Veranstalter fordern Klarheit «Die Behörden nehmen unsere Anliegen nicht ernst»

Von Gil Bieler

10.3.2021

Als Social Distancing noch kein Thema war: Greenfield-Besucher im Jahr 2018.
Als Social Distancing noch kein Thema war: Greenfield-Besucher im Jahr 2018.
Bild: Keystone/Anthony Anex

Wie es mit Grossveranstaltungen weitergeht, ist unklar. Mit dem Greenfield gibt das erste grosse Festival die Hoffnung für 2021 auf. Die Veranstalterbranche fordert nun rasch Klarheit von Bern. 

Von Gil Bieler

10.3.2021

Die Organisatoren des Greenfield-Festivals in Interlaken benennen die Probleme der Veranstaltungsbranche unverblümt: «Wir wissen nicht, welche Regeln allenfalls eingehalten werden müssen, welche Kapazität erlaubt ist und welche Massnahmen wir integrieren müssten», heisst es in einer Mitteilung vom Mittwoch. Das für Anfang Juni geplante Musikfestival findet daher nicht statt.

Und es dürfte nicht die einzige Absage bleiben. «Je länger diese Unsicherheit andauert, desto länger überlässt man die Veranstalter ihrem Schicksal», sagt Stefan Breitenmoser. Der Geschäftsführer des Branchenverbands Swiss Music Promoters Association (SMPA) vermisst Planungssicherheit: «Alle Veranstalter, die einen Anlass bis Ende Juli durchführen wollen, müssen in den nächsten Tagen einen Entscheid treffen», sagt er auf Anfrage. Doch solange der Bund keine Auflagen definiert, unter denen Festivals, Konzerte oder Shows wieder möglich sein könnten, tappe die Branche im Dunkeln.

«Im Zweifelsfall werden sich die Organisatoren gegen eine Durchführung entscheiden», sagt Breitenmoser. «Wer schliesst schon Verträge mit Künstlern, Zulieferern und Helfern ab, ohne die Rahmenbedingungen der Behörden für seine Veranstaltung zu kennen?» Es sei schlicht unmöglich, zu planen und zu kalkulieren, solange man die Auflagen nicht kenne. Finanziell würde es für viele Musikfestivals eng werden, wenn sie die Planung vorantreiben, schlussendlich aber die zweite Ausgabe in Folge doch streichen müssten.

Bern bastelt an einem Rettungsschirm

Ob eine Finanzspritze aus Bern zu erwarten ist, ist unklar: Der Nationalrat beschloss am Montag zwar, der Eventbranche mit 350 Millionen Franken unter die Arme zu greifen. Dieser Rettungsschirm war für Veranstaltungen gedacht, die von Anfang Juni 2021 bis Ende April 2022 geplant sind, wegen der Pandemie aber nicht durchgeführt werden können. Doch der Ständerat strich die Hilfsgelder am Mittwoch wieder aus dem Covid-19-Gesetz.

Nächste Woche geht das Geschäft zurück in die grosse Kammer. Breitenmoser hofft, «dass der Nationalrat nach seinem klaren Entscheid vom Montag bei seiner Meinung bleibt».

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Ein solcher Rettungsschirm wäre zwar finanziell hilfreich, teilt Roman Pfammatter vom Open Air Gampel auf Anfrage mit, «aber wir wollen in erster Linie unsere Veranstaltungen durchführen. Unsere Besucher, Lieferanten und Partner zählen auf uns und sind auf unsere Arbeit angewiesen». Das Walliser Festival stellt weitere Informationen zur Durchführung für den morgigen Donnerstag in Aussicht. 

Vom Bund ist man enttäuscht: «Weder die Dienststelle für Kultur, das BAG noch der Bundesrat haben verstanden, dass wir dringend Antworten mindestens zur ersten Hälfte des Sommers haben müssen, damit die ersten Festivals in den nächsten Tagen nicht kollabieren», so Pfammatter. «Es geht nicht nur um die Festivals, sondern um alle Konzerte, sei es im Freien, in den Hallen, es geht um den Sport, Stadtfeste und auch die Clubs und Kleinkultur, um die ganze Branche», sagt er. Pfammatter findet: «Die Behörden nehmen unsere Anliegen nicht ernst.»

Ähnlich klingt es beim Openair St. Gallen: «Wir werden noch im März Klarheit haben müssen.» Das Traditionsfestvial im Sittertobel ist vom 1. bis zum 4. Juli angesetzt. «Allerdings», hält Mediensprecherin Nora Fuchs fest, «sind die Aussichten für den Frühsommer nach wie vor schwierig.» 

Bundesrat will am Freitag Ideen vorlegen

Wann genau der Bund Klarheit betreffend Grossveranstaltungen schaffen will, ist noch offen. Klar ist aber, dass der Bundesrat Vorsicht walten lassen will: So hat er weitere Lockerungsschritte an eine Reihe von Kriterien geknüpft. Die epidemiologische Lage muss also günstig sein.

Konkret will der Bundesrat am Freitag aufzeigen, wie die nächsten Lockerungsschritte aussehen könnten: Seine Vorschläge gehen dann an den Kantonen zur Konsultation. Eine Woche später, am 19. März, will der Bundesrat dann über die nächsten Öffnungsschritte informieren, die per 22. März in Kraft treten könnten.

Veranstalter gegen Zutritt nur für Geimpfte

Eine Möglichkeit, die in jüngster Zeit immer wieder im Gespräch war: dass nur noch geimpfte Personen Zutritt zu Veranstaltungen erhalten sollen. Der Branchenverband SMPA spricht sich dagegen aus. Breitenmoser erklärt: «Wir wollen uns nicht vom Bund instrumentalisieren lassen und eine indirekte Impfpflicht durchsetzen.»



In einer Übergangsphase sieht der Verband aber auch den Einsatz von Schnell- und Selbsttests als mögliches Kriterium für einen Veranstaltungsbesuch. Doch es sei nun Aufgabe des Bundes, in den nächsten Tagen über diese Fragen zu entscheiden und Vorgaben zu definieren. Breitenmoser hofft, dies geschehe in Absprache mit den Verbänden – damit die Veranstaltenden eine Grundlage für den Entscheid über eine Durchführung hätten.

Wobei Breitenmoser die Frage aufwirft, ob eine Impfpflicht überhaupt für alle Veranstaltungen nötig sei: «Wenn man ein Open Air unter freiem Himmel auf einem grossen Gelände durchführt, kann auch mit der Umsetzung eines Schutzkonzepts das Ansteckungsrisiko klein gehalten werden», ist er überzeugt.