Ausgelagerte Polizeiarbeit Security-Firmen ritzen am staatlichen Gewaltmonopol

smi

22.1.2023

Vom Gericht zurück in die Haftanstalt mit der Securitas: Nur eine von vielen Aufgaben, die private Sicherheitsfirmen übernehmen und die am staatlichen Gewaltmonopol ritzen.
Vom Gericht zurück in die Haftanstalt mit der Securitas: Nur eine von vielen Aufgaben, die private Sicherheitsfirmen übernehmen und die am staatlichen Gewaltmonopol ritzen.
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Sicherheitsfirmen sorgen für Ruhe und Ordnung im öffentlichen Raum und bewachen Strafgefangene. Mehrere Expert*innen für Polizei- und Justizwesen kritisieren dies.

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Littering, Lärm oder liegengelassener Hundekot: Die Polizei ist nicht nur bei schweren Verstössen gegen Gesetze gefordert, sondern oft auch bei Bagatellen. Doch solche Einsätze sorgen ebenfalls dafür, dass sich Menschen sicher fühlen und jeder, der gegen die Regeln verstösst, damit rechnen muss, zur Verantwortung gezogen zu werden. Anders gesagt: Auch diese Art der Polizeiarbeit ist wichtig.

Seit Jahren monieren verschiedene Stellen, der Schweiz fehlten mehrere tausend Polizeibeamte. Wenn in Polizeikorps das Personal knapp wird, lagern Kantone und Gemeinden weniger kritische Aufgaben an private Sicherheitsfirmen aus. Und nicht nur diese.

Der «Blick» zählt eine Reihe von Orten auf, die «Securities» in der Öffentlichkeit für Ruhe und Ordnung sorgen lassen: Schaffhausen, Arlesheim BL, Brugg AG, Landquart GR, Oetwil am See ZH oder Thun BE. Die Liste liesse sich problemlos verlängern.

Der Staat besitzt das Gewaltmonopol

Johanna Bundi Ryser, Präsidentin des Verbands Schweizerischer Polizei-Beamter, kritisiert, es sei nicht Aufgabe von Privatfirmen, auf öffentlichem Grund Pflichten der Polizei zu übernehmen. Das Gewaltmonopol sei Sache des Staats und könne auch von Polizeiassistenten übernommen werden, sagt sie dem «Blick».

Jurist Jürg Marcel Tiefenthal hat die Arbeit privater Sicherheitsfirmen untersucht und kommt zum Schluss, diese zeige oft wenig Wirkung und sei «in der Praxis einfach zu unterlaufen.» Ihr Vorteil: Ihre Arbeit kostet weniger als jene der voll ausgebildeten und vereidigten Polizeibeamten.

Security-Angestellte begegnen uns in der Schweiz an vielen Orten. Die Organisation Humanrights.ch hat 2017 ermittelt, dass in der Schweiz mehr private Sicherheitsleute Dienst tun, nämlich über 20'000, als Polizeibeamte,  von denen es damals 18'000 gab. Laut dem Portal Statista ist ihre Zahl auf 19'450 gestiegen.

Es sind laut Tiefenthal aber nicht die Kosten allein, welche Kantone und Gemeinden öffentliche Aufgaben an Privatunternehmen auslagern lassen, sondern auch, dass die Ressourcen der bestehenden Polizeikorps nicht immer ausreichten, um diese vollumfänglich zu übernehmen.

Sicherheitsfirmen mit besonders sensiblen Aufgaben

Dabei kommen Sicherheitsfirmen nicht nur im Ordnungsdienst zum Einsatz, sondern auch im Justizvollzug, konkret in der Betreuung und dem Transport von Inhaftierten. Dies ist laut Blick beispielsweise in den Kantonen Bern, Basel Landschaft und Zürich auf. Gemäss «Zofinger Tagblatt» vergibt auch der Kanton Aargau einen solchen Auftrag.

Im Umgang mit Menschen in Haft ist es möglich, dass es zu brenzligen Situationen kommt. So muss die Firma Securitas dem Kanton Bern gemäss ihrem Auftrag, der dem «Blick» vorliegt, garantieren, dass die Angestellten «mit Personen in psychischen und emotionalen Ausnahmesituationen» umgehen können und diese zu beruhigen wüssten.

Auch im Kanton Basel Landschaft betreuen Securitas-Mitarbeitende Strafgefangene und müssen gemäss Ausschreibung im Eskalationsfall Unterstützung leisten.

Im Kanton Zürich hat Delta Security einen Auftrag Menschen Inhaftierte zu bewachen und sogar bei Einvernahmen dabei zu sein, wie das Online-Magazin Republik schon 2019 berichtete. Dabei wird nach Einschätzung eines im Beitrag zitierten Juristen die Strafprozessordnung verletzt, da die Öffentlichkeit nicht dabei sein dürften. Und zu dieser gehören Angestellte privater Firmen wie Delta Security.

Welche Regeln gelten für private Sicherheitsfirmen?

Neben der mutmasslichen Verletzung des staatlichen Gewaltmonopols weist der «Blick» auf einen weiteren kritischen Umstand hin: die uneinheitlichen Regeln zwischen den Kantonen. SP-Nationalrätin Priska Seiler-Graf regte schweizweite Regeln an, scheiterte mit ihrer Motion aber 2019 am Ständerat. Sie überlege sich, erneut einen solchen Vorstoss zu starten.

Florian Düblin, Generalsekretär der Konferenz der Kantonalen Justiz- undPolizeidirektorinnen und -direktoren, mahnt: «Je tiefer der mit dem Auftrag verbundene Eingriff in die Freiheitsrechte der betroffenen Personen, desto detaillierter müssen die Aufgaben, Kompetenzen und Pflichten der ausführenden Mitarbeitenden geregelt sein.»