Studie erklärt Abstimmungs-SchlappeJunge Grünen erleiden an Urne wegen Titanic-Effekt Schiffbruch
Dominik Müller
9.2.2025
Die Abstimmungskampagne des Initiativ-Komitees hat nicht die gewünschte Wirkung erzielt.
Keystone
Die Umweltverantwortungsinitiative hatte bereits ab den ersten Umfragen einen schweren Stand. Daraufhin könnte laut einer Studie der sogenannte Titanic-Effekt für das klare Scheitern verantwortlich gewesen sein.
Die Umweltverantwortungsinitiative ist am Sonntag vom Schweizer Stimmvolk deutlich verworfen worden. Die Vorlage der Jungen Grünen verlangte, dass Wirtschaft und Konsum deutlich weniger Ressourcen verbrauchen als heute.
Das Nein kommt nicht überraschend. Sämtliche Umfragen im Vorfeld der Abstimmung prognostizierten eine Ablehnung.
Die Sorge um den Umwelt- und Klimaschutz liegt im UBS-Sorgenbarometer 2024 auf dem zweiten Rang. Nur die Angst vor finanzieller Unsicherheit aufgrund erhöhter Gesundheitskosten ist hierzulande noch grösser. Warum gelang es den Initianten dennoch nicht, mehr Sympathien für ein Thema zu finden, das offensichtlich bewegt?
Der Titanic-Effekt und seine Auswirkungen
Eine Studie von Oliver Strijbis, Professor für Politikwissenschaft an der Franklin University Switzerland, gibt Aufschluss darüber, warum die Initiative trotz eines gesellschaftlich präsenten Umweltthemas so deutlich gescheitert ist. Eine zentrale Erkenntnis: Der sogenannte Titanic-Effekt spielte eine entscheidende Rolle.
Demnach war nicht der klassische Bandwagon-Effekt (Mitläufereffekt) ausschlaggebend, bei dem Menschen einer scheinbar erfolgreichen Sache folgen. Im konkreten Fall handle es sich um einen negativen Bandwagon-Effekt, auch Titanic-Effekt genannt. Dieser beschreibt das Phänomen, dass Wähler dazu neigen, eine Initiative nicht zu unterstützen, wenn sie glauben, dass sie ohnehin scheitern wird.
Im Rahmen eines Experiments wurden den Befragten Informationen über frühere Abstimmungen mit ähnlichen Inhalten präsentiert. Eine Gruppe erhielt den Hinweis auf die Unternehmensverantwortungs-Initiative von 2020, die knapp am Ständemehr gescheitert war, aber eine Mehrheit der Bevölkerung hinter sich hatte.
Eine andere Gruppe wurde auf die «Grüne Wirtschaft»-Initiative von 2016 verwiesen, die mit nur 36 Prozent Zustimmung klar gescheitert war. Das Ergebnis: Die Teilnehmer, die den Bezug zur «Grüne Wirtschaft»-Initiative sahen, tendierten deutlich stärker zu einem Nein.
Erwartete Niederlage beeinflusst Wahlverhalten
Die Studie belegt, dass Wähler, die von einem klaren Scheitern ausgehen, mit höherer Wahrscheinlichkeit gegen eine Initiative stimmen. Der Titanic-Effekt zeigt sich besonders stark bei unentschlossenen Wählern, die sich letztlich dem vermeintlichen Trend anschliessen. Während positive Prognosen keinen signifikanten Effekt auf die Zustimmung haben, führen negative Referenzen klar zu einem Rückgang der Zustimmung.
Eidgenössische Abstimmungen
Auf der Abstimmungsseite von blue News findest du alle wichtigen Informationen zu den Eidgenössischen Abstimmungen: Initiativen und Referenden verständlich erklärt, umfassende Hintergrund-Storys sowie Zusammenfassung und Einordnung der Resultate.
sda
Neben dem Titanic-Effekt spielten beim Schiffbruch der Umweltverantwortungsinitiative wohl weitere Faktoren eine Rolle. Viele Wähler waren sich gemäss Studie nicht sicher, welche konkreten Auswirkungen die Vorlage gehabt hätte. Zudem wurde die Initiative im Vorfeld von Wirtschaftsverbänden und dem Bundesrat als potenziell schädlich für die Schweizer Wirtschaft dargestellt. Die klare Haltung könnte insbesondere unentschlossene Stimmbürger beeinflusst haben.
Schwerer Stand ab ersten Umfragen
Aufgrund des Titanic-Effekts hatte die Umweltverantwortungsinitiative allerdings bereits ab den ersten Umfragen einen schweren Stand. Während Befürworter von einem umweltpolitischen Meilenstein träumten, entschieden sich viele Wähler gegen eine Initiative, die sie als chancenlos wahrnahmen.
Dies zeigt, dass in einer direkten Demokratie nicht nur Inhalte, sondern auch die Erwartungen über den Erfolg einer Vorlage einen erheblichen Einfluss auf das Endergebnis haben können.