Kritik am Gesundheitswesen Warum sich manch ein Senior nicht ernst genommen fühlt

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1.10.2019

Viele Senioren in der Schweiz beklagen, sie würden im Gesundheitssystem benachteiligt.
Viele Senioren in der Schweiz beklagen, sie würden im Gesundheitssystem benachteiligt.
Foto: Keystone

Eine aktuelle Umfrage warnt: Jeder zehnte Schweizer Senior ist vom Gesundheitswesen frustriert und fühlt sich mitunter sogar diskriminiert. Auch die hohen Kosten geben Anlass für Kritik. 

Aufgrund des demografischen Wandels gibt es immer mehr ältere Patienten in der Schweiz. Doch über 180'000 Pensionäre – mehr als jeder Zehnte – klagen über unhaltbare Zustände im Gesundheitswesen. Die Senioren fühlen sich in diesem Bereich massiv benachteiligt, ungehört und wie Kinder behandelt, wie eine repräsentative Umfrage von Pro Senectute Schweiz und GFS Zürich ergab.

Die Befragten gaben an, bei Diagnosen, Behandlungen und Rehabilitation nicht ernst genommen zu werden. Nicht selten haben sie sogar das Gefühl, dass ihnen Behandlungen und Reha-Massnahmen aufgrund des Alters vorenthalten werden.

Hemmungen und Hilflosigkeit

Der «Tages-Anzeiger» hakte bei Daniel Tapernoux von der Schweizerischen Stiftung SPO Patientenschutz nach, der die Klagen der Senioren durchaus nachvollziehen kann: «Bei jedem zweiten Patienten, den wir beraten, geht es darum, bei schwerer Erkrankung nicht ernst genommen worden zu sein», zitiert das Blatt den ehemaligen Arzt. Dieses Gefühl der Hilflosigkeit, die Kränkung anzusprechen und endlich Gehör zu finden, sei demnach vielen Patienten wichtiger, als Schadensersatz zu fordern.

Gleichzeitig weiss er, dass ältere Menschen oft Hemmungen haben, behandelnde Ärzte anzuzweifeln oder gar den Rat eines anderen Mediziners zu suchen.

Obwohl sich Spitäler und Praxen den Nöten und Anforderungen der verletzlichen Patientengruppe bewusst sind, musste Delphine Roulet von der Haute Ecole de la Santé La Source in Lausanne bei ihren Forschungen zur Diskriminierung von älteren Menschen feststellen, dass Ärzte Senioren «manchmal wie Kinder behandeln». Diese Art der Diskriminierung sei nicht nur frustrierend und häufiger als Sexismus und Rassismus, sondern auch «so sozial akzeptiert, dass wir es gar nicht wahrnehmen».

Zu hohe Kosten

Ein anderer Punkt, den Pensionäre laut Umfrage am Gesundheitssystem massgeblich kritisieren, sind die Kosten. Zwar seien die Prämien der Grundversicherung für Jung und Alt gleich, aber bei Zusatzversicherungen gibt es eklatante Unterschiede – sofern sie aufgrund der zu erwartenden Inanspruchnahme überhaupt noch für Neuabschlüsse angeboten werden.

Des Weiteren beklagen ältere Patienten mitunter das Ausbleiben von Reha-Massnahmen. Oft werde nur die Physiotherapie bezahlt, nicht aber stationäre Aufenthalte in Reha-Zentren.

Zwei geplante Initiativen wollen sich künftig dem besseren rechtlichen Schutz gegen Altersdiskriminierung annehmen.

Bilder aus der Schweiz

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