Diversitäts-Software entwickeltFolgen von Trumps Agenda zwingen Schweizer Start-up zur Aufgabe
Stefan Michel
9.5.2025
Diversität und Inklusion war das Geschäft des Software-Unternehmens Witty Works. Der Stimmungswandel unter Trump verunmöglicht ihnen das nötige Wachstum.
Witty Works AG
Das Unternehmen Witty Works hat Unternehmen dabei unterstützt, diskriminierungsfreie Texte zu schreiben. Nach Donald Trumps Wahl sank die Nachfrage stark und das Tech-Start-up musste schliessen.
Stefan Michel
09.05.2025, 23:48
10.05.2025, 07:18
Stefan Michel
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Das Schweizer Start-up Witty Works, das ein inklusives Schreib-Plugin entwickelte, musste Insolvenz anmelden, da potenzielle Geschäftspartner unter dem politischen Druck der Trump-Regierung absprangen.
Internationale Unternehmen, darunter auch Schweizer Konzerne wie UBS, Novartis und Roche, distanzieren sich zunehmend von Diversitätsprogrammen, um politischen und wirtschaftlichen Risiken aus dem US-Markt zu entgehen.
Gründerin Nadia Fischer sieht in Trumps Anti-Woke-Politik den Hauptgrund für das Scheitern des Start-ups, da Investitions- und Kooperationsbereitschaft rapide zurückgingen.
Wer sich für Inklusion einsetzt, dafür, dass Minderheiten oder auch Frauen nicht diskriminiert werden, hat Chancen, es früher oder später mit Trump zu tun zu bekommen. Was für den US-Präsidenten und sein Team woke erscheint, wird bekämpft. Jüngstes Beispiel: die Regierung Stockholms, die eine entsprechende Anweisung vom dortigen US-Botschafter erhalten hat.
Auch Schweizer Unternehmen geben Diversitäts- und Gleichstellungsprogramme auf, so zum Beispiel die UBS, Novartis, und Roche. Oder sie vermeiden es zumindest, auf diese hinzuweisen. Die Luft ist aktuell sehr dünn für Bestrebungen, Menschen unterschiedlicher Hintergründe gleiche Chancen zu bieten – besonders im Machtbereich der Regierung Trump.
Wie weit dieser reicht, hat nun ein Schweizer Tech-Start-up erfahren müssen. Die Firma Witty Works hat ein Online Tool entwickelt – genauer, ein Browser-Plugin – das wie ein Rechtschreibprogramm auf diskriminierende Textstellen aufmerksam macht und alternative, inklusivere, Formulierungen vorschlägt.
Investitionen in Millionenhöhe
Schweizer und internationale Investor*innen glaubten an das Projekt, einen einstelligen Millionenbetrag haben die Gründer*innen gesammelt. «Wir haben noch keine schwarzen Zahlen geschrieben», erzählt Nadia Fischer blue News, «aber noch das erste Semester 2024 war richtig gut.»
Witty Works hatte rund zwei Dutzend Kunden, die die Online-Dienstleistung nutzten und dafür Lizenzgebühren bezahlten. «Unsere Technologie, die selbstlernend ist, wurde immer besser. Wir gewannen Preise für unser Produkt, hatten immer mehr Kund*innen in der Pipeline.»
Die Website des Unternehmens nennt als Kunden etwa die ETH, die Deutsche Bahn, Microsoft, das VBS, die Stadt Wien, den Werbegiganten Publicis oder den Kleiderhersteller Patagonia. Im Gespräch erwähnt Fischer weitere grosse Unternehmen, die das Plugin nutzten oder mit Witty Works in Verhandlung standen. Diese wollen nicht öffentlich erkennbar sein. Nur so viel: Es sind grosse und teilweise weltweit tätige Unternehmen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum sowie Frankreich und Kanada darunter.
Doch schon während Trumps Wahlkampf und vor allem seit seiner Wahl zum US-Präsidenten sei es schwieriger geworden, interessierte Unternehmen von einem Abschluss mit Witty Works zu überzeugen. «Es könnte für Firmen, die auch in den USA tätig sind, heikel werden, einen Vertrag mit uns zu haben. Das Risiko besteht, dass ein Mitarbeitender Klage erhebt oder amerikanische Aktionäre dies tun.»
Verhandlungspartner melden sich nicht mehr
Alle Bemühungen fruchteten nicht. «Nach drei Monaten Trump ist uns klar geworden, dass wir die nötigen Kunden nicht gewinnen werden, wenn sich schon jene nicht mehr melden, mit denen wir teilweise seit Jahren verhandelten.»
Hinzu kommt das allgemein unsichere Marktumfeld durch die Handelspolitik der neuen US-Regierung. «In so einer Situation ist die Bereitschaft ohnehin kleiner, in ein solches Produkt zu investieren, das viele immer noch als nice to have wahrnehmen.»
Nadia Fischer und ihren Partner*innen blieb nichts anderes übrig, als ihre Geschäftstätigkeit einzustellen. «Die bestehenden Kunden waren sehr enttäuscht. Sie waren überaus zufrieden mit dem Produkt, verlängerten die Verträge und stockten sie sogar auf. Aber wie viele Software-Unternehmen können wir die Kosten nur tragen, wenn wir wachsen und das ist in der jetzigen Anti-Diversitäts-Phase leider nicht möglich.»
Die Folge: Die Investor*innen verlieren ihren Einsatz. Die fünf Mitarbeitenden suchen einen neuen Job.