Rigide Vorgaben «Ehrengericht» sollte Zürcher SVP stramm auf Linie bringen

tafi

21.7.2020

In seiner kurzen Präsidentschaft bei der Zürcher SVP wollte Patrick Walder (l.) die Partei mit einer rigiden «Ehrencharta» auf Linie bringen. Nachfolger Benjamin Fischer wiegelt mittlerweile ab.
In seiner kurzen Präsidentschaft bei der Zürcher SVP wollte Patrick Walder (l.) die Partei mit einer rigiden «Ehrencharta» auf Linie bringen. Nachfolger Benjamin Fischer wiegelt mittlerweile ab.
Keystone/Walter Bieri

Die Zürcher SVP entwirft eine «Ehrencharta» für Parteimitglieder, die ein Amt bekleiden. Sie sollen nur noch die Parteimeinung vertreten, sonst drohen Sanktionen. Mittlerweile geht es in dem Papier nur noch ums Geld.

Alles sollte anders werden bei der Zürcher SVP: Nach der Schlappe bei den kantonalen Wahlen im April 2019 stellte sich die Partei neu auf, auch personell. Der junge Patrick Walder wurde Präsident und wollte die SVP mit einer «Ehrencharta» auf Linie bringen, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet.

«Ehrencharta und Grundsätze für SVP-Behördenvertreter» sowie der Begriff «Ehrengericht» stünden in einem internen SVP-Dokument, dass vom Juni 2020 datiert sei und der Zeitung vorliege. Man habe SVP-Mitglieder, die für ein Amt kandidieren, ganz offiziell verpflichten wollen, dem Parteiprogramm zuzustimmen – egal ob im Kantonsrat, in der Staatsanwaltschaft oder in der Richterschaft.

Ausserdem müssten sich die Kandidierenden verpflichten, sich im Wahlkampf persönlich zu engagieren. Sie sollten sich zudem «laufend über die Parteimeinung informieren [...] und die SVP gegen aussen vertreten».

«Ehrengericht» mit Sanktionsmöglichkeiten

Mit der «Ehrencharta» sollten auch die Parteisteuern neu geregelt werden: SVP-Mitglieder, die ein öffentliches Amt bekleiden oder in einer Behörde arbeiten, sollten einen Teil ihres Gehalts beziehungsweise ihrer Entschädigung an die Partei zahlen.

Auch Sanktionsmöglichkeiten würden in dem SVP-Dokument aufgeführt, schreibt der «Tages-Anzeiger». So hätte ein aus drei Parteimitgliedern bestehendes «Ehrengericht» die «Kandidatinnen oder Kandidaten respektive amtierende Behördenvertreter, welche sich der Ehrencharta widersetzen», bestrafen können: vor allem mit dem Entzug von Unterstützung im nächsten Wahlkampf. Aber auch ein Parteiausschluss sei möglich.

Man habe versucht, «mögliche Unstimmigkeiten zu verhindern und bei Unstimmigkeiten Lösungen zu finden», begründet der ehemalige Zürcher SVP-Chef Patrick Walder das in seiner kurzen Amtszeit (April bis Dezember 2019) lancierte Papier. Ein Unding findet Parteikollege Martin Burger und sagt: «Als Richter darf man dieses Papier nicht unterzeichnen.»

Scharfe Kritik von Richtern

Burger ist selbst pensionierter Richter und übt scharfe Kritik: «Dieses Dokument tangiert die richterliche Unabhängigkeit.» Als Richter sei man kein Parteisoldat und dürfe nicht der Gefahr parteipolitischer Einflussnahme ausgesetzt sein. Auch dass die Zürcher SVP die Nomination für kommende Wahlen von der Zahlung einer Parteiabgabe quasi abhängig mache, sei unzulässig.

Für den neuen Präsidenten der SVP Zürich ist die Kritik obsolet: Laut Benjamin Fischer, seit Anfang Jahr an der Parteispitze, ist das Papier seit Monaten nicht mehr aktuell. «Von Ehrencharta und Ehrengericht kann nicht die Rede sein. Das stand bloss mal in einem Entwurf. Aber schon damals war klar, dass das für Mitglieder in der Justiz nicht gelten kann. Der einzige relevante Punkt sind die Mandatsabgaben. Alle anderen Parteien erheben diese ja auch», wird er im «Tages-Anzeiger» zitiert.

Zudem sei ein solches Papier nicht rechtsverbindlich. Und natürlich entscheidet ein Richter «unabhängig nach dem Gesetz. Die Partei hat sich nicht einzumischen». Manche Leute aber, so mutmasst Fischer, hätten wohl «Probleme damit, Abgaben für ihre Ämter zu leisten».

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