Prozess Genfer Politiker nicht wegen Amtsgeheimnisverletzung schuldig

mf, sda

14.12.2021 - 16:40

Freispruch für den Genfer FDP-Politiker Simon Brandt.
Freispruch für den Genfer FDP-Politiker Simon Brandt.
Keystone

Der wegen Amtsgeheimnisverletzung angeklagte Genfer Kommunalrat (Legislative) Simon Brandt (FDP) ist am Dienstag vom Genfer Polizeigericht freigesprochen worden. Das Gericht entschied nach dem Grundsatz «im Zweifel für den Angeklagten».

Keystone-SDA, mf, sda

Gerichtspräsidentin Sabina Mascotto schloss nicht aus, dass Brandt im Dezember 2018 tatsächlich einen vertraulichen Bericht der Finanzkontrolle der Stadt Genf über Spesen der Stadtfunktionäre an die Presse weitergeleitet hatte. Aufgrund der Ermittlungsergebnisse lasse sich dies jedoch nicht mit Sicherheit sagen, hielt die Richterin fest.

Der vertrauliche Bericht war an die fünf Mitglieder des Genfer Stadtrats (Exekutive) sowie rund 40 Kadermitglieder der Stadtverwaltung weitergegeben worden. Es sei nicht auszuschliessen, dass jemand anders die Informationen habe durchsickern lassen, sagt Mascotto.

Vage Aussagen

Die Gerichtspräsidentin wies darauf hin, dass Brandt wenig präzise Aussagen zum Ablauf der Ereignisse gemacht habe. So habe der Politiker angegeben, dass er sich nicht daran erinnern könne, den Bericht an einen Journalisten weitergeleitet zu haben. Nichts in den Akten – keine E-Mail, kein Telefonanruf – deute darauf hin, dass er so gehandelt habe.

Nach Ansicht des Gerichts hätte Brandt jedoch Gründe gehabt, den vertraulichen Bericht weiterzuleiten. Für ihn selbst, weil er für die Stadtexekutive kandidierte, und auch für seinen Vertrauten, Pierre Maudet. Der Bericht hätte die Blicke von den juristischen Schwierigkeiten ablenken können, mit denen der ehemalige Staatsrat damals zu kämpfen hatte.

SMS-Verkehr mit Maudet

Ein SMS-Austausch zwischen Brandt und Maudet, der darauf hindeutete, dass das Weiterleiten des Berichts geplant und organisiert worden war, war im Übrigen ein belastendes Element, das vom Generalstaatsanwalt hervorgehoben worden war. Das Gespräch lasse jedoch keine Rückschlüsse auf eine Schuld zu, stellte das Polizeigericht fest.

In ihrem Urteil sprach die Richterin Brandt, der bei der Urteilsverkündung nicht anwesend war, 200 Franken für immaterielle Schäden und 2000 Franken für die Leibesvisitation zu, die der Abgeordnete von der Polizei über sich ergehen lassen musste. Ausserdem sprach das Gericht dem Politiker rund 12'000 Franken für die Verteidigungskosten zu. Seine Anwälte hatten eine Summe von mehr als einer Million Franken gefordert.

Generalstaatsanwalt Olivier Jornot, der die Verurteilung des ehemaligen Stadtratskandidaten gefordert hatte, gab nach der Verhandlung keine Stellungnahme ab.