Forschende der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW untersuchen, welche Auswirkungen Neonikotinoide auf das Gehirn von Bienen hat. Ihr Ziel ist, die Wirkung der Insektizide besser zu verstehen und Gesundheitsschäden möglichst früh zu erkennen.
Weltweit schwinden die Bienen. Neben anderen Ursachen stehen Insektizide in Verdacht, dafür verantwortlich zu sein: Neonikotinoide beeinträchtigen das Immunsystem und die Fruchtbarkeit von Bienen, sowie ihre Lern- und Orientierungsfähigkeit. Sie können die Tiere sogar lähmen und töten. Über Pollen und Nektar schleppen die Insekten diese Gifte auch in den Bienenstock ein.
Die Ökotoxikologe Karl Fent und Verena Christen von der Hochschule für Life Sciences der Fachhochschule Nordwestschweiz (HLS FHNW) möchten mit ihrem Team verstehen, was genau diese Giftstoffe im Organismus der Insekten bewirken. Das soll auch dabei helfen, Schädigungen frühzeitig zu erkennen.
Für Bienenzüchter ist nämlich schwer festzustellen, ob einer ihrer Bienenstaaten mit solchen Substanzen in Berührung gekommen und seine Gesundheit beeinträchtigt ist. "Wenn die Bienen krank werden, merken Forscher und Imker das meist zu spät", sagte Fent gemäss einem Artikel im Online-Magazin der FHNW. Die Diagnosemethode, an der das Team arbeitet, soll die Belastung anhand einzelner Tiere erkennbar machen, so dass der Staat womöglich noch gerettet werden kann.
15 Schlüsselgene
Da die Neonikotinoide auf die Nerven der Insekten wirken, fokussieren Fent und seine Mitarbeiterin Verena Christen auf das Gehirn der Bienen, um einen Test zu etablieren. Für ihre Untersuchungen fütterte Christen einige Bienen im Labor mit Zuckerwasser, das mit verschiedenen Neonikotinoiden in unterschiedlicher Dosierung versetzt ist.
Drei Tage später betäubt und tötet Christen die Insekten, um Gehirngewebe zu entnehmen. Anschliessend analysiert die Forscherin die Aktivität von 15 Schlüsselgenen, die das Immunsystem und andere Funktionen im Organismus der Tiere steuern, wie die FHNW schreibt.
Ihre bisherigen Untersuchen zeigten, dass Neonikotinoide die Aktivität dieser Gene auf bestimmte Weise verändern. "Damit haben wir einen Anhaltspunkt, um eine chemische Belastung der Bienen aus deren genetischem Material herauszulesen", so die Wissenschaftlerin.
Anstelle von chemischen Analysen, um die Belastung der Tiere festzustellen, wäre künftig ein solcher Test ausreichend, der schneller und wohl auch sensitiver sein könnte, erklärte Fent im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
"Wir wollen die Forschung zur Wirkung von Insektiziden auf Bienen auf ein anderes Level bringen. Es soll nicht nur um die Frage gehen, sterben die Bienen oder nicht", so Fent. "Wir wollen verstehen, was diese Insektizide auf Molekülebene bewirken und wie sie sich auf die Lebensfunktionen der Bienen auswirken."
Fatale Schwächung des Immunsystems
Dass die Neonikotinoide die Aktivität der Immunsystem-Gene verändert, ist eine wichtige Erkenntnis. Wie fatal eine Beeinträchtigung des Immunsystems der Bienen sein kann, zeigt ein Parasit: Die Varroamilbe gilt als wichtige Ursache des Bienensterbens und greift ebenfalls das Immunsystem der Bienen an. Dadurch werden sie anfälliger für bestimmte Viren.
Hunderttausende Bienen sterben in der Schweiz jährlich an den Folgen des Befalls mit der Varroamilbe. Die Neonikotinoide könnten die Bienen allenfalls sogar noch anfälliger für die Milben machen, befürchten die Wissenschaftler.
Zwar sollen die bienenschädlichsten Neonikotinoide - Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid - in der Schweiz ab Ende 2018 für den Freilandeinsatz komplett verboten werden. Ein Früherkennungstest wäre aber weiterhin sinnvoll für Länder, in denen die Insektizide weiterhin eingesetzt werden. Ausserdem liesse sich das Prinzip des Tests laut Fent auch auf andere Insektizide anpassen, um subtile Gesundheitsschäden festzustellen, die der Bienenpopulation zusetzen.
"Wenn Neonikotinoide weniger eingesetzt werden dürfen, könnte die Landwirtschaft wieder vermehrt zu Insektiziden aus der Gruppe der Organophosphate greifen", erklärte Fent. Auch dabei handle es sich um Gifte, welche das Nervensystem angreifen. Mit einer Auswahl der richtigen Gene als Biomarker, könnte die Diagnostikmethode auch Schäden durch diese Pflanzenschutzmittel anzeigen, bevor es zu spät ist.
Der Test sei im Grunde etabliert, so der Forscher. Aber bis zum breiten Einsatz könnte es noch dauern: Einige Fragen seien noch offen, sagte Fent. In einem nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler der HLS FHNW herausfinden, welche physiologischen Konsequenzen die beobachteten Veränderungen der Genaktivität haben und wie dynamisch diese sind.
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