Europawahl - Schweiz EU-Kommissionschef: Verhältnis Schweiz-EU bleibt angespannt

SDA

27.5.2019

Das Schweizer Stimmvolk will es sich mit der EU nicht verscherzen. Das haben die Abstimmungen zur Steuerreform und zum Waffenrecht gezeigt. Trotzdem dürftes das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU unter dem neuen EU-Komissionschef kein einfaches werden (Archivbild).
Das Schweizer Stimmvolk will es sich mit der EU nicht verscherzen. Das haben die Abstimmungen zur Steuerreform und zum Waffenrecht gezeigt. Trotzdem dürftes das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU unter dem neuen EU-Komissionschef kein einfaches werden (Archivbild).
Bild: Keystone/Gaetan Bally

Das Ringen um die Nachfolge von Jean-Claude Juncker als EU-Kommissionspräsidenten läuft bereits auf Hochtouren. Keiner der gehandelten Kandidaten dürfte jedoch ein leichter Verhandlungspartner für die Schweiz werden.

Nach der Europawahl hat bereits das Geschacher um die Nachfolge von Jean-Claude Juncker als EU-Kommissionspräsidenten begonnen. Das Rennen ist zwar noch völlig offen, doch gleichgültig, wer neuer Kommissionschef wird: Das Verhältnis Schweiz-EU dürfte weiter angespannt blieben.

Manfred Weber von der konservativen Europäischen Volkspartei sieht sich als Kronfavorit für den Posten des EU-Kommissionschefs. Denn seine Partei hat trotz hoher Verluste am meisten Stimmen bei der Europawahl erhalten. Kein Wunder, fordert der Deutsche, Nachfolger von Juncker zu werden.

Dürfte der CSU-Mann aus Bayern also ans Ruder der EU-Kommission kommen, ist für die Schweiz klar, was zu erwarten ist. Denn Weber ist der einzige Spitzenkandidat, der sich im Wahlkampf öffentlich zur Beziehung Schweiz-EU geäussert hat.

Ständig gegen Brüssel stänkern, aber alle Vorteile geniessen zu wollen — «das werde ich nicht länger dulden», hatte Weber etwas genervt an einer öffentlichen Veranstaltung Ende März gesagt, wie kürzlich die «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» schrieb.

Die beiden Ex-Kommissare

Sein Rivale um das Amt des EU-Kommissionspräsidenten, Frans Timmermans, ist wie Weber ein bekennender Europäer. Der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, aktuell erster EU-Vizekommissionspräsident und ehemalige niederländische Aussenminister, hat sich, soweit bekannt ist, noch nie öffentlich zum Verhältnis Schweiz-EU geäussert.

Doch er hat die Diskussionen um die Schweiz — etwa die Befristung der Börsenäquivalenz und deren Verknüpfung mit dem Rahmenabkommen — in Sitzungen der EU-Kommission mitbekommen und entsprechende Entscheide mitgetragen.

Ein Indiz, wie sich ein EU-Kommissionschef Timmermans gegenüber der Schweiz verhalten könnte, sind seine Aussagen zum Brexit. So sagte der Niederländer Anfang März gegenüber der Zeitung «Welt»: «Wir haben eine Pflicht gegenüber den europäischen Bürgern, den EU-Binnenmarkt (...) und die Prinzipien der EU zu schützen. Und das werden wir mit aller Entschiedenheit weiterhin tun.»

Das gleiche wie für Timmermans gilt für die aktuelle EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, die für die Liberalen EU-Kommissionspräsidentin werden möchte: Auch von der Dänin sind keine Äusserungen zum Verhältnis Schweiz-EU bekannt.

Doch die Pfarrerstochter ist bekannt als beinharte Verfechterin von EU-Wettbewerbsregeln. «Wer in Europa Geschäfte machen will, hat sich an die europäischen Regeln zu halten», lautet ihr Credo. Sie ging bereits gegen Google, Fiat, Starbucks oder Gazprom vor.

Schon als Wirtschaftsministerin in Dänemark zog sie Reformen unbeirrt durch — gegen alle Einwände der Linken und der Gewerkschaften. Deswegen wurde sie denn auch «Eiskönigin» genannt. Eisig dürfte wohl auch der Wind sein, der der Schweiz bei ihrer allfälligen Ernennung zur EU-Kommissionspräsident entgegen blasen wird. Vestagers Chancen sind jedoch gering.

EU-Staaten geben Kurs vor

Doch wie schon zu Junckers Zeiten: Die wirkliche Macht liegt bei den Mitgliedstaaten — sie geben den Ton an, etwa bei Verhandlungen über ein Rahmenabkommen oder der Schweizer Beteiligung am EU-Forschungsprogramm «Horizon Europe».

Nur bei der Tonart — Dur oder Moll — hat die Brüsseler Behörde Spielraum. Zu Jahresbeginn wurde denn auch in Dur gespielt, als es in einer Kommissions-internen Weisung hiess, dass Marktzugangsabkommen mit der Schweiz künftig nur noch aktualisiert werden, wenn dies im Interesse der EU ist. Das war ganz im Sinne der EU-Staaten.

Ein Verfechter dieser harten Gangart gegenüber Bern ist Frankreich. Würde also der Franzose Michel Barnier, der sich selbst als Kandidaten ins Spiel gebracht hatte, Präsident der Brüsseler Behörde werden, wäre ebenfalls mit einer harten Linie zu rechnen. Barnier hatte sich als Brexit-Chefunterhändler der EU bei den Austrittsverhandlungen mit den Briten einen Namen gemacht und geniesst den Respekt der EU-Staats- und Regierungschefs.

Und obwohl ein Konservativer scheint Barnier, Ex-Binnenmarktkommissar und französischer Ex-Aussenminister, nun auch die Unterstützung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu haben, wie am Sonntagabend kolportiert wurde.

Steife Brise aus Brüssel bleibt

Das Postengeschacher hat erst begonnen. Wer am Schluss EU-Kommissionspräsident wird, ist noch völlig offen. Am Dienstag treffen sich die EU-Chefs zu einer ersten Beratung.

Unklar ist zudem, ob überhaupt einer der Spitzenkandidaten neuer EU-Kommissionspräsident wird, denn viele der 28 EU-Chefs lehnen das Spitzenkandidatenmodell ab. Sie wollen sich das Privileg, selber jemanden zu ernennen, nicht vom EU-Parlament aus der Hand nehmen lassen.

Doch gleichgültig, wer am Ende Chef der Brüsseler Behörde wird: Die streife Brise aus Brüssel, die der Schweiz aktuell entgegen bläst, wird blieben. Soviel ist sicher.

Bilder aus der Schweiz
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