Medizin Herzinfarkt: Viele lassen Therapie schleifen

SDA

22.1.2019 - 11:49

Herzinfarkt-Patienten fällt es offenbar besonders schwer, sich an ihr Medikamenten-Regime zu halten, wenn sie mehrere Wirkstoffe parallel einnehmen müssen. (Symbolbild)
Herzinfarkt-Patienten fällt es offenbar besonders schwer, sich an ihr Medikamenten-Regime zu halten, wenn sie mehrere Wirkstoffe parallel einnehmen müssen. (Symbolbild)
Source: KEYSTONE/GAETAN BALLY

Nach einem Herzinfarkt erhalten Patientinnen und Patienten Medikamente, die weiteren Komplikationen vorbeugen sollen. Doch obwohl diese Tabletten Leben retten können, nehmen sie offenbar viele nicht regelmässig genug.

Ein beträchtlicher Anteil an Herzinfarkt-Patientinnen und -Patienten in der Schweiz nimmt offenbar nach dem Spitalaufenthalt die zur Vorbeugung verschrieben Medikamente nicht ein. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Krankenkasse Helsana und des Universitätsspitals Zürich. Besonders schleifen lassen die Patienten demnach die Einnahme von Betablockern: Nur rund jeder Achte (knapp zwölf Prozent) nehmen sie tatsächlich regelmässig ein wie vorgeschrieben.

Aber auch bei anderen Arzneimitteln wie Statinen oder ACE-Hemmern hält sich zwischen einem Viertel und der Hälfte der Patienten nicht an die regelmässige Einnahme, berichten die Forschenden im Fachblatt «Clinical Therapeutics».

Kaum Therapietreue bei Kombinationen

Mit fast 90 Prozent der höchste Anteil therapietreuer Patientinnen und Patienten findet sich gemäss der Studie unter jenen, die Aspirin oder einen anderen Blutgerinnungs-Hemmer wie Ticagrelor, Prasugrel oder Clopidogrel einnehmen sollten. Am schlechtesten schnitt die Gruppe ab, die drei oder mehr verschiedene Tabletten nehmen musste, zum Beispiel Statine, Betablocker und ACE-Hemmer plus Blutgerinnungs-Hemmer. In dieser hielten sich nur rund 4,5 bis sieben Prozent korrekt an das Medikamenten-Regime.



Das Team um Carola Huber von Helsana und Thomas Rosemann vom Universitätsspital Zürich wertete für die Studie anonymisierte Daten der Krankenkasse zu über 4'000 Patientinnen und Patienten aus, die zwischen 2012 und 2015 nach einem Herzinfarkt aus dem Spital entlassen wurden. Anhand der vergüteten Bezüge der Medikamente konnten die Wissenschaftler ableiten, ob die Patienten immer genug davon im Haus hatten und entsprechend wie therapietreu sie sehr wahrscheinlich waren.

Als «therapietreu» werteten die Wissenschaftler Patienten, die während pro Jahr genug von den Medikamenten bezogen, um während mindestens 80 Prozent der Zeit die tägliche Dosis korrekt einzunehmen. Alle anderen befolgten die Therapie offensichtlich nicht so genau, da sie die Medikamente nicht regelmässig einzunehmen schienen und sie entsprechend seltener bezogen.

Alter und Geschlecht spielen Rolle

«Es hat uns überrascht, dass die Therapietreue tiefer war, als bisher angenommen», sagte Huber im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Die Analyse zeigte, dass sich insbesondere Ältere nicht so strikt an die Medikamenteneinnahme hielten: Unter den über 85-Jährigen war der Anteil der therapietreuen Patienten besonders niedrig, und zwar bei allen Medikamenten-Gruppen.

Auch Geschlechterunterschiede zeigten sich: Ein grösserer Anteil an Frauen hielt sich an die Einnahme von Betablockern als bei den männlichen Patienten, aber Frauen schnitten bei den Statinen schlechter ab als diese.

Die Forschenden betonen jedoch, dass es sich bei ihren Daten um einen indirekten Rückschluss auf die Medikamenten-Einnahme handelt, und dass die analysierten Daten limitiert sind. So enthalten sie beispielsweise keine Angaben zu Nebenwirkungen, welche die Patienten davon abgehalten haben könnten, bestimmte Medikamente zu nehmen oder sich an die regelmässige Einnahme zu halten.

Verbesserte Nachsorge ist nötig

«Aus unseren Daten können wir zwar nicht die genauen Gründe für die niedrige Therapietreue ableiten, wir vermuten aber mehrere Ursachen», sagte Huber auf Anfrage der Keystone-SDA. Neben möglichen Nebenwirkungen könnten auch mangelhafte Kommunikation zwischen Patient, Hausärztin und Kardiologe sowie fehlende Aufklärung eine Rolle spielen. Oder das Problem, dass Patienten mit zusätzlichen Erkrankungen zu viele Medikamente einnehmen müssten, was der Gesundheit abträglich wäre. Womöglich entscheide die Hausärztin oder der Hausarzt in solchen Fällen, Prioritäten zu setzen.

Die Forschenden plädieren daher für bessere Kommunikation zwischen den verschiedenen Akteuren und für bessere Nachsorge nach dem Spitalaufenthalt. «Auch Massnahmen wie Erinnerungs-Nachrichten aufs Handy oder Anrufe könnten helfen, um die Therapietreue zu verbessern», so Huber.

Denn dass die regelmässige Einnahme der Präventionsmedikamente etwas bringt, bestätigte die Analyse ebenfalls: Die Herzinfarkt-Patientinnen und        überhaupt Patienten, die sich an die Therapie hielten, hatten demnach ein reduziertes Risiko für weitere schwerwiegende Herzprobleme und eine geringere Sterblichkeit allgemein im Vergleich zu den «nicht-therapietreuen».

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