SVP-Grössen bekämpfen sich vor Gericht«Fühlt sich gemobbt», «deutliche Worte» – und plötzlich taucht auch Albert Rösti auf
Dominik Müller
29.4.2025
Sieht sich mit einer Anzeige konfrontiert: alt Nationalrat Adrian Amstutz.
Archivbild: Keystone
Einst galt Madeleine Amstutz als Hoffnungsträgerin der Berner SVP, bis sie über eine Spesenaffäre stolperte. Am Dienstag kämpft sie gegen alt Nationalrat Adrian Amstutz um ihren Ruf. Der Ticker zum Nachlesen.
Im Jahr 2020 eskalierte in der Berner Oberländer Gemeinde Sigriswil ein Spesenstreit.
Madeleine Amstutz, einst SVP-Hoffnungsträgerin, soll unrechtmässig Spesen bezogen haben.
Heute Dienstag trifft sie vor Gericht auf Polit-Schwergewicht und Namensvetter Adrian Amstutz.
Sie wirft dem alt Nationalrat vor, er sei der Drahtzieher einer Kampagne gegen sie. Dieser hat seinerseits mit einer Anzeige wegen übler Nachrede reagiert.
Das war's von der Verhandlung. Das Gericht nimmt nun in den kommenden Tagen die Beweiswürdigung vor. Das Urteil wird am kommenden Montag verkündet.
blue News beendet damit den heutigen Liveticker. Wir bedanken uns für das Interesse und werden weiterhin über die Entwicklungen in diesem Fall berichten.
17.39 Uhr
Das letzte Wort gebührt den beiden Beschuldigten
Madeleine Amstutz: «Ich habe mich nie für ein Fehlverhalten entschuldigt, weil es ein solches nicht gab.»
Adrian Amstutz: «Ich habe mich öffentlich nur auf Vorwürfe bezogen, die der Gemeinderat und die GPK publiziert hatten. Ich stehe zu meinem Gesagten, weil es wahr ist.»
17.22 Uhr
Problematische «Säuberungsaktion»-Formulierung
Nun nimmt der Anwalt auf die Vorwürfe Bezug, die Madeleine Amstutz gegen Adrian Amstutz in ihrem Brief an die Grossratsfraktion der SVP des Kantons Bern erhoben hat. «Die Beschuldigung, mein Mandant habe eine orchestrierte Mobbingkampagne geführt, ist ehrverletzend.» Noch problematischer sei aber der Gebrauch der Formulierung «politische Säuberungsaktion», zumal diese etwa im Kontext des Nationalsozialismus stehe.
Sein Fazit: «Mit diesem Brief ging Madeleine Amstutz definitiv zu weit und hat sich strafbar gemacht.»
Damit ist auch der Verteidiger von Adrian Amstutz mit seinem Plädoyer durch.
17.13 Uhr
«In politischen Debatten dürfen auch klare Worte fallen»
«In politischen Debatten dürfen auch klare Worte fallen», sagt der Verteidiger. Selbst wenn Adrian Amstutz dies nicht gemacht habe, wäre es in einem politischen Nominierungsprozess zulässig, wenn im Raum stehende Vorwürfe wie «Bschiss» oder «Betrug» klar benannt würden.
17.04 Uhr
Für diese Spesenabrechnung brauche es «ziemlich viel Fantasie»
Erneut betont der Anwalt, Adrian Amstutz habe sich bei seinen Äusserungen stets auf den GPK-Bericht bezogen. Das Urteil des Regierungsstatthalteramts habe er erst nach Akteneinsicht aufgrund des Strafverfahrens lesen können.
Und nach GPK-Bericht habe sich Madeleine Amstutz eine Entschädigung etwa für den Besuch einer Beerdigung auszahlen lassen. Dies lasse sich nur «mit ziemlich viel Fantasie» rechtfertigen. Entsprechend seien die Aussagen von Adrian Amstutz zu ihrer Spesen-Handhabung gerechtfertigt gewesen.
Weiter fordert der Verteidiger das Gericht auf, die verweigerten Aussagen von Madeleine Amstutz heute Morgen (siehe Eintrag um 9.37 Uhr) bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen. «Als Privatklägerin ist sie verpflichtet, auszusagen», so die Begründung.
