Die Macher von morgen «Die Leute werden schon sehen, dass ich es ernst meine»

Von Alex Rudolf

2.1.2022

Jung, klug, zielstrebig ... und schon bald ganz oben in der Politik

Jung, klug, zielstrebig ... und schon bald ganz oben in der Politik

Dominik Waser, Géraldine Danuser und Andri Silberschmidt sind alle Mitte 20 und haben die Chance auf prestigeträchtige Polit-Ämter. Noch bis vor wenigen Jahren kamen dafür nur ältere, erfahrene und meist männliche Politiker in Frage.

05.07.2021

Dominik Waser, Géraldine Danuser und Andri Silberschmidt sind alle Mitte 20 und haben die Chance auf prestigeträchtige Polit-Ämter. Noch bis vor wenigen Jahren kamen dafür nur ältere, erfahrene und meist männliche Politiker infrage. Was hat sich geändert?

Von Alex Rudolf

2.1.2022

Präzise fünf Stunden und drei Minuten dauert das Zeitfenster, in dem Andri Silberschmidt als Nachfolger der FDP-Präsidentin Petra Gössi gehandelt wird. Sie setzt ihren Rücktritts-Tweet am 14. Juni um 11:56 Uhr ab, er gibt seinen Verzicht auf derselben Plattform um 16:59 Uhr bekannt. In diesen fünf Stunden und drei Minuten nennen beinahe alle, die im Bundeshaus danach gefragt werden, wie es nach Gössi weitergehen soll, den Namen Silberschmidt.

Das Beste 2021

Zum Jahresende bringt blue News die Lieblingsstücke des ablaufenden Jahres noch einmal. Dieser Text erschien zum ersten Mal am 6. Juli 2021.

Wollte er, wäre er mit seinen 27 Jahren jüngster Parteipräsident geworden, den die Schweizer Freisinnigen jemals hatten. Der Betriebsökonom sitzt erst seit zwei Jahren im Nationalrat.

Tags darauf folgt die nächste Bombe. Die Stadtzürcher Grünen nominieren den erst 23-jährigen Klimaaktivisten und Landschaftsgärtner Dominik Waser für den Stadtratswahlkampf im kommenden Jahr. Neben den beiden erfahrenen Regierungsmitgliedern Daniel Leupi und Karin Rykart soll Waser einen dritten Sitz für die Grünen erobern. Grosse Erwartungen auf jungen Schultern.

Ruth Metzler wurde mit 36 Bundesrätin

Vor nicht allzu langer Zeit wären beide obengenannten Beispiele wohl undenkbar gewesen. Zwar gelangen in der Schweiz immer wieder Jungspunde in Machtpositionen: Ruth Metzler wurde 1999 nur 36-Jährig zur Bundesrätin der damaligen Christdemokraten gewählt. Dem Grünen Martin Neukom gelang 2019 mit nur 32 Jahren der Sprung in den Zürcher Regierungsrat. Nur Alfred Escher war noch jünger, als er die Wahl schaffte. Dass aber solche Ämter mit Personen Mitte 20 bekleidet werden, ist unüblich.

Warum dachten alle an Silberschmidt für die Leitung der Partei? Dieser erklärt es sich mit seinem vorherigen Engagement: «Als Präsident der Jungfreisinnigen Schweiz sammelte ich bereits viel Führungserfahrung. Daher kam ich wohl für einige Parteikolleg*innen infrage.» Denn die Person, die auf Gössi folgt, müsse die beiden Flügel der FDP einen, was eine grosse Aufgabe sei.

Keine, der sich Silberschmidt annehmen wird. In seinem Verzicht-Tweet hielt er fest, dass er sich vorerst auf seine berufliche Karriere fokussieren wolle. «Zudem kommt diese anspruchsvolle Aufgabe für mich einfach zu früh», schrieb er weiter. Denn die Politik sei ein Handwerk, das man erst erlernen müsse. «Bevor man so ein wichtiges Amt antritt, ist es wichtig, dass man seinen politischen Rucksack bereits gefüllt hat», sagt er.

«Die Leute werden schon sehen, dass ich es ernst meine»

Der politische Rucksack von Dominik Waser ist noch nicht prall gefüllt, aber auch nicht leer. Als Mitglied des Komitees der Pestizid-Initiative trat er im Vorfeld des letzten Abstimmungssonntags in der Arena gegen Bundesrat und Landwirt Guy Parmelin (SVP) an und machte eine gute Figur. So seien die Rückmeldungen aus der Bevölkerung nach der Bekanntgabe seiner Kandidatur mehrheitlich positiv gewesen.

«Vereinzelt kamen dumme Sprüche. Einige fanden, ich sei zu jung, andere fragten, ob wir es mit dieser Kandidatur ernst meinen», sagt Waser auf Nachfrage. Mit solchen Reaktionen habe er aber gerechnet. «Die Leute werden schon sehen, dass ich es ernst meine.»

