Plötzliche Harmonie Gemeinsam gegen die SVP: Karin Keller-Sutter und die Gewerkschaften

tafi

14.9.2020

Die Bürgerliche und die Gewerkschaften: FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter (links) versteht sich zurzeit bestens mit SGB-Chef Pierre-Yves Maillard (rechts) und mit Adrian Wüthrich, Präsident von Travailsuisse.
Die Bürgerliche und die Gewerkschaften: FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter (links) versteht sich zurzeit bestens mit SGB-Chef Pierre-Yves Maillard (rechts) und mit Adrian Wüthrich, Präsident von Travailsuisse.
KEYSTONE/Peter Schneider

Freisinn und Gewerkschaften, das passt nicht zusammen? Im Moment doch: Bundesrätin Karin Keller-Sutter und SGB-Chef Pierre-Yves Maillard entdecken im Kampf gegen die Begrenzungsinitiative der SVP viele Gemeinsamkeiten.

«Karin Keller-Sutter ist intelligent, zuverlässig, bescheiden und kennt die Probleme der Bürgerinnen und Bürger sehr genau», Pierre-Yves Maillard gerät nach einem gemeinsamen Fernsehauftritt ins Schwärmen, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet. Dass sich ausgerechnet der Gewerkschaftsboss und SP-Nationalrat und die FDP-Bundesrätin so gut verstehen, mag auf den ersten Blick überraschen. Schliesslich sind die Bürgerliche und der Linke politische Gegner. Eigentlich.

Doch im Moment eint sie mehr, als sie trennt: Die Maillard und Keller-Sutter kämpfen gemeinsam gegen die Begrenzungsinitiative der SVP. In der Politsendung «Infrarouge» von RTS harmonierten in der vergangenen Woche bestens, wie die Autoren im «Tages-Anzeiger» analysieren. Beide betonten die soziale Komponente und sekundierten sich, wo immer es möglich war.

Gemeinsame Strategie

«Wir kontrollieren die Unternehmen heute besser. Das ärgert die Leader der SVP», befand etwa Maillard und wurde von Keller-Sutter unterstützt. Man müsse Arbeiter und Löhne schützen, sagte die Freisinnige. «Für mich stellt sich da auch eine soziale Frage. Ich will, dass die Stellen in der Schweiz bleiben.»

Dass FDP und Gewerkschaften so eng wie jetzt zusammenstehen, daran war noch vor zwei Jahren kaum zu denken. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) und der damalige Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann hatten sich bei Gesprächen über die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit gegenseitig «Vertrauensbruch» und «Verrat» vorgeworfen.

Karin Keller-Sutter konnte die Wogen glätten. Sie hat schon im Frühjahr 2019 Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter an einen Tisch gebracht, um eine gemeinsame Strategie im Kampf gegen die Begrenzungsinitiative der SVP zu entwickeln. Furchtbare Zeiten wie nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative im Jahr 2014 wolle sie nicht mal erleben, sagte sie damals.

SVP befürchtet Konsequenzen

In einem gemeinsamen Effort brachte man in 15 Monaten das neu geschaffene Sozialwerk für Ausgesteuerte ab 60 Jahren durch das Parlament. Mit der Lancierung der Überbrückungsrente zeigten Linke und Bürgerliche, dass sie gemeinsam arbeiten und Argumente gegen die Begrenzungsinitiative schaffen können.

Bei der SVP, die sich im Nationalrat als einzige Fraktion geschlossen gegen die Überbrückungsrente ausgesprochen hatte, ist man ob des Engagements der Bundesrätin und ihres Schulterschlusses mit den Gewerkschaften verwundert. «Man bekommt das Gefühl: Hauptsache, es geht gegen die SVP», sagt Nationalrätin Esther Friedli, Co-Leiterin der SVP-Kampagne für die Begrenzungsinitiative, dem «Tages-Anzeiger». Sie befürchtet Konsequenzen für die Zeit nach der Abstimmung, einen «EU-Beitritt durch die Hintertür» gar.

Allianz auf Probe

Denn nach der Abstimmung über die Begrenzungsinitiative stehen die Neuverhandlungen des Rahmenabkommens mit der EU auf der politischen Agenda in Bern. Solange es flankierende Massnahmen gibt, um Arbeitnehmende in der Schweiz vor Ausbeutung zu schützen, unterstützen die Gewerkschaften die Personenfreizügigkeit. Vor allem im Bereich Lohnschutz gibt es aber noch erheblichen Verhandlungsbedarf, um ein mehrheitsfähiges Abkommen zu Papier zu bringen.



Für die Allianz aus Bürgerlichen und Gewerkschaften wird das Rahmenabkommen eine neue Bewährungsprobe. SGB-Chef Pierre-Yves Maillard sieht das ganz staatsmännisch: «Wir sind bei anderen Themen nicht gleicher Meinung, aber sie (Petra Keller-Sutter, d.Red.) weiss, dass niemand alleine regieren kann.»

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