Angst zum Anfassen Hinter diesen furchterregenden Masken steckt mehr, als du denkst

Dominik Müller

31.10.2025

Sie tragen Hörner, Felle und furchteinflössende Masken – und doch geht es ihnen nicht um Angst, sondern um Aufklärung: Die Hohlgass-Pass Sargans verbindet Brauchtum mit gesellschaftlicher Reflexion.

Dominik Müller

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die Hohlgass-Pass Sargans pflegt mit schaurigen Masken und Kostümen den Krampus- und Perchtenbrauch.
  • Obmann Karl Gmür betont den reflektierten Umgang mit dem «Grusigen» und lehnt Gewalt sowie übermässigen Alkoholkonsum strikt ab.
  • Trotz anfänglicher Kritik ist die Gruppe heute anerkannt und nutzt ihre Auftritte etwa an Halloween, um Themen wie Angst, Tod und gesellschaftliche Tabus sichtbar zu machen.

Das Böse hat viele Gesichter – in Sargans trägt es Hörner, Felle und Holzmasken. Zumindest ab dem 11. November: Mit dem Beginn der Fasnachtssaison startet auch für die Hohlgass-Pass Sargans die intensivste Zeit des Jahres.

«Opus Diaboli», heisst der Verein. Das bedeutet so viel wie: «Das Werk des Teufels». Würde man diese Übersetzung wörtlich nehmen, dann wäre Karl Gmür wohl Luzifer persönlich. Der Sarganser ist Obmann und Mitgründer der Pass, dazu schnitzt er sämtliche Masken und ist zusammen mit seiner Frau Angelika für die Kostüme der über 50 Mitglieder zuständig.

«Ich will die Schönheit im Bösen zeigen», sagt der 62-Jährige. «Grusig schön», nennt er seine Masken, die nicht nur in der Region, sondern auch im benachbarten Ausland bekannt sind. Denn die Hohlgass-Pass Sargans besteht zwar aus Fasnachtsverrückten, hat sich aber zum Ziel gesetzt, den Krampus- und Perchtenbrauch auch hierzulande bekannt zu machen.

Kritik an Krampusläufen

Der Krampus- und Perchtenbrauch stammt aus den Alpenregionen und wird vor allem in Österreich und Süddeutschland gepflegt. Der Krampus ist eine dämonisch wirkende Gestalt mit Hörnern, Fell und Ketten, die den Nikolaus begleitet und unartige Kinder bestraft – als Gegenfigur zum milden Heiligen.

Die Perchten hingegen treten meist um die Raunächte – eine Periode von zwölf Nächten, in der Regel vom 25. Dezember bis zum 6. Januar – auf und sollen mit Lärm, Masken und wilden Tänzen die bösen Geister des Winters vertreiben.

Krampusläufe werden immer wieder kritisiert, weil sie teils aus dem Ruder laufen: In einigen Orten ist es zu übermässigem Alkoholkonsum, Aggressionen oder sogar Übergriffen durch maskierte Teilnehmer gekommen. Im vergangenen Jahr machte etwa der Nikolaus-Brauch Klaasohm auf der deutschen Insel Borkum Schlagzeilen, als eine Reportage das Ausmass an Gewalt gegen Frauen publik machte.

«Gewalt wird bei uns nicht geduldet, das ist unsere wichtigste Regel», sagt Gmür. Jedes neue Mitglied müsse eine Vereinbarung unterzeichnen, in der ebendies versichert wird. Auch Drogen oder übermässiger Alkoholkonsum sind untersagt.

Schwierige Anfangszeit

So ist «Opus Diaboli» auch kein reiner Männer-Verbund, wie das andernorts oftmals der Fall ist. Ganze Familien laufen mit. Jung und Alt sind gleichermassen willkommen. Und: «Opus Diaboli» lässt nicht nur alte Brauchtümer wieder auferleben, sondern versucht auch, an Halloween-Festivals wie «The Big One» in Sargans für Sichtbarkeit zu sorgen.

Allerdings stiessen die schaurigen Gestalten nach dem Gang an die Öffentlichkeit im Jahr 2008 zunächst auch auf negative Reaktionen. «In unserer Region kannte man damals nur die traditionellen Fasnachts-Masken», so Gmür. Die furchterregenden Krampus- und Perchtgestalten passten manchen deshalb so gar nicht ins Bild.

Mittlerweile hat sich dies geändert. Denn Karl Gmür und seine Mitstreiter feiern das «Grusige» nicht um des Schocks willen. Kinder dürfen die Figuren anfassen, dürfen lachen, dürfen staunen – sie sollen lernen, dass Angst kein Monster ist, sondern ein Gefühl, das man begreifen kann.

«Unsterblichkeit gibt es nicht»

Die Hohlgass-Pass bewegt sich damit in einem Spannungsfeld: zwischen Tradition und Gegenwart, zwischen Volkskultur und moderner Inszenierung. Darin liegt die eigentliche Stärke des Brauchs. Das «Grusige» wird zur Reflexion über das, was Menschen verdrängen: Tod, Schuld, Trieb, Aggression.

«Unsterblichkeit gibt es nicht», sagt Karl Gmür. «Dies den Leuten vor Augen zu führen, ist ein Ziel von uns.» Indem die Hohlgass-Pass diese Themen sichtbar macht, schaffe sie Raum für Auseinandersetzung.

Dabei wird auch auf Inszenierung gesetzt. Je nach Anlass sind die Auftritte der Pass mit Feuer und Musik unterlegt – oder die ohnehin schon «gfürchigen» Augen der Figuren zusätzlich mit LED-Lichtern versehen. «Es geht uns um den Effekt, den wir bewirken, nicht um das Böse selbst.»

Halloween als Ausnahme

Heute Freitag macht Karl Gmür übrigens eine Ausnahme von der 11.-November-Regel: Des aus den USA importierten Brauchs Halloween kann auch er sich nicht erwehren. Hohlgass-Pass-Mitglieder werden dem lokalen Halloween-Anlass beiwohnen. «Es ist kein Umzug, deshalb erlauben wir uns das», sagt Gmür.

So werden sich wohl auch heute Abend trotz allen guten Absichten einige Halloween-Besucher vor den bösen Gesichtern zunächst fürchten. Aber vielleicht liegt darin der eigentliche Zauber: Das Böse verliert seine Macht, wenn man ihm ins Gesicht schaut.

Wer den Krampusverein live erleben möchte, kann dies unter anderem am 31. Oktober an der Halloween-Party «The Big One» in Sargans tun.


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