Natürlich sei es wichtig, über Politerfahrung und ein Netzwerk zu verfügen, um überhaupt zu einer solchen Kandidatur zu kommen. Doch sei eine Wahl in den Stadtrat für alle neu: «Nur die wenigsten wissen, wie es ist, in eine Exekutive einzuziehen. Alle müssen eine gewisse Lernkurve aufweisen», sagt Waser.

Dass die Politik nicht nur jünger, sondern auch weiblicher wird, davon ist Géraldine Danuser überzeugt. Die 26-jährige Bündnerin präsidiert die Kantonalpartei der GLP und kandidierte vor zwei Jahren für einen Sitz im Ständerat, wo aktuell lediglich zwölf von 46 Positionen von Frauen besetzt sind. Wie erklärt es sich die Juristin, dass mehr und mehr Jüngere politisch Verantwortung übernehmen wollen?

Für manche war die Kandidatur ein Angriff

Heute stehe vor dem Wollen nicht mehr nur das Können. Früher hatte politischer Erfolg auch damit zu tun, wie viel Geld einem für Werbung zur Verfügung stehe. «Wir Jungen machen uns vermehrt über die sozialen Medien bemerkbar, auch wenn es nur Nachrichten in einer Whatsapp-Gruppe sind. Das kostet nicht viel, erreicht aber viele Menschen», sagt Danuser.

Dies öffnet den Graben zwischen Jung und Alt wohl einen Spalt, denn viele ältere Wähler*innen sind auf den sozialen Medien nicht sonderlich bewandert. «Bei einer Flyer-Aktion vor den Ständeratswahlen kam ein älterer Mann auf mich zu. Im Gespräch zeigte sich, dass er sich durch meine Kandidatur angegriffen fühlte.

«Aus seiner Sicht hatte ich keine Ahnung vom Leben und meine Kandidatur sei ein Affront», erzählt Danuser. Dass sie neben ihrem Studium schon viel gearbeitet habe, sei sich der Mann nicht bewusst gewesen.

«Noch nie wurde etwas besser, weil man es so macht wie immer. Es braucht Leute, die vortreten und etwas sagen.»

Dabei sei ihr der Entscheid für eine Kandatur nicht leicht gefallen, doch habe sie sich einen Ruck gegeben. «Schliesslich wurde noch nie etwas besser, weil man es so macht wie immer. Es braucht Leute die vortreten und etwas sagen.»

Die meisten Altersgenoss*innen der drei Jungpolitiker befinden sich an einem anderen Punkt. Viele suchen noch ihren Platz in der Gesellschaft, schlagen sich die Nächte um die Ohren oder kümmern sich intensiv um Hobbys wie Sport. «Die Politik ist mein Hobby, wäre sie dies nicht, könnte ich nicht mit dieser Intensität politisieren», sagt Waser. Da er viel Zeit investiere, habe er sich von einigen Freundschaften zurückgezogen. «Als einen Verzicht sehe ich das nicht, weil ich will ja etwas bewirken. Zudem könnte ich das ja auch jederzeit wieder ändern.»

Ähnlich sieht das auch Silberschmidt. So sei seine Freizeit zwar keine freie Zeit, aber seine politischen Aktivitäten würden ihm viel Freude bringen. 

Dass Silberschmidt wegen seines beruflichen Erfolges als Jungunternehmer und Milizpolitiker auf eine Kandidatur verzichtete, ist für Waser nur bedingt nachvollziehbar. «Karrieregeilheit ist mir gar nicht so wichtig. Man sollte sein Leben nicht danach ausrichten, beruflich aufzusteigen.» Er wolle das tun, was er gern mache und für richtig halte. «Auf diese Weise ist man motiviert, Energie in Beruf oder Politik zu stecken.»

Danuser sagt dazu, dass die Politik den beruflichen Werdegang auch vorantreiben kann. «Man hat gezeigt, dass man Verantwortung übernehmen kann und auch Erfahrungen in anderen Bereichen gesammelt hat.»

Die Ziele im Fokus behalten

In der stark politisierten Folgegeneration träumen wohl auch viele von solchen politischen Erfolgen, wie sie Danuser, Silberschmidt und Waser vorweisen können. Welche Ratschläge gibt der junge Politnachwuchs dem noch jüngeren Politnachwuchs? «Es ist wichtig, das Ziel im Fokus zu behalten. Gerade wenn man jung ist, hat man viel Energie, die man richtig einsetzen muss. Auch hilft eine Etappierung der Ziele», sagt Silberschmidt.

Danuser rät, sich nicht abschrecken zu lassen. Einerseits würden viele glauben, sie wüssten zu wenig über Politik, um daran teilzunehmen. «In der Politik lässt sich alles lernen.» Und andererseits dauere es viele zu lange, bis man in der Politik Resultate sehe. «Es ist wahr, dass die Prozesse manchmal länger dauern, als man es sich wünscht. Dabei soll man den Spass an der Sache nicht verlieren.» Waser betont, dass man junge Menschen in der Politik brauche: «Wir müssen Verantwortung übernehmen, denn unsere Generation ist jene, die am meisten von den heutigen Entscheidungen betroffen ist.»