Schleichverkehr durch Zürcher Schulquartier Eltern schlagen Alarm – «Es kann nicht sein, dass man Angst haben muss»

Samuel Walder

20.10.2025

Auf der Badenerstrasse Richtung Lindenplatz staut sich der Verkehr.
Auf der Badenerstrasse Richtung Lindenplatz staut sich der Verkehr.
Bild: zvg

Seit dem Umbau der Badenerstrasse staut sich der Verkehr am Lindenplatz – viele Autofahrer weichen durch ein Wohnquartier mit drei Schulen und Kindergärten aus. Drei Mütter berichten von lebensgefährlichen Situationen.

Samuel Walder

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Seit dem Umbau der Badenerstrasse zur Velostrasse staut sich der Verkehr in Zürich-Altstetten, viele Autofahrer weichen durch Wohnquartiere mit Schulen aus.
  • Anwohnerinnen berichten von gefährlichen Situationen und fordern Massnahmen, da Autofahrer Tempolimits und Fahrverbote missachten.
  • Die Stadt Zürich reagiert mit angepassten Ampelphasen, zusätzlichen Markierungen und der Aufhebung einer Einbahnregelung, rechnet aber mit einer Eingewöhnungszeit, bis sich die Lage stabilisiert.

Seit der Umbau der Badenerstrasse am Zürcher Lindenplatz zur Velostrasse abgeschlossen ist, staut sich der Verkehr regelmässig bis zum Farbhof. Viele Autofahrer weichen über Quartierstrassen wie die Feldblumen- oder Spirgartenstrasse aus – mitten durch ein Wohngebiet mit drei Schulen und drei Kindergärten. Drei Mütter aus Zürich-Altstetten berichten von einer gefährlichen Entwicklung, die ihnen grosse Sorgen bereitet.

«Es wird im Moment viel gebaut», sagt Angela Siefert, Mutter von zwei Töchtern. «Wegen der Baustelle fuhren auch schon Betonmischer durchs Quartier – vor allem frühmorgens.» Obwohl die Quartierstrasse seit einem Jahr nur für Anwohner und Zulieferer befahrbar sei, würden täglich Autofahrer diese Regel missachten.

«Am Morgen müssen wir immer wieder Leute darauf hinweisen, dass man da nicht durchfahren darf», erklärt die Anwohnerin gegenüber blue News. 

«Mit der Baustelle am Lindenplatz wurde es schlimmer»

Das ist aber nicht das einzige Problem. Ein Zwischenfall habe sie besonders aufgeschreckt: «Ein Kind ist auf die Strasse gefallen und dann kam ein Auto. Zum Glück ist nichts passiert.» Es sei aber nicht der erste Vorfall. «Nach diesem Vorfall haben wir uns beim Schulleiter gemeldet, der die Stadt informierte. Seither stehen Schilder am Anfang der Quartierstrasse», sagt Siefert. Doch das reiche nicht.

Vorher verlief hier eine Doppelspur. Eine wurde für die Velos geopfert. Nun staut der Verkehr.
Vorher verlief hier eine Doppelspur. Eine wurde für die Velos geopfert. Nun staut der Verkehr.
Bild: zvg

Denise Zimmermann, Mutter zweier Kinder im Alter von fünf und sieben Jahren, erlebt die Situation ähnlich schlimm: «Das Problem hat schon angefangen, als das Linksabbiegen beim Farbhof nicht mehr möglich war. Mit der Baustelle am Lindenplatz wurde es schlimmer – und seit die Badenerstrasse dort nur noch einspurig ist, gibt es mehrmals täglich Stau.» Viele Autofahrer würden nun durchs Quartier ausweichen oder gar «über die Tramgleise kehren, was sehr gefährlich ist».

Zimmermann ist entsetzt, wie rücksichtslos manche Autofahrer unterwegs sind: «Ich habe schon zwei-, dreimal Kinder zurückgerissen, damit sie nicht unter die Räder kommen. Für die Schul- und Kindergartenkinder ist es wirklich gefährlich.» Insgesamt seien drei Schulhäuser und drei Kindergärten betroffen: das Altstetter-, das Dachslern- und das Feldblumen-Schulhaus sowie die Kindergärten im Studerhaus.

«Ich finde Velowege wichtig, aber doch nicht auf Kosten der Kinder», sagt sie. «Die Sicherheit hat stark abgenommen. Es kann nicht sein, dass der Hauptverkehr jetzt ins Quartier gedrückt wird!»

