Contact Tracing ETH-Forscher kehrt neuer Coronavirus-App den Rücken

SDA/gbi

17.4.2020

ETH-Forscher Marcel Salathé widmet sich nun einem neuen Projekt.
ETH-Forscher Marcel Salathé widmet sich nun einem neuen Projekt.
Bild: Keystone

Die App PEPP-PT soll es ermöglichen, die Kontaktpersonen von Covid-19-Infizierten ausfindig zu machen. Der Epidemiologe Marcel Salathé der ETH Lausanne verlässt nun das Projekt – er vermisst die Transparenz.

Die App PEPP-PT ist ein internationales Projekt, auf dem grosse Hoffnungen im Kampf gegen das Coronaviurs lasten. Die App soll das Conact Tracing ermöglichen – sprich: es erlauben, nachzuverfolgen, welche Personen miteinander Kontakt hatten. Der Schweizer Epidemiologe Marcel Salathé gehörte zu den treibenden Kräften – nun zieht er sich aus dem Projekt zurück, wie er am Freitag auf Twitter bekanntgab.

Er glaube noch immer an einen internationalen Ansatz unter Schutz der Privatsphäre, schreibt der Forscher der ETH Lausanne. Er könne aber nicht hinter etwas stehen, von dem er nicht wisse, für was es stehe. Im Moment sei PEPP-PT nicht offen und nicht transparent genug.

«Transparenz ist zwingend»

Entscheidend seien die Details, schreibt Salathé. Dazu gehören für ihn die Protokolle, Privatsphäre oder Systemsicherheit. Alle, die an einer Lösung arbeiteten, sollten dies offen tun. «Transparenz ist zwingend», schreibt der Forscher auf Twitter.

Salathé will sich nun voll und ganz dem DP-3T-Projekt widmen. Es handelt sich um ein Open-Source-Projekt. Daten sollen dezentral und anonym gespeichert werden. Ideen könnten offen diskutiert werden, schreibt Salathé. Das Forscherkollektiv DP-3T hat am Freitag weitere Testversionen einer Contact-Tracing-App zur Erprobung veröffentlicht.

Experten setzen auf App

Solche Apps sollen ihre Nutzer warnen, wenn sie Kontakt zu Infizierten hatten. Die Betroffenen könnten sich dann zum Beispiel isolieren oder testen lassen. Die Unterbrechung von Ansteckungsketten soll zur Eindämmung der Pandemie beitragen, bis ein Impfstoff auf dem Markt ist.



Was Salathés Rückzug für die Strategie des Bundes zur Eindämmung der Epidemie bedeutet, ist unklar. Matthias Egger, Präsident der wissenschaftlichen Covid-19 Task Force, hatte sich Anfang April zuversichtlich zum Einsatz von PEPP-PT gezeigt.

Es seien noch Abklärungen zum Datenschutz im Gang, technisch sei man aber sehr weit. Je früher die App eingesetzt werde, desto besser. «Alles, was dazu beiträgt, Infektionsketten zu unterbrechen, ist willkommen und sollte eingesetzt werden» sagte Egger vor Journalisten.

Die Nutzung von Contact-Tracing-Apps soll in der Schweiz freiwillig sein. Nach Einschätzung von Egger wäre die Akzeptanz in der Schweizer Bevölkerung aber relativ gross: Er geht davon aus, dass rund 30 Prozent teilnehmen würden.

Internationales Projekt

PEPP-PT steht für Pan-European Privacy Preserving Proximity Tracing-Initiative. Deren App soll die auf Smartphones installierte Bluetooth-Datenübertragungstechnik nutzen, um festzustellen, welche anderen Handys sich über eine für eine Infektion relevante Zeit hinweg in entsprechender Nähe befanden.

Neben der ETH sind an der Entwicklung zahlreiche andere namhafte Forschungsanstalten beteiligt, darunter das Berliner Fraunhofer-Institut, die Technischen Universitäten Dresden und Berlin, das französische Institut national de recherche en informatique et en automatique sowie der Telekommunikationskonzern Vodafone beteiligt. Die deutsche Bundeswehr führte praktische Versuche mit der Plattform durch.

Schweizer Armee im Einsatz

Die Hintergründe über den Bruch zwischen den Forschungskollektiven sind unklar. Nach Angaben von Forschern hat PEPP-PT Informationen zu DP-3T von der Website entfernt, ohne sich dazu zu äussern.

Es gebe Gerüchte, dass PEPP-PT-Mitglieder für ein nicht-öffentliches Design lobbyierten schreibt der ETH-Forscher Mathias Payer vom DP-3T-Kollektiv auf Twitter. Dafür sei deutlich mehr Vertrauen in die Regierung nötig. Payer hat am Freitag mit Angehörigen der Schweizer Armee Feldversuche mit DP-3T durchgeführt.

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