Juso-Initiative chancenlos Die Verlierer geben sich trotz der klaren Niederlage kämpferisch

Von Lia Pescatore, Wabern

26.9.2021

Was würden Sie anders machen, Ronja Jansen?

Was würden Sie anders machen, Ronja Jansen?

26.09.2021

Mit 64,8 Prozent Nein-Stimmen fährt die 99-Prozent-Initiative eine klare Niederlage ein. Die Initiatoren der Juso reagieren mit viel Gesang und einer Kampfansage: Die nächste Initiative zur Vermögensverteilung kommt.

Von Lia Pescatore, Wabern

26.9.2021

Es ist ein trister Tag, dieser 26. September. Ein wenig Farbe bringt die junge Frau rein, die am Morgen mit einer regenbogenfarbigen Maske am Bahnhof in Bern steht.

Leute, die Farbe bekannt haben für die «Ehe für alle», waren in den letzten Wochen viele anzutreffen. Der Wahlkampf um die «99-Prozent-Initiative» fiel im Vergleich blass aus. 

So unterschiedlich sind dann auch die Prognosen für die beiden Vorlagen: Während die Unterstützer der «Ehe für alle» ohne grosses Risiko bereits den Prosecco kaltstellen konnten, sahen die Feier-Prognosen für die Befürworter der «99-Prozent-Initiative» düsterer aus.

Am Abstimmungsfest der Initiative, in Wabern ausserhalb von Bern, lassen sich die Anwesenden, grossteils Juso-Mitglieder, die Stimmung durch die schlechten Vorzeichen nicht verderben.  

Man hat sich bereits darauf eingestellt, diesen Kampf zu verlieren. Beim Brunch sitzt man zusammen, um die Vorlage nochmals zu feiern – und den Initiativsong, der an diesem Tag nicht nur einmal gespielt wird. Laut singen alle den Refrain mit,

«Verstüüre müend mir ganz legal, nur 60 Prozent vo oisem Kapital, de Rest lönd mier zahle, du heschs erchänt, vo de andere 99 Prozänt»

Vorne macht Juso-Präsidentin Ronja Jansen mit, sie tanzt durch die Reihen der brunchenden Truppe. 

Trotz klarem Nein: Die Juso will weiterkämpfen

12 Uhr, der erste Trend: Ja für die Ehe für alle, Nein zur 99-Prozent-Initiative. Angestossen wird trotzdem. Man verfolgt die Debatte auf SRF, jubelt für die Befürworter, und lacht über die Argumente der Gegner. Während sich die Abstimmungs-Karte, die alle Köpfe überragt, sich langsam immer röter färbt, widmen sich die Juso-Mitglieder den angeregten Gesprächen mit Menschen, die man wegen der Pandemie schon länger nicht mehr zu Gesicht bekommen hat. 

Bereits drei Stunden später steht fest, die Initiative scheitert am Ständemehr – kein einziger Kanton sagt Ja – ein klarer Sieg für die Gegner, darunter der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse und der Gewerbeverband.

«Ein klares Ja für die Wirtschaftspolitik»

Auch FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt hat die Initiative bekämpft. «Das Resultat ist ein klares Ja für die aktuelle Wirtschaftspolitik», sagt er. Die progressive Einkommenssteuer bringe schon grosse Solidarität ins Steuersystem und so auch in die Gesellschaft.

SVP-Bundesrat Ueli Maurer sieht das Abstimmungsresultat als Zeichen dafür, «dass die Mehrheit der Bevölkerung den Eindruck hat, dass die Umverteilung in der Schweiz genügend ist», sagt er vor den Medien. Das Kapitel sei damit abgeschlossen.

Kapitalsteuern – 99-Prozent-Initiative der Juso mit Zweidrittelmehrheit abgelehnt

Kapitalsteuern – 99-Prozent-Initiative der Juso mit Zweidrittelmehrheit abgelehnt

Volk und Stände haben am Sonntag die Volksinitiative «Löhne entlasten, Kapital gerecht besteuern (99-Prozent-Initiative)» deutlich abgelehnt. 64,9 Prozent der Stimmenden sagten Nein, kein einziger Kanton nahm die Initiative an. Der Bundesrat zeigt sich mit dem Abstimmungsresultat zufrieden.

26.09.2021

Nicht für die Juso. Nach Bekanntgabe des definitiven Nein zu ihrer Initiative stimmen sie im Saal der «Heiteren Fahne» «die Internationale» an, singen inbrünstig, stehend und mit erhobener Faust: «Auf zum letzten Gefecht! Die Internationale erkämpft das Menschenrecht.»

Auch Juso-Präsidentin Ronja Jansen zeigt sich kämpferisch. «Wir lassen uns von diesem Resultat nicht unterkriegen», sagt sie und kündigt bereits die nächste Initiative zum Thema Vermögensumverteilung an, ein neues Projekt ist bereits in der Pipeline, «es geht um die höhere Besteuerung von Vermögen über 100 Millionen Franken», sagt Jansen.



Ein kleiner, aber kein Achtungserfolg

Der Mitgliederzuwachs bei der Juso zeige: «Das Umverteilungs-Thema bewegt die Jungen, gerade auch weil sie eine Klammer setzt um Fragen unserer Zeit wie den Klimawandel und Gleichstellungsfragen», ist sich Jansen sicher. Mit der 99-Prozent-Initiative hätten sie die Debatte um Arbeit und Kapital lanciert. «Das ist ein kleiner Erfolg», sagt sie.

Juso singen die «Internationale» trotz Niederlage

Juso singen die «Internationale» trotz Niederlage

26.09.2021

Als Befürworter der Initiative konnte die Juso jedoch nur wenige andere Parteien gewinnen, die SP sowie auch die Grünen unterstützten ihr Anliegen. Positiv legt diese Ausgangslage SP-Politiker Lewin Lempert aus: bei einem solch breiten Nein-Lager sei ein Drittel Ja-Stimmen «bemerkenswert». 

Ein Achtungssieg sei dieses Resultat jedoch nicht, sagt Politikwissenschaftler Lukas Golder zu SRF. Die 99-Prozent-Initiative habe weder Spuren in der Gesetzgebung hinterlassen noch sei die Gerechtigkeit des Steuersystems gross in den Medien diskutiert worden. Über das linke Lager hinaus konnten die Initianten nicht mobilisieren.

Am Sonntag liessen sich so auch wenige Vertreter anderer Parteien in Wabern blicken. SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer liess sich entschuldigen. Aus Bundesbern schaute von den anderen Parteien einzig Grüne-Politikerin Katharina Prelicz-Huber kurz vorbei. 

Sie sei erschüttert, wie die gegnerische Seite in diesem Wahlkampf vorgegangen sei, sie hätten gelogen «mit einem Lächeln im Gesicht», dass alle KMU und auch Menschen mit wenig Kapital auf dem Konto durch die Initiative betroffen seien. «Ja, so gewinnt man», sagt Prelicz-Huber trocken.

Abbringen lässt sich die Juso vom Thema nicht. «Wir bleiben dabei: Wir machen das, was wir wichtig finden», sagt Partei-Präsidentin Ronja Jansen.  Dass ihre Argumente in diesem Wahlkampf nicht weit über die «Idealistenkiste», wie sich das Lokal «Heitere Fahne» auch nennt, hinaus Gehör fand, geht in dem vielen Gesang an diesem Sonntag unter.

Was würden Sie anders machen, Ronja Jansen?

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26.09.2021