Quartierstrasse soll zur Begegnungszone werden

Auch Laura Volkert, die ebenfalls in der Feldblumenstrasse wohnt, sieht die Ursache in den städtischen Verkehrsprojekten: «Das Ganze begann schon mit der Umgestaltung des Farbhofs wegen der Limmattalbahn». Mit dem Umbau am Lindenplatz sei die Lage endgültig eskaliert. «Die Autofahrer halten sich oft nicht an das Tempolimit und missachten Fussgängerstreifen – gerade zu den Schulzeiten ist das gefährlich.»

Die rote Linie zeigt den Stau auf der Badenerstrasse. Die blau gekennzeichneten Strassen sind die Feldblumenstrasse und die Spirgartenstrasse, über die die Autofahrer ausweichen. Der Grüne Pfeil zeigt in welche Richtung die Kinder aus dem Quartier laufen müssen, um die Schule zu erreichen.
Die rote Linie zeigt den Stau auf der Badenerstrasse. Die blau gekennzeichneten Strassen sind die Feldblumenstrasse und die Spirgartenstrasse, über die die Autofahrer ausweichen. Der Grüne Pfeil zeigt in welche Richtung die Kinder aus dem Quartier laufen müssen, um die Schule zu erreichen.
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Volkert und Zimmermann stehen in Kontakt mit dem städtischen Tiefbauamt. «Wir haben erfahren, dass die Spirgartenstrasse in den nächsten fünf Jahren zur Begegnungszone wird – das verstehen wir überhaupt nicht», sagt Volkert. «Diese Umwandlung wäre für unsere Strasse viel sinnvoller.»

Was alle drei Frauen eint, ist die Angst um ihre Kinder. «Es wohnen hier so viele Familien», sagt Siefert. «Klar, die Kinder müssen aufpassen. Aber es kann nicht sein, dass man Angst haben muss, wenn sie zur Schule gehen.»

Die Stadt kommt mit Lösungen

Die Stadt Zürich weiss von der Problematik und sagt auf Anfrage von blue News: «Auf Schulwegrouten werden auch in Tempo-30-Zonen oft Fussgängerstreifen markiert. Zudem werden Bodenmarkierungen und Verkehrsschilder ‹Achtung Kinder› angebracht, um Fahrzeuglenkende auf die Kinder aufmerksam zu machen und den Kindern das Überqueren der Strasse zu erleichtern.» Bei Verkehrsumleitungen würden die Auswirkungen auf Schulwege immer mit hoher Priorität berücksichtigt.

Was bringt die Stadt als Lösung? «Aufgrund der vielen Baustellen in Zürich Altstetten ist das Verkehrssystem dort ständigen Veränderungen ausgesetzt. Wir rechnen nach jeder Anpassung des Verkehrssystems mit einer Eingewöhnungszeit.» Damit sich der Erschliessungsverkehr des Quartiers nicht nur auf der Feldblumenstrasse sammle, und um die Verkehrsbelastung im Quartier besser zu verteilen, würde die Einbahnstrasse in der Spirgartenstrasse aufgehoben.

Der Stadtplan der Stadt Zürich zeigt, wie viel in Altstetten gebaut wird.
Der Stadtplan der Stadt Zürich zeigt, wie viel in Altstetten gebaut wird.
maps.stadt-zuerich.ch/

«Wo nötig, passen wir die Verkehrssteuerung an»

Weiter heisst es vonseiten Stadt: «Nach einem Augenschein vor Ort haben wir zudem die Grünphasen der Ampeln beim Lindenplatz angepasst, damit der Verkehr stadteinwärts besser abfliessen kann und nicht in die Quartierstrassen ausweicht.»

Die Dienstabteilung Verkehr beobachte die Verkehrslage in Altstetten kontinuierlich und evaluiere die Ursachen des Schleichverkehrs, sowie mögliche Massnahmen. «Wo nötig, passen wir die Verkehrssteuerung an. Wir empfehlen den Verkehrsteilnehmenden, den Baustellenbereich via Hohlstrasse zu umfahren, um stadteinwärts zu gelangen.» In den nächsten Wochen werden ausserdem einige Bauarbeiten abgeschlossen und Anbindungen wieder geöffnet, was sich wiederum auf den Verkehrsfluss auswirken würde, sagt die Stadt.

Falls die Stadt recht behalten soll, kann sich die Situation im Quartier beruhigen. Doch jetzt heisst es abwarten.


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