Tarif-Dschungel Wer ein öV-Abo hat, zahlt in der Schweiz mancherorts drauf

aru

5.10.2021

Wer Bus, Bahn oder Tram benutzt, muss genau schauen, welches Ticket er oder sie löst.
Wer Bus, Bahn oder Tram benutzt, muss genau schauen, welches Ticket er oder sie löst.
ri-Architekten

Gewisse Abos werden nicht angerechnet, günstiger fährt auch mal, wer überhaupt keines besitzt. Der Preisüberwacher kritisiert dieses System scharf.

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Im Schweizer öV herrscht ein Tarif-Wirrwarr: So bezahlen Abo-Nutzer*innen eines Streckenverbunds oftmals mehr, wenn sie das Verbundsgebiet verlassen, als wenn sie kein Abo hätten. Wie der «Blick» schreibt, ist dies an mehreren Orten der Schweiz der Fall.

Beispielsweise koste eine Bahnfahrt von Bern nach Interlaken mit einem Halbtax-Abo 14 Franken. Wer aber ein Ticket für die Strecke Bern – Niederried (eine Station nach Interlaken) löst, bezahlt nur 8.60 Franken. Der Grund: Der Passagier benötigt kein Verbundsbillett, sondern kann von einem Sparbillett profitieren.

Vergleichbare Beispiele finden sich auch in anderen Kantonen. Der Preisüberwacher Stefan Meierhans findet dies problematisch. Er vergleicht die Situation mit einem Beispiel einer Wäscherei: «Stellen Sie sich vor, Sie haben in der chemischen Reinigung ein Zehner-Abo für Hemdenreinigen und -bügeln gekauft. Nun kommen Sie mit zwölf Hemden in die Reinigung, und der freundliche Herr hinter der Theke nimmt Ihr Abo entgegen und berechnet Ihnen aber nicht die zwei zusätzlichen, sondern alle zwölf Hemden.»

Auch Easy Ride rechnet Abos nicht automatisch an

Auch der Landesregierung sind die Unstimmigkeiten in der öV-Landschaft bekannt. Der Bundesrat fordert ein einfaches, faires, nachvollziehbares und sowohl für die öV-Kundschaft als auch für die Steuerzahlenden kostengünstiges Tarif- und Distributionssystem. Diese Forderung wurde bislang aber nicht umgesetzt.

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Auch die neue SBB-Funktion «Easy Ride» funktioniere nicht, so Meierhans. Bei dieser kann sich die Nutzerin an Haltestellen ein- beziehungsweise auschecken und muss so kein herkömmliches Ticket lösen, sondern bezahlt die zurückgelassene Distanz.

Das Problem: Wer hier eine Zone über den Gültigkeitsbereich seines Abos fahre, dem werde das Abo nicht automatisch angerechnet. Ein Anschlussbillett müsse man aktiv auswählen, so der «Blick».

Die Verantwortlichen sehen das Problem aber nicht. «Mittels Check-in und Check-out via App ist sichergestellt, dass der Kundin oder dem Kunden am Ende des Tages automatisch der günstige Fahrausweis für die gefahrene Strecke verrechnet wird – unter Berücksichtigung vorhandener Abonnemente», sagte Swisspass-Sprecher Reto Hügli zum «Blick».