Gericht fällt Urteil24-Jähriger schickt «aus Versehen» Dickpic an Polizist
Von Jennifer Furer
5.8.2020
Ein 24-Jähriger musste sich am Mittwoch vor dem Bezirksgericht Bülach verantworten. Er glaubte, pornografische Nachrichten an Sarah (14) zu schicken. Nun darf er sein Leben lang nicht mehr mit Kindern arbeiten.
Gross und stämmig ist der Mann, der sich am Mittwoch vor dem Bezirksgericht Bülach verantworten musste. Der 24-Jährige erschien im grauen T-Shirt, dunklen Jeans und roten Schuhen – jedoch ohne Verteidiger. Ein Fehler?
Für den jungen Mann war klar, dass er sich aus der Sache nicht mehr rauswinden konnte. Im Januar dieses Jahres hat er laut Anklage mit Sarah (14) gechattet. Was er zu diesem Zeitpunkt nicht wusste: Die Nachrichten gelangten in Tat und Wahrheit nicht an das 14-jährige Mädchen – sondern an einen Polizisten.
Gemäss Anklage hat der Beschuldigte in besagten Nachrichten sexuelle Handlungen mit Kindern beschrieben. Er habe sich nach den sexuellen Erfahrungen von Sarah erkundigt, sie gefragt, ob sie gerne Sex habe, ob sie schon einmal ein Glied in den Händen gehalten habe und ob sie gerne an sich herumspiele.
«Ich bereue es»
Der 24-Jährige habe von Sarah auch wissen wollen, ob er sie «lecken dürfe» und ob sie wieder einmal ein Glied anfassen wolle. Zudem hat der Beschuldigte dem Mädchen ein Dickpic geschickt – und sie nach einem Treffen gefragt.
«Es war ein Fehler, es tut mir sehr leid. Ich bereue es», sagte der 24-Jährige vor Gericht immer wieder. Er habe es aus «purem Blödsinn» und aus einer «jugendlichen Leichtsinnigkeit» getan. Er hätte Sarah nie getroffen, beteuerte er der Einzelrichterin.
Er stehe nicht auf Kinder und es sei ihm auch nicht darum gegangen, sexuelle Handlungen an diesen vorzunehmen.
Obwohl sich der 24-Jährige grundsätzlich geständig zeigte, sagte er vor Gericht aus, dass er das Dickpic aus Versehen geschickt habe. «Ich wollte eigentlich ein Bild von meinem Gesicht schicken, damit sie sieht, wie ich aussehe», so die Aussage.
Die beiden Bilder seien direkt nebeneinander gewesen und er habe das falsche gewählt. «Ich konnte es nicht mehr rückgängig machen.» Zudem behauptete der Beschuldigte, dass er nicht gewusst habe, dass Sarah erst 14 Jahre alt ist.
Die Einzelrichterin schenkte diesen Aussagen keinen Glauben. Sie verurteilte den Mann wegen versuchter Pornografie zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu 80 Franken und zu einer Busse von 1'900 Franken. Zudem muss er die Verfahrenskosten von 2'100 Franken berappen. Die Geldstrafe jedoch sprach die Richterin nur bedingt – unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren – aus.
Lebenslanges Tätigkeitsverbot
Vom Beschuldigten wird ein DNA-Profil erstellt. Zudem bekam er vom Gericht ein lebenslanges Tätigkeitsverbot auferlegt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Anders als die Staatsanwaltschaft sah die Einzelrichterin bei den Textnachrichten nicht den Tatbestand Pornografie nach Absatz 4 gegeben, sondern die versuchte Pornografie nach Absatz 4. Entsprechend milder fiel auch die Strafe aus – die Staatsanwaltschaft forderte 180 Tagessätze zu 80 Franken. Was ist der Unterschied?
Ein Versuch sei laut der Richterin gegeben, weil die Textnachrichten ja nicht tatsächlich an eine 14-Jährige geschickt wurden, sondern an einen erwachsenen Polizisten.
Mildere Strafe mit Verteidiger?
Nun die Krux: Im Strafgesetzbuch steht, dass jemand wegen (versuchter) Pornografie nach Absatz 4 verurteilt werden kann, der Gegenstände oder Vorführungen herstellt oder in Verkehr bringt, die tatsächliche sexuelle Handlungen mit Minderjährigen zum Inhalt haben.
Wird jemand nach Absatz 4 verurteilt, kann die Strafe höher ausfallen, als wenn er «nur» nach Absatz 1 verurteilt wird.
Pornografische Schriften, wie sie die Nachrichten gemäss der Einzelrichterin sind, sind unter dem Absatz 1 aber nicht unter Absatz 4 explizit aufgeführt. Die Frage ist also berechtigt, ob es sich bei Textnachrichten mit pornografischen Inhalten um Gegenstände oder Vorführungen handelt.
Die Einzelrichterin gab an, dass sie Textnachrichten als pornografische Schriften sieht – von Gegenständen oder Vorführungen sagte sie nichts. Dennoch verurteilte sie den Beschuldigten nach Absatz 4.
Hätte der Beschuldigte also mit einer milderen Strafe verurteilt werden müssen?
Mehr als ein Versuch?
Aber beim Urteil hätte es auch in eine andere Richtung gehen können. In seinen Nachrichten soll der Beschuldigte sexuelle Handlungen mit Kindern beschreiben. Schon allein dies kann unter den Tatbestand Pornografie fallen – unabhängig vom Adressaten – in diesem Fall dem Polizisten. Waren die Nachrichten also doch mehr als ein Versuch? Und hätte dies die Strafe wiederum erhöht?
Strafzumessungen sind eine komplizierte Sache – und für einen Laien, der vor Gericht steht, ist es schwierig, darüber selbst zu argumentieren. Dieser Fall macht jedoch klar: Eine Verteidigung, die sich im juristischen Wirrwarr auskennt, wäre nicht verkehrt gewesen.