Verhältnis von Stadt und Land «Das Dazwischen ist die schweizerische Normalität»

SDA

13.12.2021 - 15:29

Wo endet die Stadt, wo beginnt das Land? Die meisten Schweizer*innen verorten sich nicht klar in einem dieser Gebiete.
Wo endet die Stadt, wo beginnt das Land? Die meisten Schweizer*innen verorten sich nicht klar in einem dieser Gebiete.
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Einen Graben zwischen Stadt und Land sehen die Schweizer*innen nicht wirklich. Die meisten verorten sich irgendwo dazwischen, wie eine Umfrage ergibt. 

Das Forschungsinstitut Sotomo hat am Montag die Ergebnisse einer Umfrage zum Verhältnis von Stadt und Land in der Schweiz präsentiert. In Auftrag gegeben hatte diese die Agrargenossenschaft Fenaco, die den Dialog in diesem Gebiet mit 10 Millionen Franken fördern will.

Die Umfrage bei über 3000 Menschen im Oktober dieses Jahres ergab unter anderem, dass es nicht wirklich einen Graben zwischen Stadt und Land gibt, wie Sotomo-Geschäfstführer Michael Hermann vor den Medien sagte. Er spricht lieber von einem Spannungsfeld zwischen den grösseren Städten und dem ländlichen Raum.

Die meisten Schweizer*innen nähmen ihre Wohngemeinde als Mischform zwischen städtisch und ländlich wahr, sagte Hermann weiter. «Das Dazwischen ist die schweizerische Normalität», schreibt Sotomo im «Stadt-Land-Monitor». Nur acht Prozent der Bevölkerung lebten nach eigenen Angaben in einer sehr ländlichen oder einer sehr städtischen Gemeinde.



Eine Auswertung der Abstimmungsdaten seit 1981 bestätigt den Gegensatz zwischen grösseren Städten und dem Land. Die Kluft hat sich seit zwei Jahren noch vergrössert: Die grösseren Städte sind in 11 von 22 Abstimmungen überstimmt worden, der ländliche Raum hingegen nur einmal.

Gegensatz ist relevant, aber keine Belastung

Die Befragung ergab auch, dass zwei Drittel der Befragten den Stadt-Land-Gegensatz als gross und relevant wahrnehmen. Nur für einen Viertel dieser Personen führt dieser Gegensatz jedoch zu einer Belastungsprobe für die Schweiz.

Das Verhältnis zwischen Stadt und Land sei insgesamt «kompliziert und von Ambivalenz geprägt», heisst es in der Studie: Städter*innen sehnten sich nach dem Land, Personen auf dem Land erlebten Menschen aus der Stadt als oberflächlich und arrogant. Selbst bei der Basis der SVP ergreifen nur 45 Prozent klar für das Land Partei.

Hermann wies vor den Medien auch darauf hin, dass die Städte auf dem Land als insgesamt bestimmend wahrgenommen werden – obwohl sie bei Abstimmungen häufig verlieren. Von grossen Unternehmen fühle sich das Land besonders übergangen. Die Abstimmungsdemokratie könne insofern als Mittel zur Korrektur der urbanen Dominanz verstanden werden.

Fenaco will den Dialog fördern

Die Befragten gaben auch an, es brauche den direkten, unmittelbaren Kontakt zwischen Stadt und Land, um den Gegensatz zu überbrücken. 92 Prozent befürworten die Einführung von obligatorischen Schulbesuchen auf dem Bauernhof. Grosse Sympathien gibt es auch für die Idee, «Stadtschulwochen» durchzuführen.

Besuch auf dem Bauernhof: Eine 6. Klasse aus Langenthal BE lernt, wie die Familie Krähenbühl in Oberhünigen Rahm herstellt. In der Mitte hinten Nationalratspräsident Andreas Aebi (SVP), der in seinem Präsidialjahr unter dem Stichwort Zusammenhalt unter anderem den Dialog zwischen Stadt und Land fördern wollte.
Besuch auf dem Bauernhof: Eine 6. Klasse aus Langenthal BE lernt, wie die Familie Krähenbühl in Oberhünigen Rahm herstellt. In der Mitte hinten Nationalratspräsident Andreas Aebi (SVP), der in seinem Präsidialjahr unter dem Stichwort Zusammenhalt unter anderem den Dialog zwischen Stadt und Land fördern wollte.
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Bei diesen Kontakten will die Agrargenossenschaft Fenaco ansetzen. Sie befindet sich in der Hand der 174-Landi-Genossenschaften der Schweiz, welche 43'000 Mitglieder zählen – davon über 23'000 Bäuer*innen.

Die Agrargenossenschaft Fenaco will mit zehn Millionen Franken den Dialog zwischen Stadt und Land fördern. Das Geld soll vor allem Projekten zugute kommen, welche direkte Begegnungen zwischen Bauernfamilien und der übrigen Bevölkerung ermöglichen.

Zürcher SVP lanciert Initiative

Die SVP versucht derweil, das Thema weiter für ihre Zwecke zu bewirtschaften. So hat die SVP-Fraktion im Zürcher Kantonsrat am Montag eine neue Volksinitiative angekündigt: Sie fordert, den Zentrumslastenausgleich für die Städte Zürich und Winterthur zu kürzen. Das würde diese beiden Städte schwächen.



Ab dem Jahr 2023 treten im Kanton vier Gesetze in Kraft, welche die Zentren Zürich und Winterthur zusätzlich entlasten sollen: Das neue Zusatzleistungsgesetz, der Kinder- und Jugendheimgesetz, das Strassengesetz und das neue Lotteriefondsgesetz im Teil Kulturfonds.

Die SVP will diese zusätzliche Entlastung für die Zentren kürzen, um 164 Millionen Franken pro Jahr. Diese nach Ansicht der SVP «erfolgversprechende» Initiative sei in Planung.

SDA/lmy

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