Reaktionen auf den Bundesrat Für die einen ist es zwingend, für die anderen ist es Zwang

sda/phi

10.12.2021 - 19:36

Berset: 2G ist ein harter, aber sinnvoller Schritt  

Berset: 2G ist ein harter, aber sinnvoller Schritt  

Der Bundesrat zeigt sich an der heutigen Medienkonferenz besorgt über die aktuelle Lage. Nun schickt er zwei verschiedene Massnahmen-Pakete zur Konsultation in die Kantone.

10.12.2021

Den einen können verschärfte Massnahmen nicht früh genug kommen, den anderen gehen die Vorschläge viel zu weit: Wie Parteien und Verbände den neuen Pandemie-Vorstoss des Bundesrats bewerten.

Die Reaktionen auf die bundesrätlichen Vorschläge für verschärfte Corona-Massnahmen haben wie erwartet für ein geteiltes Echo gesorgt. Die Grünen möchten statt einer Vernehmlassung gleich Nägel mit Köpfen machen, die SVP wittert 2G als Vorstufe zum Impfzwang für alle.

Vorbehaltlos hinter die Landesregierung stellt sich kaum eine Partei oder eine Organisation: Kaum eine Chance dürfte vor allem die zweite, strengere Version haben. Die mildere erste Version sieht in Innenbereichen die Einführung der 2G-Regel mit Masken- und Sitzpflicht vor. Die zweite Variante brächte eine Teilschliessung der Wirtschaft, die alle treffen würde.

Die Grünen möchten die Vernehmlassung am liebsten gleich sausen lassen, um Zeit zu gewinnen. Die Massnahmen würden nicht wirksamer, «wenn der Bundesrat sie zum zweiten Mal in die Konsultation schickt, statt sie zu beschliessen», urteilt Grünen-Präsident Balthasar Glättli.

Balthasar Glättli will vor allem schnell handeln.
Balthasar Glättli will vor allem schnell handeln.
Archiv bild: KEYSTONE

SVP warnt vor «Vorstufe zum Impfzwang»

Die SP stellt sich hinter ihren Bundesrat Alain Berset. Der Bund reagiere endlich angemessen auf die Entwicklung der gesundheitlichen Lage. Die Booster-Quote müsse nun rasch erhöht werden. Diese Impfungen müssten bis Weihnachten «rund um die Uhr» angeboten werden.

Auch die Grünliberalen ziehen die mildere erste Variante vor. Dazu gehöre insbesondere 2G+, also Zugang nur noch für Geimpfte und Getestete und mit Maske. Laut Parteipräsident Jürg Grossen drängt die Zeit. Es brauche nun den ganzen Fächer: Luftqualität, Hygiene, Testen, Homeoffice und «natürlich impfen».

Jürg Grossen setzt auf ein Mssnahmen-Paket.
Jürg Grossen setzt auf ein Mssnahmen-Paket.
KEYSTONE

Auf der anderen Seite des Spektrums bezeichnet die SVP die Einführung der 2G-Regel als willkürlich. Sie helfe nicht, sei diskriminierend und diene nur als «Vorstufe zum Impfzwang für alle». Zudem nehme es der Bundesrat es widerspruchslos hin, dass heute weniger Intensiv-Personal und damit Betten zur Verfügung stünden als zu Beginn der Pandemie.

Frage nach «Zusammenhalt» und «Solidarität»

Mitte-Präsident Gerhard Pfister äussert zwar Verständnis für das Vorgehen, doch seine Partei beobachte «mit Sorge», wie sich «diese Massnahmen auf den Zusammenhalt der Schweiz auswirken könnten». Die 2G- oder 2G+-Regel bedeute «weitere Einschränkungen, welche die Solidarität der Bevölkerung auf den Prüfstand stellen».

Gerhard Pfister sorgt ich um den «Zusammenhalt der Schweiz».
Gerhard Pfister sorgt ich um den «Zusammenhalt der Schweiz».
Archivbild: KEYSTONE

Noch ziemlich hinter dem Berg mit ihrer Meinung hält sich die Gesundheitsdirektorenkonferenz GDK: Eine 2G-Pflicht, eine Verschärfung der Homeoffice-Bestimmungen oder auch erneute Schliessungen seien auf Bundesebene zu regeln. Kantonal unterschiedliche Regelungen könnten Ausweichbewegungen auslösen und würden in der Bevölkerung auf wenig Verständnis stossen, teilte die Konferenz mit. 

Viel Kritik gibt es von der Kultur. Politisch sei man nicht weiter als im Oktober 2020. Es brauche eine Strategie statt eines politischen Eiertanzes auf dem Buckel der einzelnen Branchen. Wegen der fehlenden Erfahrungen mit 2G sei noch unklar, ob 2G+ inklusive Test eine Option sei.

Gastronomie kritisch – Wirtschaft will Spielraum

Bei Gastrosuisse setzt man Fragezeichen hinter die Wirksamkeit von 2G. In umliegenden Ländern sei man trotz 2G schliesslich in einen Lockdown gegangen, sagte Präsident Casimir Platzer.

Umstellung: Kontrolle des Zertifikats vor einem Zürcher Weihnachtsmarkt Ende November 2021.
Umstellung: Kontrolle des Zertifikats vor einem Zürcher Weihnachtsmarkt Ende November 2021.
KEYSTONE

Bergbahnen und Läden hätten bereits Massnahmen auf freiwilliger Basis beschlossen. Diese Möglichkeit sollte der Gastronomie auch zustehen, findet er. Er denke da zum Beispiel an gewisse Kapazitätsbeschränkungen in Innenräumen.

Die Arbeitgeber und der Wirtschaftsdachverband werben ebenfalls für die Variante ohne Betriebsschliessungen. Es wäre für die Economiesuisse zielführender, den Unternehmen Spielraum zuzugestehen, damit sie im Rahmen bestehender Schutzkonzepte eine 2G-Regelung einführen können.

Umstrittene Homeoffice-Pflicht

Der Arbeitgeberverband (SAV) betont, dass die geltende Homeoffice-Empfehlung funktioniere. Er ruft seine Mitglieder dazu auf, sofort «noch rigoroser» auf Arbeit zuhause zu setzen: Dann werde die vom Bundesrat geplante Homeoffice-Pflicht zweitrangig.

Auch laut dem Arbeitnehmer-Dachverband Travailsuisse müssen auch teilweise Schliessungen verhindert werden. Eine etwaige Homeoffice-Pflicht solle massvoll und zeitlich klar beschränkt umgesetzt werden. Travailsuisse begrüsst zunächst die vom Bundesrat vorgeschlagene Variante mit 2G-Regel plus Masken- und Sitzpflicht.

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) schliesslich fordert vom Bundesrat die rasche Verlängerung der Lohngarantien bei Kurzarbeit. Bei einer allfälligen Homeoffice-Pflicht dürften die Arbeitgeber ihre Pflichten nicht umgehen: Auf den Kosten für das Homeoffice dürften nicht die Arbeitnehmenden sitzen bleiben.

sda/phi