Job und Familie Bittere Wahrheit – nur wenige Start-ups werden von Frauen gegründet

Von Julia Käser

10.1.2020

Nicht nur in grossen Firmen, sondern auch in Start-ups sind Frauen selten an der Spitze. 
Nicht nur in grossen Firmen, sondern auch in Start-ups sind Frauen selten an der Spitze. 
Bild:  Keystone

Gut drei Viertel aller im letzten Jahr gegründeten Schweizer Start-ups haben männliche Schöpfer. Eine Expertin erklärt, woran das liegt und was Frauen tun können, um sich vermehrt durchzusetzen.

Von den 50 grössten Schweizer Unternehmen hat nach wie vor bloss eines eine weibliche Chefin, der Rest wird von Männern geführt.

Doch nicht nur bei den grossen Firmen sind die CEO-Sessel und Chefetagen vor allem männlich besetzt. So wurden 76 Prozent aller 2019 aus dem Boden gesprossenen Start-ups von Männern gegründet, wie «Watson» berichtet. Damit hinkt die Schweiz im internationalen Vergleich hinterher.

Laut Pascale Vonmont, Direktorin der Gebert Rüf Stiftung und Start-up-Kennerin, fängt diese weibliche Untervertretung bereits bei der Studienwahl an.

«Die Gründungszahlen der Start-ups im Technologiebereich widerspiegeln die Studierendenzahlen in diesem Bereich. Frauen sollten deshalb bewusst Technologie- und Karrierefächer wählen und den Fokus nicht von Anfang an auf Familienvereinbarkeit legen», sagt sie zu «Bluewin».

Mehr strukturelle Unterstützung gefordert

In der Gesellschaft braucht es laut Vonmont deshalb ausgewogene Rollenbilder für Mädchen und Buben – denn die Sozialisation beginnt schon im Elternhaus. So sei es etwa ein No-Go, dass Werbung für Mini-Bügelbretter mit Fotos von Mädchen versehen werden und jene für Drohnen mit Buben.

Weiter solle damit aufgehört werden, Kinder nur mit Frauen zu verbinden. «Sie bekommen zwar die Kinder, die Organisation und Gestaltung der Betreuung ist aber Aufgabe von beiden – Vater und Mutter. Mit der vollen Verantwortung für Haushalt und Kinder ist es nämlich fast unmöglich, nebenbei einen verantwortungsvollen Job auszuüben.» Vomont fordert deshalb mehr strukturelle Unterstützung durch die Gesellschaft.

Auch die letzjährige Nationalratspräsidentin Marina Carobbio (SP) vermisst familienfreundliche Strukturen in der Politik sowie der Berufswelt. Im Sommer sagte sie zu Bluewin: «Ich will erreichen, dass alle Menschen mit Job und Familie Strukturen zur besseren Vereinbarkeit zur Verfügung haben.» Frühmorgendliche oder spätabendliche Sitzungen etwa seien für Frauen mit kleinen Kindern ein Problem.

Laut der Ständerätin braucht es noch immer mehr Bewusstsein dafür, dass auch Frauen mit Kindern wichtigen Aufgaben übernehmen können. «Jacinda Ardern etwa, die Premierministerin von Neuseeland, zeigt ja, dass es möglich ist.»

«Frauen bekommen häufig weniger Investitionen»

Auf die Start-ups bezogen, erklärt Vonmont, diese seien nur insofern «frauenfreundlicher», als dass die Flexibilität selbst ausgewählt werden könne. Das Engagement sei aber dennoch sehr hoch.

Vor allem die Investmentbranche komme den Frauen alles andere als zugute: «Studien zeigen, dass Gründerinnen oft weniger Investitionen bekommen – und das in jeder einzelnen Runde. Zudem werden ihre Firmen tiefer bewertet.» Mittlerweile gibt es vielversprechende Ansätze, die dieser Ungleichheit entgegenwirken sollen.

«Die Schweiz besitzt mit ihrem nach wie vor traditionell geprägten Familienbild international keine Pionierrolle», sagt Vonmont. Die gegenwärtige Lösung sei volkswirtschaftlich absurd: Immer mehr junge Frauen absolvieren ein Studium, ohne dies je in der Berufswelt umzusetzen. Laut der Start-up-Kennerin braucht es heute schon drei Medizinstudierende, um einen praktizierenden Arzt auszubilden. «Das sollte sich eine Gesellschaft schlicht nicht leisten wollen.»

Digitalisierung und Netzwerke als Chance

Schliesslich können aber auch die Frauen selbst einiges tun, um vermehrt in Chefetagen oder Gründungsteams vorzustossen.

«Sie müssen sich häufiger in der Öffentlichkeit zeigen, denn es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen sichtbaren Gründern – mit zehn Prozent Frauenanteil – und Gründungsteams generell, die zu einem Viertel aus Frauen bestehen.»

Weiter sollten Frauen unbedingt in relevanten Netzwerken vertreten sein, da viele Positionen im engen Umfeld vergeben würden.

Auch die Digitalisierung, so Vonmont, böte Frauen eine grosse Chance, die sie jedoch voll ausschöpfen müssten. «Es ist sehr wichtig, in den Online-Netzwerken angemessen vertreten zu sein, und die Profile sollten zwingend den tatsächlichen Fähigkeiten entsprechen.»

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