Pfusch in einem bekannten Kosmetiksalon in Bern und Zürich – nun hat das Zürcher Obergericht einen angeblichen Arzt verurteilt: Er soll seinen Beruf ohne die nötige Bewilligung ausgeübt haben.
Schwellungen, blaue Flecken, Hämatome: Frauen berichteten nach dem Besuch eines bekannten Kosmetikstudios über Beschwerden und Erscheinungen nach Eingriffen an ihren Lippen, die mit Ästhetik kaum mehr etwas zu tun haben.
2017 sorgten die Vorfälle schweizweit für Schlagzeilen. In den Medien kamen diverse Opfer zu Wort, die ein Studio in Bern oder Zürich besucht hatten. «Die Angestellte machte viel zu viele Einstiche und es hörte gar nicht mehr auf zu bluten», sagte eine 24-jährige Betroffene zu «20 Minuten». Nach dem Eingriff habe sie «völlig entstellt» ausgesehen.
Die Schönheitsklinik, die den Kundinnen und Kunden über Mittag die Lippen aufspritzte, hatte nach einer Hausdurchsuchung durch die Polizei zwischenzeitlich geschlossen. Nach zwei Monaten öffneten die Kosmetiksalons im März 2018 wieder – aber nur für Augenbrauen-Behandlungen.
Arzt, aber keine Berufsausübungsbewilligung
Inzwischen bietet die Schönheitsklinik wieder verschiedenste Behandlungen an – von Nasenrichten über die Behandlung von Krähenfüssen bis hin zum Lippenaufspritzen.
Wegen der Lippen-Pfuschs kam es nie zu einem Gerichtsprozess. Allerdings wurde ein 64-jähriger ungarischer Arzt im September 2019 per Strafbefehl verurteilt, weil er Schönheitsbehandlungen vornahm, ohne über eine dafür erforderliche Berufsausübungsbewilligung zu verfügt.
Der Mann soll 2017 als leitender Arzt fungiert und die medizinischen Gesamtverantwortung des Beauty-Unternehmens innegehabt haben. Zwischen dem 1. September 2017 bis am 10. November 2017 soll er an zehn Patientinnen Botulinumtoxin-Präparaten angewendet sowie bei ungefähr 30 Patientinnen Injektionen mit Hyaluronsäure vorgenommen haben.
Was ist Botulinumtoxin?
Botulinumtoxin ist besser bekannt unter dem Handelsnamen Botox. Dieses verhindert das Zusammenziehen der Muskeln, es resultiert eine Lähmung.
Laut dem Zürcher Kantonsgericht fallen sowohl Botox wie auch die Hyaluronsäure unter das Heilmittelgesetz. Sie seien nicht Kosmetika, wie es der Beschuldigte behauptete.
Botox gelte in der Schweiz als als verschärft verschreibungspflichtig. Es dürfe ausschliesslich auf ärztliche Verschreibung abgegeben werden. Überdies sei in der Fachinformation dieser Präparate ausdrücklich vorgesehen, dass sie nur von Fachärzten angewendet werden sollen.
Auch die Hyaluronsäure darf laut dem Zürcher Obergericht nur von einem Facharzt verabreicht werden, weil sie länger als 30 Tage im Körper des Menschens bleibt.
Der Beschuldigte focht diesen Strafbefehl an und gelangte ans Bezirksgericht Zürich. Im November verurteilte auch dieses den Mann der Übertretung des kantonalen Gesundheitsgesetzes zu einer Busse von 3'000 Franken. Zudem wurden ihm Verfahrenskosten von 1'500 Franken auferlegt.
Dieses Urteil zog der Beschuldigte weiter ans Zürcher Obergericht. Er verlangte einen vollumfänglichen Freispruch, wie aus einem erst kürzlich gefällten schriftlichen Urteil ersichtlich wird, das «Bluewin» vorliegt.
