Neues ErbrechtGemeinnützige Organisationen wittern das grosse Geld
aru
8.2.2023
Weil manche Pflichtanteile entweder geschrumpft oder gar ganz gestrichen wurden, gibt es einen Run auf Testaments-Helfer. Diese sind jedoch nicht ganz uneigennützig.
aru
08.02.2023, 17:14
08.02.2023, 17:51
aru
Auf deinadieu.ch lassen sich Vorlagen für handgeschriebene Testamente herunterladen. In den vergangenen Jahren wurden jeweils zwischen 4000 und 7000 Vorlagen bezogen, für 2023 rechnet die Plattform aber mit über 10'000 Downloads, wie der «Tages-Anzeiger» schreibt.
Der Grund für das Bedürfnis der Schweizer*innen, ihren Nachlass genau zu regeln, liegt im neuen Erbrecht, das seit Anfang Jahr in Kraft ist. Doch was ist dabei genau neu?
Die wohl wichtigste Änderung im neuen Erbrecht betrifft die sogenannten Pflichtteile. Das sind jene Anteile am Nachlass, die den Erben nicht aberkannt werden dürfen. Neu beläuft sich dieser nur noch auf die Hälfte des Erbanteils, während er zuvor noch drei Viertel betrug.
Die Eltern der verstorbenen Person gehen neu sogar ganz leer aus, wenn testamentarisch nichts anderes vereinbart wurde. Blieben Ehepaare oder eingetragene Partnerschaften kinderlos, hatte der hinterbliebene Partner bislang einen Anspruch auf mindestens 12,5 Prozent des Erbes. Das heisst: Neu steht mehr Erbmasse zur freien Verfügung.
Fragen und Antworten
Warum musste das Erbrecht revidiert werden? Das bislang geltende Erbrecht stammt aus dem Jahr 1912 und spiegelt die gesellschaftliche Realität in der Schweiz nicht mehr wider.
Was ist genau neu? Neu ist der Pflichtanteil der Nachkommen reduziert und jener der Eltern ganz gestrichen. Damit wächst der Prozentsatz an frei zur Verfügung stehenden Erbmassen. Liegt kein Testament vor, gelten die gesetzlichen Erbteile wie bisher.
Welche Probleme kann es geben? Probleme bestehen dort, wo bei Testamenten interpretiert werden muss, welcher Pflichtanteil gemeint war. Der alte oder der neue?
Nur wenige setzen heute ein Testament auf – gerade mal bei einem Viertel der Todesfälle liegt ein solches vor, wie der «Tages-Anzeiger» schreibt. Doch dies dürfte sich ändern, wie die eingangs vorgelegten Zahlen zeigen.
Von der grösseren Erbmasse, über die nun frei verfügt werden kann, wollen auch einige profitieren. Besonders gemeinnützige Organisationen wittern dabei ihre Chance. Denn der Dienst «Dein Adieu» wird von mehreren gemeinnützigen Organisationen per Abonnementsbeitrag unterstützt. Darunter befinden sich etwa die Caritas, das Rote Kreuz oder Helvetas.
Jeder Siebte spendet wohltätigen Organisationen
Nicolas Gehrig, Geschäftsführer von «Dein Adieu», rechnet damit, dass gemeinnützige Organisationen vom neuen Erbrecht profitieren werden. So habe bereits jeder Siebte, der die Dienste seiner Plattform in Anspruch genommen hat, neben anderen Begünstigten auch eine gemeinnützige Organisation berücksichtigt. Doch es bestehe noch viel Luft nach oben. Denn: Von den jährlich in der Schweiz vererbten 90 Milliarden Franken würden nur 3 Prozent an solche Organisationen gehen.