Nur 1,2 Prozent der Bevölkerung «Lage ist desolat» – Kaum ein Schweizer hat ein elektronisches Patientendossier

Petar Marjanović

15.6.2025

Das elektronische Patientendossier ist bei Patienten und Ärztinnen unbeliebt. (Symbolbild)
Das elektronische Patientendossier ist bei Patienten und Ärztinnen unbeliebt. (Symbolbild)
sda

Das elektronische Patientendossier kommt in der Schweiz nicht vom Fleck. Jetzt will der Bund mit einer zentralen Lösung das Steuer übernehmen.

Petar Marjanović

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  • Nur 1,2 Prozent der Bevölkerung in der Schweiz haben ein elektronisches Patientendossier.
  • Das System ist kompliziert, bringt Ärzten wenig Nutzen und wird kaum beworben.
  • Der Bund will nun eine zentrale Plattform einführen, aber das dauert noch Jahre.

Nur 1,2 Prozent der Schweizer Bevölkerung haben bisher ein elektronisches Patientendossier (EPD) eröffnet. Das zentrale Digitalisierungsprojekt im Gesundheitswesen steckt fest.

«Die Lage ist desolat», sagte Alfred Angerer, Professor an der ZHAW, gegenüber der «NZZ am Sonntag». In diesem Tempo werde es über 1000 Jahre dauern, bis das EPD flächendeckend eingeführt sei, rechnet die Zeitung vor.

Wie die «NZZ am Sonntag» berichtet, scheitert das System an einem komplexen und föderalen Aufbau. Statt einer nationalen Lösung gibt es viele unterschiedliche Plattformen, betrieben von sogenannten Stammgemeinschaften. Diese Vielfalt habe zu einem Flickenteppich geführt, der sowohl für Patienten als auch für Ärztinnen und Spitäler kaum Nutzen bringe.

Entsprechend informiere kaum ein Leistungserbringer aktiv über das EPD. «Ärzte oder Spitäler haben keinerlei Anreiz, ihre Kunden über das EPD zu informieren», kritisiert Angerer.

In Österreich haben fast alle eine EPD

Zum Vergleich: In Österreich nutzen laut NZZ am Sonntag 96 Prozent der Bevölkerung eine digitale Krankenakte – unter anderem, weil dort ein sogenanntes Opt-out-Modell gilt.

Wer sich nicht aktiv abmeldet, erhält automatisch Zugang. In der Schweiz dagegen wurde lange gezögert. Der Bund habe sich zu wenig getraut, Verantwortung zu übernehmen, kritisiert Nicolai Lütschg von E-Health Aargau in der Zeitung.

Bund will Gesetz korrigieren

Nun soll ein Kurswechsel kommen. Laut «NZZ am Sonntag» plant der Bund eine Gesetzesrevision und will künftig selbst eine zentrale Plattform beschaffen und betreiben. Doch selbst das wird Jahre dauern. Die Revision kommt frühestens im Herbst ins Parlament. Bis dahin bleibt unklar, was mit den bestehenden Plattformen geschieht.

Auch die Post, bislang ein zentraler Anbieter, hat den bisherigen Technologiepartner Siemens Healthineers verlassen und setzt künftig auf eine Lösung des Anbieters Trifork. Doch Vertrauen hat sie damit nicht gestärkt. «Es gab nur hohe Kosten und noch nicht einmal eine App», sagte Lütschg in der «NZZ am Sonntag». Manche Akteure, wie Cara – ein Zusammenschluss von drei Stammgemeinschaften – haben sich bereits für andere Anbieter entschieden.


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