Keine Heilmittel
Der ungarische Arzt verfügt über eine entsprechende Ausbildung, die auch in der Schweiz anerkannt ist. Er machte laut Urteil geltend, dass er während der Zeit, in der er Eingriffe vornahm, nur zur Probe gearbeitet habe, um seine Fähigkeiten zu demonstrieren. Dafür habe er keinen Lohn erhalten. Eine Bewilligung sei aber nur für entgeltliche Tätigkeiten Pflicht.
Der Beschuldigte argumentierte zudem, dass es sich bei seinen Eingriffen weder um eine Heiltätigkeit gehandelt habe, noch dass er dabei Heilmittel in Verkehr gebracht habe. Deshalb falle eine entsprechende Strafbarkeit wegen der Übertretung des Zürcher Gesundheitsgesetzes ausser Betracht.
Nicht gewusst, aber in Kauf genommen
Das Zürcher Obergericht folgte den Ausführungen des Beschuldigten nicht, wie aus seinem schriftlichen Urteil hervorgeht. Der Beschuldigte hätte, auch wenn er Arzt ist, über eine kantonale Berufsausübungsbewilligung verfügen müssen.
Das Zürcher Obergericht verneinte zwar nicht, dass der Arzt nicht um das Erfordernis einer Berufsausübungsbewilligung für die von ihm ausgeführte Tätigkeit gewusst hat. Im Urteil hält die zweite Instanz aber fest, dass er damit habe rechnen müssen und das Handeln trotz fehlender Bewilligung in Kauf genommen hat.
Reine Schutzbehauptungen
Zudem stellte das Gericht fest, dass die Aussagen des Beschuldigten, er habe unentgeltlich gearbeitet, eine reine Schutzbehauptung sei. «Gründe dafür, weshalb der Beschuldigte (…) im Sinne einer Probearbeit noch hätte seine Fähigkeiten unter Beweis stellen sollen, sind sowohl aus Sicht des Beschuldigten als auch aus Sicht der Arbeitgeberin keine ersichtlich», heisst es im Urteil.
Der Beschuldigte sei unbefristet in Vollzeit angestellt worden. Es sei zwar eine Probezeit vereinbart worden, während der dem Arzt hätte gekündigt werden können, hätte der Beschuldigte mit seinen Fähigkeiten nicht überzeugt.
Im Urteil heisst es, dass die vereinbarte Bedingung lediglich beinhaltete, dass dem Arzt eine Bewilligung zur selbständigen Berufsausübung von den Behörden erteilt wird und nicht, dass er mit seinen fachlichen Fähigkeiten überzeugen müsse.
Auch, dass sich der Beschuldigte bereits im Sommer 2017 gegen aussen als leitender und in der Verantwortung stehender Arzt auswies, spreche dagegen, dass er erst noch seine Fähigkeiten hätte demonstrieren müssen, so das Zürcher Obergericht.
Bei Behörden gelogen
Das Aussageverhalten des Arztes untermauert laut dem Zürcher Obergericht, dass der Beschuldigte mit Schutzbehauptungen operierte und mit falschen Aussagen das Ziel verfolgte, die eigene Schuld zu verbergen und einer Strafe zu entgehen.
Bei den ersten Einvernahmen soll der Mann ausdrücklich bejaht haben, dass er niemals eine Behandlung für das Beauty-Unternehmen gemacht habe. Dass er probeweise dort gearbeitet habe, habe er erst auf Vorhalt eines Videos gesagt. Auf diesem habe eine Mitarbeiterin den Beschuldigten als diejenige Person identifiziert, welche eine Lippenunterspritzung vorgenommen hat.
Busse von 3'000 Franken
Das Zürcher Obergericht bestätigte deshalb das Urteil der Vorinstanz. Der Beschuldigte wurde zu einer Busse von 3’000 Franken verurteilt. Sollte der Arzt, der inzwischen von der Sozialhilfe lebt, die Busse nicht bezahlen, muss er für 30 Tage ins Gefängnis.
Zudem muss der Mann, der 75'000 Franken Schulden hat, die Verfahrenskosten der ersten und zweiten Instanz berappen. Diese betragen insgesamt 2'500 Franken. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und kann vor Bundesgericht angefochten werden.