Angst vor dem UnterrichtFür immer mehr Kinder wird die Schule zur Qual
dmu
8.4.2024
An Schweizer Schulen bleiben immer mehr Kinder dem Unterricht fern. Die Gründe dafür sind vielfältig, aber gemäss Fachleuten ist immer häufiger Angst im Spiel.
dmu
08.04.2024, 16:36
08.04.2024, 16:46
Dominik Müller
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
In der Schweiz bleiben immer mehr Schülerinnen und Schüler der Schule fern.
Immer häufiger ist die Angst vor der Schule der Grund dafür.
Die Ursachen sind vielschichtig: Eine Rolle könnten übervorsichtige Eltern und Nachwirkungen aus der Corona-Pandemie spielen.
Immer mehr Kinder verweigern den Gang in die Schule. Sie tun das nicht aus Faulheit oder fehlender Lust, sondern aus Angst. Das chronische Fernbleiben vom Unterricht ist an Schweizer Schulen schon länger ein Thema und wird immer mehr zum Problem, wie das Elternmagazin «Fritz&Fränzi» in einem Dossier berichtet.
Schulabsentismus heisst der Fachbegriff für «Schwänzen» – sprich: regelmässiges, unentschuldigtes Fehlen. In einer Befragung des Zürcher Schulamts gaben im Dezember 2023 15 Prozent der Mädchen und zwölf Prozent der Jungs an, im Schuljahr 2022/23 ganze Schultage gefehlt zu haben, obwohl sie physisch gesund waren.
Innerhalb der Gruppe der Schulabstinenten gebe es einen signifikanten Anteil an Kindern, die Anzeichen von psychischen Problemen wie Depressionen oder Angststörungen zeigen.
Das deckt sich mit Daten, die das Bundesamt für Statistik Ende 2022 veröffentlichte: Der häufigste Grund für stationäre Spitalaufenthalte bei 10- bis 24-Jährigen waren erstmals psychische Störungen, hauptsächlich Depressionen und Angststörungen.
Übervorsichtige Eltern und Corona als Ursachen
Aktuelle Zahlen zur Situation in der ganzen Schweiz gibt es gemäss dem Magazin nicht. Schulpsychologische Beratungsstellen würden jedoch davon ausgehen, dass bis zu 20 Prozent aller Schulkinder von Schulangst betroffen sind – eine massive Zunahme.
Die Ursachen sind vielschichtig. Gemäss Irene Fontanilles, Leiterin der Klinikschule an der Universitären Psychiatrischen Klinik Basel, spielen unter anderem übervorsichtige Eltern eine Rolle: «Angst ist etwas furchtbar Ansteckendes. Sind die Eltern ängstlich, übertragen sie das aufs Kind», wird sie von «Fritz&Fränzi» zitiert. Man müsse den Kindern wieder vermehrt zutrauen, selbst Steine aus dem Weg räumen zu können.
Die Corona-Pandemie habe zudem das Phänomen Schulangst noch verstärkt. «Während der Corona-Lockdowns ist viel Einüben von Sozialverhalten auf der Strecke geblieben», so Irene Fontanilles. Man müsse schliesslich auch lernen, wie man sich von seinen Eltern trennt oder wie man den Anschluss an eine neue Gruppe findet.
Druck in sozialen Medien
In geschlossenen Kindergärten und Schulen könne dieses Sozialverhalten nicht trainiert werden. Die fehlenden Strategien führen zu einer Überforderung im Schulalltag. Die Zahl der Patientinnen und Patienten mit Schulangst habe in ihrer Klinikschule seit der Corona-Pandemie zugenommen.
Auch Magnus Jung, Schulleiter einer Sekundarschule in Sulgen TG, beobachte eine sinkende Resilienzfähigkeit der Jugendlichen. Eltern würden zu stark auf die Bedürfnisse ihrer Kinder eingehen. Zudem würden Schüler*innen sehr hohe Anforderungen an sich selbst stellen – nicht zuletzt durch die sozialen Medien.
Auf Plattformen wie Tiktok oder Instagram neigen Nutzer*innen dazu, sich ständig mit anderen zu vergleichen, was sich negativ auf das eigene Selbstwertgefühl auswirken und Angst vor Ablehnung oder Versagen hervorrufen kann. Alles Faktoren, die das Auftreten einer psychischen Störung begünstigen.