16.43 Uhr
Engagiert, aber nicht rechtswidrig
An der Delegiertenversammlung habe sein Mandant explizit erwähnt, dass alle Menschen Fehler machen und diese korrigierbar sei. Es habe sich um eine «engagierte, politische Debatte» gehandelt, «aber es ist keine strafrechtlich relevante Grenze überschritten worden», so der Verteidiger.
16.36 Uhr
«Keine strafrechtlich relevanten Äusserungen»
Auch im Rahmen der betroffenen Delegiertenversammlung der SVP Wahlkreisverband Thun seien nur die Personen durch die Staatsanwaltschaft befragt worden, die die Privatklägerschaft beantragt hatte. Trotz dieser Umstände hätten mehrere Personen ausgesagt, dass Adrian Amstutz «keine strafrechtlich relevanten Äusserungen» gemacht habe.
Hingegen habe die Staatsanwaltschaft den Antrag des Verteidigers abgelehnt, unter anderen den heutigen Bundesrat Albert Rösti zu befragen. «Das ist schade, schliesslich ist dieser als harter aber fairer Debattierer bekannt.»
16.31 Uhr
Zeugenaussagen würden Adrian Amstutz nicht belasten
Der Verteidiger zitiert mehrere Personen, die im Vorfeld des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft befragt worden sind. Von den sieben Zeuginnen und Zeugen, die auf Antrag der Privatklägerschaft ausgesagt haben, seien drei gar nicht an besagter Parteiversammlung anwesend gewesen. Und die weiteren vier Personen hätten die mutmassliche Ehrverletzung durch Adrian Amstutz nicht glaubwürdig untermauern können.
16.24 Uhr
«Mein Klient hat durchaus deutliche Worte gewählt»
«Mein Klient hat durchaus mit deutlichen Worten auf den ungerechtfertigten Spesenbezug hingewiesen», führt der Anwalt aus. Dabei habe sich sein Mandant immer auf den Bericht der GPK bezogen. Wörter wie «gelogen» oder «beschissen» habe Adrian Amstutz aber nie gebraucht.
16.18 Uhr
Amstutz gegen Amstutz zwecks medialer Aufmerksamkeit?
Nun ist der Verteidiger von Adrian Amstutz an der Reihe. Die Sigriswiler «Spesenaffäre» sei nicht nur von seinem Klienten, sondern von vielen SVP-Politikern immer wieder aufgegriffen worden. Strafanzeige habe sie allerdings nur gegen Adrian Amstutz eingereicht, weil sich die Geschichte aufgrund seines bekannten Namens so am besten medial ausschlachten lässt.
15.59 Uhr
Kurze Prozesspause – Anwalt von Adrian Amstutz folgt
Der Verteidiger hat sein Plädoyer in der Zwischenzeit beendet. Nach einer Prozesspause wird der Anwalt von Adrian Amstutz kontern.
15.57 Uhr
«Die Aussagen von Adrian Amstutz waren ehrverletzend»
Adrian Amstutz habe mit seinen Äusserungen den Eindruck erweckt, dass Madeleine Amstutz eine unehrliche Person sei, die sich auf Kosten der Steuerzahler bereichert habe. «Damit geht die Ehrverletzung über die politische Ebene hinaus», argumentiert der Verteidiger.
15.36 Uhr
Muss ein Politiker solche Kritik aushalten können?
Die im von Madeleine Amstutz im Brief formulierten Vorwürfe würden Adrian Amstutz als Politiker betreffen – und seien in keiner Weise ehrverletzend. «Adrian Amstutz hat seinen Einfluss genutzt, um Stimmung gegen meine Mandantin zu machen», führt der Verteidiger aus. Die heutige Verhandlung habe demonstriert, dass es sich für Adrian Amstutz um eine persönliche Angelegenheit handle.
15.19 Uhr
«Meine Klientin fühlte sich durch Adrian Amstutz gemobbt»
«Gegen meine Klientin ist zwei Jahre lang eine Kampagne geführt worden», sagt der Verteidiger. Nun nimmt er zu den Ehrverletzungs-Vorwürfen von Adrian Amstutz Stellung. «Meine Klientin fühlte sich durch Adrian Amstutz gemobbt.» Die Kampagne und insbesondere der Zeitpunkt der Lancierung habe eine Kandidatur seiner Mandantin für den Nationalrat verhindern wollen.
