Skeptisch Grossteil der Pflegenden nicht zur Impfung bereit

uri

5.1.2021

Der Corona Impfstoff von Pfizer/Biontech wird am Tag des Impfstarts im Kanton Uri vorbereitet: Nach den besonders gefährdeten Personen sollen das Gesundheitspersonal geimpft werden – doch gerade hier sind viele skeptisch. (Symbolbild)
Der Corona Impfstoff von Pfizer/Biontech wird am Tag des Impfstarts im Kanton Uri vorbereitet: Nach den besonders gefährdeten Personen sollen das Gesundheitspersonal geimpft werden – doch gerade hier sind viele skeptisch. (Symbolbild)
Bild: Keystone

Nur eine Minderheit der Pflegenden will sich bislang gegen Covid-19 impfen lassen: Ausgerechnet das Fachpersonal scheint bislang mehr Risiken als Chancen in den neuen Impfstoffen zu sehen.  

Die Corona-Fallzahlen in der Schweiz bleiben trotz «Lockdown Light» hoch. Inzwischen sind immerhin die kantonalen Impfprogramme angelaufen – allein am Montag erfolgte er in zehn Kantonen.

Priorisiert werden dabei Risikopatienten, dann soll das «Gesundheitspersonal mit Patientenkontakt» folgen. Der Gedanke dahinter: Schwere Verläufe und damit eine besonders grosse Belastung der Spitäler sowie eine Häufung der Todesfälle sollen vermieden werden. Darüber hinaus soll aber auch das Gesundheitspersonal selbst geschützt werden, was zudem die Ansteckungsgefahr in den Einrichtungen reduzieren würde.

Allerdings erhärten Umfragen und Recherchen vor Ort den Eindruck, der bereits durch die jährliche Grippeimpfung bekannt ist: Gerade bei den Pflegenden ist die Bereitschaft, sich impfen zu lassen, gering. Laut einer Ende November 2020 durch die Plattform Medinside veröffentlichten Umfrage unter 700 im Schweizer Gesundheitsbereich arbeitenden Personen wollte sich zu diesem Zeitpunkt nur ein Drittel von ihnen rasch gegen Covid-19 impfen lassen. Mehr als die Hälfte war überhaupt nicht zur Impfung bereit, ein kleiner Teil war noch unsicher.

Anhaltend tiefe Impfbereitschaft

Zahlen vonseiten der Bundesbehörden liegen zum Sachverhalt nicht vor, doch bislang scheint sich an der Impfbereitschaft beim Pflegepersonal nicht viel geändert zu haben. SRF berichtet etwa, dass Anfang Dezember im Alterszentrum Lindenhof in Oftringen AG nur ein Fünftel der rund 250 Beschäftigten bereit waren, sich nach Zulassung eines Impfstoffes auch impfen zu lassen.

Als «20 Minuten» nun in verschiedenen Pflegeeinrichtungen nachfragte, zeigte sich, dass die Zahlen tief bleiben. Im Pflegeheim Magda in Hilterfingen BE bewegte man sich mit 26 Prozent in etwa im Rahmen der vom Kanton Bern geschätzten 30 Prozent Impfwilligen. Im St. Galler Altersheim Rotmonten sind bislang nur rund zehn Prozent der Mitarbeitenden zur Impfung angemeldet. Auf den gleich niedrigen Wert kommt man laut «Tagblatt» das Altersheim Möösli in Gams SG.

Während sich bis zu 90 Prozent der Heimbewohnerinnen und -bewohner gegen das Coronavirus immunisieren lassen wollen, scheint beim jüngeren Pflegepersonal die Skepsis zu überwiegen. Als Grund dafür nennt Medinside, die fehlende Erfahrung mit den neuen RNA-Impfstoffen. Ohne Langzeitstudien wollten sich viele der Pflegenden nicht impfen lassen. Die Rede sei mitunter von einer «politisch erzwungenen Schnellschuss-Impfung» gewesen, und dass man nicht als «Versuchskaninchen» herhalten wolle.

Kurt Ryser, Leiter des Altersheims Rotmonten, sagte zu «20 Minuten», bei den Mitarbeiterinnen würden zudem verschiedene Studien kursieren, «wonach zum Beispiel die Impfung die Fruchtbarkeit beeinträchtigen könnte». Da es sich bei den Mitarbeiterinnen grossteils um junge Frauen handle, könne das der Skepsis Vorschub leisten.

 Vertrauen durch Information

Thomas Steffen, Kantonsarzt von Basel-Stadt und Vorstand der Vereinigung der Kantonsärzte, meint gegenüber «20 Minuten», man müsse prinzipiell unterscheiden zwischen denjenigen Personen, «welche noch offene Fragen haben und einer kleineren Gruppe, welche Impfungen generell ablehne». Seiner Meinung nach werde die Impfbereitschaft weiter ansteigen, sobald zu den Impfstoffen «die häufig nachgefragten Informationen vorliegen und sich auch der Nutzen der Impfung im Alltag klar zeigt».

Verständnis für die kritische Haltung der Pflegenden zeigte Daniel Höchli, Direktor von Curaviva, dem Branchenverband von Institutionen für Menschen mit Unterstützungsbedarf. Es sei noch vieles zu den Impfstoffen unklar, sagte Höchli Anfang Dezember bei SRF, etwa wie er wirke und wie gross die Risiken durch Nebenwirkungen seien. Er appellierte deshalb an den Bund, durch Information Vertrauen zu schaffen. Ein rechtlich möglicher Impfzwang für die Berufsgruppe betrachtet Curaviva als kontraproduktiv. In der Medinside-Umfrage erklärten einige Pflegefachleute, sie würden ihren Beruf bei Einführung eines Impfobligatoriums aufgeben.

Obwohl die Experten des Bundes gerade erst wieder in einer Medienkonferenz betonten, dass der Impfstoff sicher sei, scheint es darauf hinauszulaufen, dass sich der Impfstoff nun rasch in der Schweizer Praxis bewähren muss. Steigen könnte die Impfbereitschaft indes auch durch weitere Erkenntnisse zu schweren Covid-19-Verläufen und Spätfolgen auch bei jungen Menschen. Denn auch von diesen wird bei den hohen Fallzahlen weltweit immer häufiger berichtet.

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