Ehe für alle Der Run auf die Zivilstandsämter bleibt aus

SDA/uri

24.6.2022 - 09:51

Gleichgeschlechtliche Paare können sich ab Juli trauen lassen. (Symbolbild)
Gleichgeschlechtliche Paare können sich ab Juli trauen lassen. (Symbolbild)
Bild: Keystone

Gleichgeschlechtliche Paare können ab dem 1. Juli heiraten. Allerdings wollen bislang nur wenige Paare von der Option Gebrauch machen. Mehr Anklang findet die Umwandlung eingetragener Partnerschaften.

24.6.2022 - 09:51

Hunderte von Paaren landauf und landab wollen nach dem Volks-Ja zur Ehe für alle in den nächsten Wochen ihre eingetragene Partnerschaft in eine Ehe umwandeln. Nur relativ wenige gleichgeschlechtliche Paare planen hingegen, nach der Gesetzesänderung in nächster Zeit zu heiraten.

Wie viele gleichgeschlechtliche Paare den neuen rechtlichen Rahmen nutzen werden, lässt sich laut den Bundesbehörden und dem Schweizerischen Verband für Zivilstandswesen nicht abschätzen. Eine Umfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA in verschiedenen Regionen zeigt, dass ein Run von heiratswilligen gleichgeschlechtlichen Paaren auf die Zivilstandsämter, wie er Anfang 2007 nach der Einführung der registrierten Partnerschaft feststellbar war, ausbleiben wird.

Kein grosser Ansturm

Im Jahr 2007 hatten 2004 Paare diese Möglichkeit genutzt. Bereits im Jahr darauf waren es noch 931 gewesen. In den letzten Jahren schwankte die Zahl der jährlich neu eingetragenen Partnerschaften schweizweit in der Regel zwischen 650 und 730. Der bisher tiefste Wert mit 579 eingetragenen Partnerschaften wurde laut Zahlen des Bundesamtes für Statistik im vergangenen Jahr registriert.

Nicht überrascht vom Rückgang zeigt sich Pink-Cross-Geschäftsführer Roman Heggli. Viele gleichgeschlechtliche Paare hätten 2021 keine eingetragene Partnerschaft beantragt, weil sie die Gesetzesänderung abwarten wollten, so der Schweizer Dachverband der schwulen und bisexuellen Männer.

Die Umfrage von Keystone-SDA hat gezeigt, dass einige hundert eingetragene Partnerschaften ab dem 1. Juli in Ehen umgewandelt werden. Neue Ehen eingegangen werden jedoch deutlich weniger.

Pink Cross: Zeichen der Gleichberechtigung

Dass vor allem eingetragene Partnerschaften umgewandelt werden, erklärt Heggli damit, dass viele Schwule und Lesben, denen ein rechtlicher Status wichtig sei, bereits in eingetragenen Partnerschaften leben. Vielen Menschen der LGBT-Gemeinschaft sei die Möglichkeit der Ehe zudem kein persönliches Bedürfnis, sondern vor allem als Zeichen der Gleichberechtigung wichtig. Ein Vorteil der Ehe sei es, dass sich im Gegensatz zur eingetragenen Partnerschaft die Betroffenen nicht bei jedem Vertragsabschluss outen müssten.

Die Lesbenorganisation Schweiz (LOS) sieht die Vorteile der Ehe für alle für gleichgeschlechtliche Paare insbesondere bei der Familienplanung und Einbürgerung. Es sei auch gut möglich, dass der Anstieg von gleichgeschlechtlichen Ehen erst ab 2023 stattfinden werde, denn eine Hochzeitsplanung könne durchaus einige Zeit in Anspruch nehmen.

Laut der LOS ist es auf einigen Ämtern nicht klar gewesen, dass Anmeldungen bereits vor dem 1. Juli möglich waren. Man habe mehrfach Paare beraten müssen, die in einem ersten Schritt bei ihrer Gemeinde aufgelaufen seien, sagt Co-Geschäftsleiterin Alessandra Widmer. Und schliesslich brauche ein solcher Kulturwandel auch seine Zeit. Gleichgeschlechtliche Paare müssten sich «die Option Ehe bis zu einem Punkt nun auch aneignen».

26 gleichgeschlechtliche Paare heiraten am 1. Juli in Zürich

In der Stadt Zürich leben rund 1400 Paare in eingetragenen Partnerschaften. Das Zivilstandsamt der Stadt hat bisher für dieses Jahr über 230 Terminreservationen von gleichgeschlechtlichen Paaren erhalten. In den weitaus meisten Fällen wollen Paare die eingetragene Partnerschaft in eine Ehe umwandeln. Der Anteil an neuen Ehen liegt bei ungefähr zehn Prozent.