15.14 Uhr
Amtsgeheimnis-Verletzung sei gar nicht möglich
Zunächst geht der Verteidiger auf den Vorwurf der Amtsgeheimnis-Verletzung ein. Die Staatsanwaltschaft argumentiert, die von Madeleine Amstutz zuhanden des Regierungsstatthalteramts eingereichten Dokumente unterliegen dem Amtsgeheimnis (siehe Eintrag um 8.57 Uhr). Gemäss Anwalt sei dies aber gar nicht möglich, da es sich beim Regierungsstatthalteramt um die nächsthöhere Instanz für eine Gemeinde handelt und der Austausch zwischen diesen Behörden im Alltag absolut üblich sei.
15.01 Uhr
Jetzt spricht der Anwalt von Madeleine Amstutz
Nun stehen die Plädoyers der Verteidiger an. Den Auftakt macht der Anwalt von Madeleine Amstutz. «Das ist eine Geschichte, bei der meine Mandantin bis anhin jedes Verfahren gewonnen, und doch alles verloren hat.» So beliebt Madeleine Amstutz auf lokaler Ebene geblieben sei, so schwerwiegend seien die beruflichen, politischen und finanziellen Schäden, die sie durch die verschiedenen Verfahren erlitten habe.
14.48 Uhr
Kurze Prozesspause
Damit ist die Beweisaufnahme abgeschlossen. Die Verhandlung wird für eine zehnminütige Pause unterbrochen.
14.37 Uhr
Auch Bundesrat Albert Rösti involviert
Der Zeuge bringt einen weiteren prominenten SVP-Namen ins Spiel: Bundesrat Albert Rösti. Als damaliger Nationalrat soll dieser «sehr engagiert» darauf hingewirkt haben, dass die Streitigkeiten zwischen der Partei und Madeleine Amstutz beigelegt werden können – allerdings ohne Erfolg.
14.33 Uhr
«Kann mich an keine strafbaren Aussagen erinnern»
Der nächste SVP-Zeuge hat sich vor dem Richter positioniert. Wie sein Vorgänger hat auch er keine Erinnerung daran, dass Adrian Amstutz an der Vorstandssitzung der SVP Wahlkreisverband Thun strafbare Aussagen gemacht haben soll. Aber auch bei ihm gilt: «Ich kann mich nicht an die einzelnen Voten erinnern.»
14.18 Uhr
Zeuge entlastet Adrian Amstutz: «Für mich ist alles fair und diszipliniert verlaufen»
Die Befragung – genauso wie die Befragungen zuvor – demonstriert die Problematik, wenn eine Verhandlung mehr als vier Jahre nach den relevanten Ereignissen stattfindet: Das Erinnerungsvermögen lässt über die Jahre nach. In diesem Fall, bei dem exakte Zitate eine grosse Rolle spielen, ist dieses Phänomen besonders problematisch.
Auch dieser Zeuge kann sich nicht mehr im Wortlaut an die gemachten Aussagen erinnern. Allerdings glaube er nicht, dass ehrverletzende Formulierungen verwendet worden seien. «Für mich ist alles fair und diszipliniert verlaufen.»
14.10 Uhr
Verhandlung geht weiter – nächste Zeugenbefragung
Weiter geht’s in Thun. Und weiter geht’s mit der nächsten Zeugenbefragung. Auch der vierte Zeuge des Tages stammt aus dem SVP-Umfeld. Wie seine Vorgänger soll er bezeugen, ob Adrian Amstutz ehrverletzende Äusserungen geäussert haben soll oder nicht. «Aus meiner Sicht wurde zwar hart diskutiert, aber es lief alles korrekt ab», sagt er.
11.58 Uhr
Mittagspause
Die Verhandlung ist für eine Mittagspause unterbrochen. Um 14 Uhr geht's weiter.
11.55 Uhr
«Wie kann man so viel Geschütz auffahren»
Der nächste Zeuge wird befragt – auch er ein ehemaliger SVP-Politiker. Selbes Prozedere wie zuvor: Auch er soll zu allfälligen Aussagen von Adrian Amstutz aussagen. Und auch er kann sich nicht mehr an die exakten Zitate erinnern, betont aber: «Ich kann nicht begreifen, wie man so viel Geschütz auffahren kann, um eine Person fertigzumachen.» Die ganze Angelegenheit erschüttere ihn. «Das Schönste wäre, wenn sich Herr und Frau Amstutz hier und heute die Hand reichen und die Sache beenden würden.»
