Experten-Gremium So müsste die Langzeitpflege umgekrempelt werden

SDA/amo

9.1.2023 - 15:57

Eine Pflegekraft begleitet eine Seniorin in einem Pflegeheim.
Eine Pflegekraft begleitet eine Seniorin in einem Pflegeheim.
Keystone (Symbolbild)

In der stationären Langzeitpflege braucht es zur Betreuung der Bewohner*innen zusätzliche Fachkompetenzen: Diese Ansicht äussert ein nationales Expertenkomitee. Ausserdem müsse die Pflegefinanzierung angepasst werden.

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Wer Menschen in der stationären Langzeitpflege betreut, soll zusätzliche Fachkompetenzen vorweisen können. Das fordert ein Expertenkomitee. Dazu sollen Fachkompetenzen in den Bereichen Geriatrie, Gerontopsychiatrie, Epidemiologie, Infektionsprävention, Palliative Care und Ethik gehören. Weiter müsse die Pflegefinanzierung der zunehmenden Komplexität der Pflege angepasst werden. 

Das nationale Expertenkomitee veröffentlichte am Montag einen entsprechenden Bericht. Den Auftrag, die Probleme zu analysieren, die während der Pandemie in Alters- und Pflegeheimen festgestellt worden waren, hatte die wissenschaftliche Covid-Taskforce erteilt.

Die meisten der von den Experten identifizierten Herausforderungen seien jedoch nicht spezifisch für die Pandemie, sondern «strukturell und den an der Langzeitpflege Beteiligten seit Jahren bekannt», schreiben die Autoren. Die Behörden hätten dennoch den Institutionen der Langzeitpflege bei der Pandemiebewältigung längere Zeit zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Alters- und Pflegeheimen sei etwa zu Beginn der Pandemie im Vergleich zu den Spitälern deutlich weniger Schutzmaterial zugeteilt worden.

Heime kommen schnell an ihre Grenzen 

In epidemiologischen, hygienischen und ethischen Fragestellungen rund um den Umgang mit der Pandemie waren laut dem Bericht die Alters- und Pflegeheime weitgehend auf sich selbst gestellt. Zahlreiche Institutionen seien bei der Erarbeitung von Schutzkonzepten, Isolations- und Kohortierungsmassnahmen aus personellen, fachlichen und räumlichen Gründen rasch an ihre Grenzen gekommen.

Auch die ärztliche Behandlung der Bewohnerinnen und Bewohner habe während der Pandemie in vielen Institutionen nur ungenügend sichergestellt werden können. Zusätzlich verfügten viele Heime über keine verantwortliche Ärztin oder Arzt für übergeordnete Aufgaben, was die Klärung von infektologischen, epidemiologischen und hygienischen Fragen erheblich erschwert habe.

Eine Pflegefachkraft hilft einer Heimbewohnerin beim Aufstehen. 
Eine Pflegefachkraft hilft einer Heimbewohnerin beim Aufstehen. 
Imago Symbolbild

Koordination in der Krisenzeit nicht optimal

Schon vor der Pandemie sei die Arbeitsbelastung in den Alters- und Pflegeheimen beträchtlich gewesen, heisst es weiter im Bericht. Das habe sich in der Pandemie noch verschärft. Die Anzahl und Qualifikation des Pflegepersonals reiche nicht aus, um den Bedürfnissen der Bewohner gerecht zu werden. In vielen Alters- und Pflegeheimen fehle eine dringend benötigte interne oder auch extern angebotene Expertise für Fragestellungen der Epidemiologie.

Auch die Koordination zwischen Alters- und Pflegeheimen und Spitälern hätte nach Ansicht der Experten in der Krisenzeit mehr Aufmerksamkeit gebraucht. In vielen Kantonen seien innerhalb der Verwaltung die Gesundheitsdepartemente verantwortlich für die Alters- und Pflegeheime, in einigen Kantonen liege die Federführung aber beim Sozialdepartement.

Die Pandemie habe deutlich gezeigt, dass diese Einrichtungen vielerorts nicht in eine medizinische Versorgungskette eingebunden seien und dass es in den meisten Fällen keine verbindlichen Regelungen und Empfehlungen für die medizinische Betreuung gebe.

Aus- und Weiterbildung verbessern

Das Expertenkomitee empfiehlt, die Pflegefinanzierung nach Krankenversicherungsgesetzes (KVG) so anzupassen, dass die zunehmende Komplexität der Pflege angemessen finanziert wird. Bildungsangebote sollten auf verschiedenen Stufen zur Erlangung und Erhaltung von Kompetenzen, zum Beispiel in den Bereichen Infektionsprävention und -kontrolle, demenzgerechte Betreuung und Pflege sowie Palliative Care, ausgestaltet werden.

Die Kantone sollten zudem unter anderem Mindestkriterien zur heimärztlichen Versorgung in Bezug auf Präsenz, Verfügbarkeit, Verantwortungsbereiche und Qualitätskriterien definieren.

Die Föderation der Dienstleister für Menschen mit Unterstützungsbedarf (Artiset) und der Branchenverband der Dienstleister für Menschen im Alter (Curaviva) forderten in einer gemeinsamen Medienmitteilung vom Montag eine rasche Umsetzung der Empfehlungen des Expertenkomitees.

Im Jahr 2020 wohnten insgesamt 152'753 Personen in einem Alters- und Pflegeheim (inklusive Kurzaufenthalte).