Gegner aufnehmen könne. National- und Ständerat stimmen der Vorlage im Herbst 1960 gegen die Stimmen der Linken zu.
Ein Jahr später erklärt der Bundesrat folgerichtig, er wolle 100 französische Mirage III S erwerben: «Ohne diese Erneuerung und Modernisierung des Flugzeugparks der Luftwaffe wäre das angefangene Werk nicht nur unvollständig, sondern es würde an einer wesentlichen Schwäche leiden.»
Im Sommer 2014 beschreibt die NZZ, wie die geplante Mirage Beschaffung «ausser Rand und Band» geriet.
Bild:NZZ
Das Parlament bewilligt 870 Millionen Franken – doch schon bald laufen die Kosten aus dem Ruder. 1964 beantragt der Bundesrat einen Zusatzkredit von 576 Millionen Franken. Vier Wochen später tritt Bundesrat Kurt Furgler im Nationalrat ans Rednerpult: «Der Bundesrat hat seinen Auftrag nicht erfüllt.» Und weiter: «Es gibt einen Grenzwert für erlaubte Unterschätzungen; dieser Grenzwert ist hier überschritten.»
«Der Bericht Furgler, der in aufgewühlter Zeit einem politischen Überschallknall gleichkommt, führt dazu, dass nur 57 statt 100 Mirage-Flugzeuge beschafft werden. Unmittelbar rollen die Köpfe von Generalstabschef Jakob Annasohn und von Etienne Primault, Waffenchef der Luftwaffe», blickt die NZZ 2014 auf den Mirage-Skandal zurück.
Bundesrat Paul Chaudet kann sich, obschon sein Image im Keller ist, vorerst noch halten. Der Rücktritt des Verteidigungsminister im November 1966 markiert das Ende der Affäre.
Bis 1970 werden 57 Mirage ausgeliefert. Die Schweiz kauft insgesamt 61 Modelle, von denen im Laufe der Jahre zehn durch Absturz verloren gehen. Bis Ende der 1990er-Jahre sind sie das Rückgrat der Luftwaffe.
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