11.35 Uhr
«Da ist ‹tschiluggeret› worden»
Der nächste Zeuge wird befragt – auch er ein ehemaliger Vetreter der örtlichen SVP. Auch bei ihm geht es um Aussagen, die Adrian Amstutz gemacht haben soll. Der Zeuge bestätigt die Zitate inhaltlich, kann sich aber nicht mehr im Wortlaut erinnern. Allerdings sei er sich sicher, dass Adrian Amstutz den Ausdruck «Da ist ‹tschiluggeret› worden» benutzt habe.
11.15 Uhr
Zeuge bestätigt Aussagen von Adrian Amstutz
Die Verhandlung wird fortgeführt. Nun stehen Zeugenbefragungen an. Zunächst betritt der frühere Präsident der Sigriswiler SVP-Lokalpartei den Gerichtssaal. Er erinnert sich an die Parteiversammlung, bei der Adrian Amstutz umstrittene Aussagen gemacht haben soll: «Gewisse Äusserungen kamen sehr grob daher.»
Der Richter liest ihm die mutmasslichen Aussagen (siehe Eintrag um 9.24 Uhr) vor. Der Zeuge bestätigt bei fast allen Zitaten, er habe diese ebenfalls so gehört. Bei einzelnen Aussagen könne er sich nicht mehr erinnern.
10.50 Uhr
Welche Rolle spielte der Brief?
Inwiefern der Brief von Madeleine Amstutz zu einer Empörung in Sigriswil habe führen können, will der Anwalt von Madeleine Amstutz wissen. Adrian Amstutz entgegnet: «Die Empörung war schon vorher da.» Der Brief habe ihm aber gezeigt, dass er nun handle müsse, um sich selbst und seine Familie zu schützen.
Damit ist die Befragung von Adrian Amstutz beendet. Der Prozess wird für eine kurze Pause unterbrochen.
10.45 Uhr
Fehlende Entschuldigung als Zankapfel
Er werfe Madeleine Amstutz auch vor, dass sie «ihr Fehlverhalten nie eingestanden und sich dafür entschuldigt hat». Er selbst habe dies in zahlreichen Fällen machen müssen. «Aber ich bin hingestanden und habe mich dafür entschuldigt.»
10.36 Uhr
«Ich mobbe niemanden»
Es habe nie eine von ihm geführte Kampagne gegen Madeleine Amstutz gegeben. Dies sei eine «bösartige Unterstellung». Auch andere Personen sollen sich öffentlich gegen sie ausgesprochen. Man habe aufgrund seiner Bekanntheit aber einzig ihn in den Fokus genommen.
Dass man ihm Mobbing vorgeworfen habe, habe ihn getroffen. «Ich mobbe niemanden», sagt Adrian Amstutz. Sein Name sei missbraucht worden, um vom Sachverhalt abzulenken.
10.33 Uhr
Brief mit verletzendem Inhalt
Nun wird Adrian Amstutz als Privatkläger befragt. Er wirft Madeleine Amstutz unter anderem vor, sich in einem Brief der üblen Nachrede schuldig gemacht zu haben (siehe Eintrag um 9.10 Uhr).
«Dieser Brief hat mich verletzt», sagt Adrian Amstutz. Seine Familie habe unter der anschliessenden Medienberichterstattung gelitten.
10.28 Uhr
«So etwas habe ich noch nie erlebt»
«So etwas habe ich noch nie erlebt. Und ich habe einiges erlebt», hält Adrian Amstutz fest. Er habe sich bei seinen Äusserungen stets auf den GPK-Bericht berufen. Das seien alle Informationen, die er zum damaligen Zeitpunkt gehabt habe.
10.12 Uhr
«Man trauert auf einem Friedhof nicht im Stundenlohn mit»
«Die Enttäuschung über das Verhalten von Madeleine Amstutz ist riesig – noch heute», sagt Adrian Amstutz. Es brauche keine Juristen, um festzustellen, dass man für die Teilnahme an einer Beerdigung keinen Stundenlohn von 40 Franken bezieht. «Das macht man einfach nicht.» Er stehe zu diesen Äusserungen und sagt: «Wenn das eine Straftat ist, dann bin ich eben ein Straftäter.»