Innert kürzester Zeit war der 1. Juli als Hochzeitstermin in der Stadt Zürich ausgebucht: 26 gleichgeschlechtliche Paare werden dann auf dem Zivilstandsamt ihre Ehe besiegeln. Ab August gibt es aber wieder viele freie Termine. Im Kanton Zürich wurden in den 24 Zivilstandsämtern im vergangenen Jahr 178 eingetragene Partnerschaften begründet.

Rund 50 Termine für gleichgeschlechtliche Paare sind für die Monate Juli bis September auf dem Zivilstandsamt Basel-Stadt bereits vergeben worden. Auch hier sind es vor allem Umwandlungen von eingetragenen Partnerschaften. Aktuell liegen lediglich neun Reservationen für Eheschliessungen vor. Alle Terminanfragen konnten berücksichtigt werden. Beim Zivilstandsamt der Stadt St. Gallen heisst es, es gebe keinen grossen Ansturm , aber eine kleine Welle von Anfragen.

Vor allem Umwandlungen gefragt

Bei den sieben bernischen Zivilstandsämtern haben sich bisher 147 Paare gemeldet, die ihre eingetragene Partnerschaft in eine Ehe umwandeln wollen. Mehr als die Hälfte dieser Anfragen stammen aus der Region Bern-Mittelland. Neu eine gleichgeschlechtliche Ehe eingehen wollen 47 Paare im Kantonsgebiet.

Im Verhältnis zur Einwohnerzahl mehr gleichgeschlechtliche Ehen als im Kanton Bern werden nach den bisher vorliegenden Zahlen in den nächsten Monaten im Wallis geschlossen. In den sechs Walliser Zivilstandskreisen Brig, Visp, Siders, Sitten, Martigny und Monthey sind derzeit Termine für 14 Eheschliessungen und 30 Umwandlungen von eingetragenen Partnerschaften in Ehen gebucht.

Ähnliche Zahlen werden in den Kantonen Basel-Landschaft und Thurgau erwartet. Im Baselbiet haben sich 16 Paare für Eheschliessungen und gleich viele für Umwandlungen angemeldet.

Die Nachfrage nach Heiratsterminen von gleichgeschlechtlichen Paaren bewege sich etwa im Rahmen der Vorjahre, heisst es im Thurgau. Im Kanton seien in den letzten Jahren jährlich neun bis 16 Partnerschaften eingetragen worden. Für die Umwandlung in eine Ehe hätten bis jetzt 24 Paare einen Termin vereinbart.

Bei den vier Solothurner Zivilstandsämtern sind 40 Termine vergeben worden. Bei 29 davon sollen eingetragene Partnerschaften in Ehen umgewandelt werden.

Ohne Trauzeremonie

Von einigen, aber nicht extrem vielen Trauungstermine von gleichgeschlechtlichen Paaren ist im Kanton Freiburg die Rede. Relativ viele Anfragen stellten Paare, die ihre eingetragene Partnerschaft in eine Ehe umwandeln wollten. Die meisten von ihnen wollten lediglich eine Umwandlungserklärung auf dem Zivilstandsamt unterzeichnen ohne Trauzeremonie.

Auch in der Waadt ist dieser Wunsch weit verbreitet. Von den 62 Paaren, die ihre Partnerschaft im Juli und August in eine Ehe umwandeln wollen, würden lediglich fünf Paare, die Umwandlung durch eine Feier in einem selbst gewählten kantonalen Trauungssaal offiziell vollziehen.

30 Anmeldungen für Umwandlungen und 20 für neue Ehen sind bisher in den zehn Zivilstandsämter des Kantons Luzern eingegangen. Neun Paare wollen den Bund fürs Leben in der Stadt Luzern eingehen. 2021 waren gleich viele Partnerschaften geschlossen worden. Auch in Aarau kann bisher keine Rede von einem Ansturm sein. Lediglich sechs Anmeldungen für eine Umwandlung und eine Heirat sind eingegangen.

In ländlichen Regionen ist die Nachfrage erwartungsgemäss gering. Im Bündner Zivilstandsamt Plessur mit den Gemeinden Chur, Arosa, Churwalden und Tschiertschen, bei dem 2021 nur zwei eingetragene Partnerschaften geschlossen wurden, sind in den ersten drei Juli-Wochen vier Umwandlungen angemeldet worden.

Beim einzigen Urner Zivilstandsamt haben sich bisher zwei gleichgeschlechtliche Paare für eine Eheschliessung gemeldet und zwei weitere planen die Umwandlung der Partnerschaft in eine Ehe. Noch gar keine Anmeldungen gab es bisher im Zivilstandsamt Appenzell.

SDA/uri