Die frisch gewählte Bundesrätin Karin Keller-Sutter steuerte ohne Umwege auf ihre Wahl zu. Nun hat sie nach der Niederlage von 2010 ihr Ziel erreicht. In der Zwischenzeit hat sich ihr Image von der Hardlinerin zur Kompromissschmiedin gewandelt.
Rückblickend wirkt die Kandidatur von Karin Keller-Sutter wie ein Start-Ziel-Sieg. Nur ganz am Anfang gab es einen Moment des Innehaltens: Es war der Tag, an dem die St. Galler FDP-Ständerätin der Öffentlichkeit mitteilte, ob sie für die Nachfolge von Johann Schneider-Ammann zur Verfügung stehen wird.
Zwei Wochen zuvor hatten ihre ehemaligen Kollegen aus der St Galler Regierung an einer Veranstaltung noch keine Prognose gewagt: Tritt sie an - oder wiegen die Erfahrungen der Niederlage im ersten Versuch 2010 doch zu stark nach? Niemand wusste es sicher.
Startschuss in Wil
Bevor im Wiler Stadtsaal alles begann, sass Karin Keller-Sutter neben St. Galler FDP-Exponenten fast eine Minute reglos in der Mitte eines kleinen Podiums, vor sich aufgereiht zahlreiche Mikrofone. Es war wie die Ruhe vor dem Sturm, zu hören waren nur die klickenden Auslöser der vielen Kameras.
Karin Keller Sutter sagte nichts und wartete ab, bis die Uhr genau die Startzeit der Veranstaltung anzeigte. In diesen langen Sekunden schien alles möglich. Auch dass sie auf die Kandidatur verzichtet. Dann ging es los. Die Wilerin kündigte an, zur Verfügung zu stehen, parlierte ein paar Sätze auf Französisch und wechselte dann wieder zurück ins Deutsche - eine Fähigkeit, die in der Ostschweiz vor allem an der Olma beobachtet wird, wenn welsche Bundesräte die Eröffnungsrede halten.
Entscheid nicht leichtgefallen
Sie sprach davon, dass ihr der Entscheid nicht leicht gefallen sei, schilderte, wie sich alles entwickelt hatte, seit sie Ständerätin geworden ist. "Ich half dabei, Brücken zu bauen und Kompromisse zu finden." Und: Für ihre Kandidatur habe sie Zuspruch über alle Parteigrenzen hinaus erhalten.
In ihren Ausführungen, die sie zuerst in den persönlichen Interviews mit Radio- und Fernsehstationen und danach an den Wahl-Veranstaltungen quer durchs Land x-fach wiederholte, ging es nicht nur um ihre Befähigung für das Amt als Bundesrätin. Sie erklärte auch, dass sie gelernt habe "mit Tiefpunkten und Niederlagen" umzugehen. Sie erwähnte die Tatsache, dass sie keine Kinder hat, sowie die Wahlniederlage vor acht Jahren, als sie für die Nachfolge von Hans-Rudolf Merz angetreten war, aber im zweitletzten Wahlgang ausschied.
Aus der CVP-Hochburg
Nach dem perfekt vorbereiteten Start in der Heimatstadt Wil lief die Kandidatur reibungslos und fast schon ereignislos ab. Karin Keller-Sutter hatte zu Recht darauf vertraut, dass sie auch ausserhalb der FDP Unterstützung finden würde. In ihrer schnörkellosen Politkarriere mit allen klassischen Stationen wurden keine kritischen Punkte gefunden.
Aufgewachsen in der CVP-Hochburg Wil, war sie durch ihr Faible für Aufklärung und Liberalismus und konkreter durch die Diskussionen um die Fristenlösung für die FDP politisiert worden. 1992 wurde sie ins Wiler Gemeindeparlament gewählt. Im Eiltempo ging es danach auf kantonaler Ebene weiter. Nach nur vier Jahren im Kantonsrat kandidierte sie im Jahr 2000 für den Regierungsrat und holte einen zuvor an die SP verlorenen Sitz für die FDP zurück. Danach leitete sie während ihrer gesamten zwölfjährigen Zeit als Regierungsrätin stets das Sicherheits- und Justizdepartement.
Rollenwechsel im Ständerat
Es gelang ihr, sich mit dem Thema Migration und mit harten Massnahmen gegen Fussball-Ultras auf der nationalen Bühne bekannt zu machen. Nach der problemlosen Wahl in den Ständerat 2011 veränderte sich ihre politische Agenda: Nicht mehr Sicherheitsthemen stehen seither im Fokus, sondern das Schmieden von Kompromissen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik.
Spätestens seit dem 9. Oktober im Wiler Stadtsaal war klar, dass Karin Keller-Sutter mehr erreichen will als den bisherigen Höhepunkt ihrer Karriere, das Präsidium im Ständerat. Sie war als Regierungsrätin bekannt für eine repressive Linie, profilierte sich danach als Brückenbauerin im Ständerat, ohne von ihren rechtsfreisinnigen Positionen abzuweichen. Nun steht ein weiterer anspruchsvoller Rollenwechsel an: derjenige zur Bundesrätin.
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