Bei weiteren Zitaten streitet er den Wortlaut in der Anklage ab. So habe er den Begriff «Steuerhinterziehung» nie gebraucht.
10.08 Uhr
Rückzahlung an die Gemeinde nicht im Zentrum
Zum Zeitpunkt, als Amstutz seine Äusserungen gemacht hat, war Madeleine Amstutz vom Regierungsstatthalteramt Thun bereits von der Rückzahlung der Gemeindeforderung befreit worden. «Ich habe von diesem Entscheid im Radio erfahren», sagt Amstutz. Er könne diesen Entscheid akzeptieren, betont aber: «Selbst wenn dieser Fall juristisch entschieden ist, ist er politisch noch nicht ausgestanden.»
Für ihn sei nicht relevant, ob Geld zurückbezahlt wird oder nicht. Für ihn sei entscheidend, ob ein gravierendes Fehlverhalten vorliege oder nicht.
10 Uhr
«Für mich ist dieses Verhalten unverständlich.»
Auf Nachfrage des Richters bestätigt Amstutz: «Ich habe ihr vorgeworfen, dass sie sich nicht an Reglemente hielt, die sie selber unterschrieben hat.» Auch seinen geäusserten Vorwurf, Madeleine Amstutz habe Spesen für Anlasse bezogen, die sie gar nie besucht habe, wiederholt er vor Gericht. «Für mich ist dieses Verhalten unverständlich.»
9.52 Uhr
«Ich habe nie gesagt, dass sie gratis gefressen hat»
Jetzt geht es zunächst um die rufschädigenden Aussagen, die Adrian Amstutz gemacht haben soll (siehe Eintrag um 9.24 Uhr). «Ich kann diese Aussagen grundsätzlich bestätigen. Meine Aussagen basierten auf den veröffentlichten Informationen der GPK und des Gemeinderates.» Er habe ein Fehlverhalten der damaligen Gemeindepräsidentin festgestellt und dieses benannt.
Allerdings betont Amstutz: «Die Begriffe ‹gelogen› und ‹beschissen› habe ich nie gebraucht. Ich habe von einem Fehlverhalten gesprochen.» Auch habe er nie davon gesprochen, dass Madeleine Amstutz am Lauberhornrennen gratis «gefressen» habe. «Selbst wenn ich in Dialekt gesprochen hätte, würde ich dieses Wort nicht verwenden.»
9.42 Uhr
Jetzt wird Adrian Amstutz befragt
Nun nimmt Adrian Amstutz vor dem Richter Platz. Auch er wird sowohl als Beschuldigter als auch als Privatkläger befragt. «Mir geht es so gut, wie es einem eben geht nach jahrelangen Vorwürfen, die unhaltbar sind.» Am meisten belaste ihn, dass seine Familie in Mitleidenschaft gezogen worden sei.
Nach 16 Jahren im Bundesparlament engagiere er sich heute auf politischer Ebene nur noch ehrenamtlich in der Organisation «Pro Schweiz».
9.37 Uhr
Keine Antwort auf Rückfragen
Der Anwalt von Adrian Amstutz will von Madeleine Amstutz nun Details zu ihrer damaligen Spesenpraxis wissen. Sie verweist allerdings bei sämtlichen Fragen auf bereits getätigte Äusserungen.
Damit ist die Befragung von Madeleine Amstutz beendet.
9.24 Uhr
Adrian Amstutz soll ihren Ruf beschädigt haben
Nun wird Madeleine Amstutz als Privatklägerin befragt. Sie wirft Adrian Amstutz Verleumdung vor. So soll dieser etwa anlässlich einer Parteiversammlung der SVP Sektion Sigriswil unter anderem Äusserungen getätigt haben wie «Madeleine Amstutz hat die Gemeinde bestohlen und somit die Gemeindebürger beschissen» oder «Am Lauberhornrennen hat sie Zeit aufgeschrieben, obwohl sie eingeladen ist und gratis fressen und trinken kann».
