Tragtaschen eingestampft Säckli zensiert: Migros hat Angst vor Katzen und nackten Frauen

tafi

16.6.2020

Wer die Einkäufe von der Zürcher Migros nach Hause bringen will, kann das nicht in Tragtaschen tun, die von der Künstlerinnengruppe Mickry 3 gestaltet wurden: Die wurden zwar produziert, aber gleich wieder vernichtet.
Wer die Einkäufe von der Zürcher Migros nach Hause bringen will, kann das nicht in Tragtaschen tun, die von der Künstlerinnengruppe Mickry 3 gestaltet wurden: Die wurden zwar produziert, aber gleich wieder vernichtet.
Mickry3

Die Zürcher Migros lässt von drei Künstlerinnen witzige Tragtaschen gestalten. Die Motive werden abgenommen, 120'000 Säckli produziert – und gleich wieder eingestampft: Die Bilder gelten plötzlich als «sexistisch».

Mit einem Augenzwinkern gegen den Corona-Blues: Um die Kundschaft aufzuheitern, beauftragte die Zürcher Migros zu Beginn des Lockdowns die renommierte Künstlerinnengruppe Mickry 3 mit der Gestaltung von Tragtaschen. Lustig sollten die Motive sein, hiess es im Auftrag, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet.

Die drei Künstlerinnen machten sich an die Arbeit und präsentierten der Genossenschaft verschiedene Motive mit einer nackten Frau und einer Katze. Es waren verspielte Bilder, die den Corona-Alltag mit Humor reflektierten. Die Katze und ihr Frauchen tranken Kaffee (oder Tee), sie tollten herum, sie assen Pizza. Alles schien gut: Die Migros liess einen Zwei-Wochen-Vorrat der Papiersäckli produzieren und lieferte sie am 25. Mai in die Filialen.

Doch verkauft wurden die Tragtaschen nie, im Gegenteil. Nach einem plötzlichen Sinneswandel wurden sie aus den Läden entfernt und eingestampft. Der Grund: Die Motive von Mickry 3 seien «sexistisch». Das jedenfalls sagte man laut «Tages-Anzeiger» den drei Künstlerinnen am Telefon und stellte sie vor vollendete Tatsachen. Das Honorar sei bezahlt worden, in die Entscheidungsfindung, die Taschen mit ihren Bildern zu vernichten, seien sie nicht einbezogen worden.



Die Frauen sind sauer: «Wenn von Frauen gezeichnete Frauen, welche wohlgemerkt weder aufreizend noch sonst anstössig sind, als sexistisch gelesen werden, weil sie nackt sind und Pizza essen, finden wir das einfach unglaublich. Es zeigt uns, dass wir Frauen immer noch nicht den Platz haben, den wir uns wünschen», zitiert der «Tages-Anzeiger» aus einem Protestschreiben von Mickry 3 an die Kulturprozent-Verantwortliche bei der Migros Zürich.



Abgesehen davon, dass die Vernichtung von 120'000 fertig produzierten Tragtaschen ökologischer Unsinn sei, sehen die Künstlerinnen den Migros-Rückzieher als Fall von Zensur. Er sei ein «klarer Kniefall vor der Empörungsgesellschaft», was schlussendlich dazu führen würde, dass die freie Darstellung des nackten menschlichen Körpers bald nur noch in der Pornografie toleriert würde.

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