Rüge aus StrassburgSchweiz verletzt Grundrecht von Kind eines schwulen Paares
SDA, gbi
22.11.2022 - 10:29
Die Schweiz hat das Recht eines Kindes auf Familienleben verletzt – so urteilt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Grund: Nicht beide gleichgeschlechtliche Elternteile konnten sich als solche eintragen lassen.
SDA, gbi
22.11.2022, 10:29
22.11.2022, 15:07
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Die Familiensituation eines homosexuellen Paares mit Kind, das in der Schweiz lebt, beschäftigt die Richter*innen in Strassburg.
Gezeugt wurde das Kind 2011 durch eine Eizellenspende und das Sperma von einem der beiden Männer. Ausgetragen wurde das Kind von einer Frau in den USA, die nicht identisch mit der Eizellenspenderin ist. Also einer Leihmutter. Die beiden Männer leben in der Schweiz in einer eingetragenen Partnerschaft.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hält in einem am Dienstag veröffentlichten Urteil fest, dass es keine Konventionsverletzung gegenüber den beiden Männern gegeben hat, weil die Leihmutterschaft in der Schweiz verboten ist und gegen den Ordre Public verstösst. Nur der biologische Vater wurde im Schweizer Personenstandsregister eingetragen.
In Bezug auf das Kind verurteilt der EGMR hingegen, dass es keine Möglichkeit gab, zwei rechtliche Elternteile einzutragen. Zu jenem Zeitpunkt war es gleichgeschlechtlichen Paaren mit eingetragener Partnerschaft nicht möglich, das Kind des Partners zu adoptieren.
Die Achtung des Privatlebens des Kindes hätte erfordert, dass der zweite Vater ebenfalls seine Verbindung hätte eintragen können, schreibt der EGMR. Er betont, dass der Ermessensspielraum diesbezüglich eng sei. Das Interesse des Kindes, zwei Elternteile zu haben, dürfe nicht vom Geschlecht derselben abhängen.
Das Bundesgericht entschied im Mai 2015, dass lediglich der biologisch mit dem Kind verwandte Mann im Schweizer Personenstandsregister als Elternteil eingetragen werden könne. Es übernahm das Urteil des kalifornischen Gerichts nicht, das beide Männer als rechtliche Eltern bestimmte. Die in den USA ausgestellte Geburtsurkunde des Kindes basierte auf dem kalifornischen Urteil und führte beide Männer als Eltern auf.
Grundsätzlich sieht das internationale Privatrecht vor, dass ausländische Zivilstandsentscheide anerkannt werden. Dies kann jedoch abgelehnt werden, wenn sie dem Rechtsverständnis des eigenen Landes völlig zuwiderlaufen oder damit elementare Bestimmungen verletzt werden.
EGMR: Schweiz will Staatsbürger von Leihmutterschaft abhalten
Das Bundesgericht war der Ansicht, dass das in der Bundesverfassung verankerte Verbot der Leihmutterschaft eine grundlegende Rechtsnorm der Schweiz sei und eine Umgehung ein Verstoss gegen den Ordre Public darstellt.
Dagegen hat auch der EGMR nichts einzuwenden. Die Schweiz verfolge mit dem Verbot der Leihmutterschaft das legitime Ziel, die Gesundheit und die Freiheit Dritter zu schützen. Mit der Weigerung eine Verwandtschaft zwischen Kind und Wunschelternteil einzutragen, versuche die Schweiz ihre Staatsbürger davon abzuhalten, sich im Ausland Reproduktionmethoden zu Nutzen zu machen, die in der Heimat verboten sind.
«Es ist falsch, die Leihmutterschaft zu verbieten»
Leihmutterschaft ist ein hoch emotionales Thema und die Meinungen dazu gehen hierzulande auseinander. Hingegen in den USA floriert das Geschäft mit der Fortpflanzungsmedizin. Eine Leihmutter erzählt blue News von ihren Erfahrungen.