Auch an einer Vorstandssitzung der SVP Wahlkreisverband Thun soll Adrian Amstutz bekräftigt haben, dass Madeleine Amstutz in über 70 Positionen ungerechtfertigt Steuergelder einkassiert habe. Und an der Delegiertenversammlung der SVP Wahlkreisverband Thun wird Adrian Amstutz in der Anklage so zitiert: «Ich bin seit 28 Jahren in Ämtern und eine solche himmeltraurige Geschichte gab es nie.»
Madeleine Amstutz bestätigt auf Nachfrage des Richters: «Das hat er alles so gesagt.» Und sie ergänzt: «Die Kampagne gegen mich hat mir grossen Schaden eingebracht – sowohl politisch als auch finanziell.»
9.14 Uhr
«Adrian Amstutz hat mich gemobbt» – «Es ist eine politische Mordkampagne»
Sie sei damals aufgefordert worden, gegenüber der Fraktion Stellung zu den Vorwürfen gegen sie zu beziehen und habe deshalb den Brief geschrieben. Sie sagt: «Das, was ich damals geschrieben habe, stimmt alles.»
Adrian Amstutz habe ihre Wahl in den Nationalrat verhindern wollen und deshalb eine Diffamierungskampagne gegen sie geführt. «Eigentlich ist es eine politische Mordkampagne», so Amstutz. Dafür spreche insbesondere der Zeitpunkt, als die Vorwürfe in Sigriswil erstmals aufkamen.
Auf Nachfrage des Richters wiederholt sie: «Adrian Amstutz hat mich gemobbt.»
9.10 Uhr
Brief an Grossratsfraktion
Am 1. Juni 2022 schrieb Madeleine Amstutz einen Brief an die Grossratsfraktion der SVP des Kantons Bern. Darin schrieb sie unter anderem Passagen wie «Der Versuch von Adrian Amstutz und Adlaten, mich aus der SVP Sigriswil auszuschliessen, ist nicht gelungen» oder «Trotz klaren Justizentscheiden, die bisher alle für mich sprechen, werden diese Urteile von Adrian Amstutz und seinen Adlaten ignoriert und die Mobbingkampagne unverändert weitergeführt».
9.04 Uhr
«Ja, mir war bewusst, dass die Protokolle nicht öffentlich sind»
Adrian Amstutz wirft Madeleine Amstutz vor, die Dokumente via Anwalt eingereicht zu haben, obwohl sie gewusst habe, dass die Sitzungen und Protokolle des Gemeinderates nicht öffentlich sind.
«Ja, mir war bewusst, dass die Protokolle nicht öffentlich sind», sagt Madeleine Amstutz. Sie betont aber, dass ein Austausch zwischen Gemeinderat und Regierungsstatthalteramt auch über interne Geschäfte üblich sei.
8.57 Uhr
Reihenweise brisante Dokumente
Konkret geht es um eine ganze Liste an Dokumenten, darunter Protokolle aus Gemeinderatssitzungen oder E-Mails, die Madeleine Amstutz im Beschwerdeverfahren vor dem Regierungsstatthalteramt Thun, das sie in eigenem Namen führte, als Beweismittel einreichte. «Ich hatte die Dokumente auf meinem Laptop», sagt Amstutz. Zudem habe sie via Online-Tool Zugriff auf die Dokumente gehabt.
8.53 Uhr
«Mir geht es den Umständen entsprechend»
Madeleine Amstutz wird aufgrund der besonderen Ausgangslage sowohl als Privatklägerin als auch als Beschuldigte befragt. «Mir geht es den Umständen entsprechend», sagt Amstutz einleitend. Ihr wird vorgeworfen, Geheimnisse offenbart zu haben, die ihr im Rahmen ihres Gemeindepräsidiums anvertraut worden sind.
8.38 Uhr
Prozess beginnt
Gerichtspräsident Matthias Zurbrügg eröffnet den Prozess, begrüsst alle Anwesenden und erklärt das Prozedere. Madeleine und Adrian Amstutz wirken beide ruhig und gefasst. Nicht persönlich anwesend ist die Staatsanwaltschaft.
Zunächst steht die Befragung von Madeleine Amstutz an.
8.29 Uhr
Prozess verzögert sich
Guten Morgen aus Thun. Noch sind die Türen des Gerichtssaals geschlossen. Der geplante Prozessstart um 8.30 Uhr wird sich entsprechend um ein paar Minuten verzögern.
Einst galt Madeleine Amstutz als strahlende Hoffnungsträgerin der Berner SVP. Sie war Gemeindepräsidentin von Sigriswil, Grossrätin, SVP-Fraktionschefin im Grossen Rat. Nun findet sie sich in einer jahrelangen politischen und juristischen Auseinandersetzung wieder. Im Zentrum steht eine Spesenaffäre aus den Jahren 2019/2020.
Die «Spesenritterin von Sigriswil» oder «Zu viel Stutz»-Amstutz titelte etwa der «Blick» im Jahr 2020. Auslöser der Affäre ist ein Bericht der Sigriswiler Geschäftsprüfungskommission (GPK), auf dessen Grundlage der Gemeinderat 3250 Franken zurückforderte.
Madeleine Amstutz soll über Jahre zu viel Spesengeld bezogen und es bei der Abrechnung jeweils nicht so genau genommen haben. Die Rede war etwa von einer Teilnahme an einem VIP-Anlass des Lauberhornrennens, die sie in Rechnung gestellt habe, obwohl sie eingeladen gewesen sei. Auch die Besuche von Beerdigungen auf Gemeindekosten oder von einer Bootsfahrt zulasten der Steuerzahler fanden Einzug in die Medienberichterstattung.
Amstutz bestreitet Vorwürfe
In der Folge verweigerte ihr die SVP die Kandidatur auf allen Ebenen und schloss sie 2022 schliesslich ganz aus der Partei aus.
Amstutz bestritt die Vorwürfe von Beginn weg vehement. Für sie handelt es sich bei den Anschuldigungen um eine gezielte Diffamierungskampagne. Ziel sei es gewesen, sie, die eine steile politische Karriere hingelegt hatte, aus der SVP wegzumobben.
Madeleine Amstutz kämpft vor Gericht um ihren Ruf.
Archivbild: Keystone
Seither kämpft sie um ihren Ruf und leistet juristisch Gegenwehr. Mit Erfolg: Der Regierungsstatthalter von Thun entlastete sie 2020 und hob die Rückforderung auf. Weitere Urteile bescheinigten Amstutz, dass sie zu Unrecht aus der Grossratsfraktion ausgeschlossen wurde. Ehemalige Mitglieder der GPK sind im Oktober 2023 wegen übler Nachrede verurteilt worden.
Auch ihre politische Laufbahn setzte Amstutz fort. Sie formierte eine eigene Liste und ist heute noch immer Gemeinde- und Grossrätin, mittlerweile parteilos. Allerdings: Schaffte sie 2020 den Einzug in den Gemeinderat noch mit dem besten Resultat, erhielt sie 2024 am wenigsten Stimmen der sieben Gewählten.
Amstutz gegen Amstutz – Showdown vor Gericht
Heute wird die Spesenaffäre um ein weiteres Kapitel reicher: Madeleine Amstutz und ihr einstiger politischer Weggefährte und Namensvetter Adrian Amstutz treffen sich vor dem Regionalgericht Oberland in Thun. Die beiden sind nicht verwandt.
Madeleine Amstutz hat gegen alt Nationalrat Adrian Amstutz – ebenfalls ein Sigriswiler – Strafanzeige eingereicht. Dieser hat seinerseits mit einer Anzeige reagiert. Es geht um üble Nachrede, Verleumdung und Verletzung des Amtsgeheimnisses.
Adrian Amstutz war 16 Jahre lang im Bundesparlament und davon fünf Jahre als SVP-Fraktionschef. Madeleine Amstutz vermutet in ihm den Drahtzieher der Diffamierungs-Kampagne. Zudem soll er an SVP-Anlässen das Wort gegen sie ergriffen und sie beschimpft haben.
blue News ist in Thun vor Ort und berichtet ab 8.30 Uhr live aus dem Regionalgericht Oberland.
Transparenzhinweis: In einer früheren Version stand in diesem Artikel, Adrian Amstutz habe auch Anzeige gegen Madeleine Amstutz wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses eingereicht. Dies stimmt nicht. Adrian Amstutz fungiert nur beim Tatbestand «Üble Nachrede» als Privatkläger.