Bern
Schule und Eltern - dieses Verhältnis ist komplizierter geworden. Eltern setzen vermehrt Druck auf, stellen Forderungen oder schalten Medien ein. Der Lehrerverband hat nun einen neuen Leitfaden verfasst. Er stellt klar: Eltern sind nicht die Arbeitgeber der Lehrer.
Früher hätten Eltern Erziehungsmassnahmen von Lehrpersonen und Entscheide der Schule "mehr oder weniger vorbehaltlos unterstützt", schreibt Beat W. Zemp im Vorwort zum Leitfaden. Der Präsident des Lehrerdachverbands LCH beobachtet, dass die heutige Elternarbeit "deutlich anspruchsvoller und differenzierter" geworden sei. Dazu gehörten auch belastende und lange andauernde Konflikte.
Der neue Leitfaden mit dem Titel "Schule und Eltern: Gestaltung der Zusammenarbeit" ersetzt ein altes Papier von 2004. Der "SonntagsBlick" hat das 52-seitige Dokument vom August in seiner aktuellen Ausgabe thematisiert. Darin werden verschiedene Fallbeispiele beschrieben sowie pädagogische und juristische Überlegungen angestellt. Konkrete Merkpunkte sollen den Lehrern helfen, Konflikte zu lösen.
Hausaufgaben abschaffen
So ist etwa von Eltern die Rede, die intervenieren, weil sie die Hausaufgaben ihrer Tochter für nicht sinnvoll halten. Oder von Mutter und Vater, die die Lehrerin dafür verantwortlich machen, dass der Sohn das Niveau für das Gymnasium nicht erreicht. Andere Eltern haben sich gegen eine Klassenwiederholung oder gegen angeblich fehlende Disziplin in der Klasse gewehrt.
Ebenfalls beschrieben wird der Fall eines Elternrats, der von der Schulleitung forderte, die Hausaufgaben abzuschaffen - diese würden zuhause zu Konflikten führen. Auch Anwälte und Medien werden offenbar immer wieder eingeschaltet - in einem Fall gelangten Eltern an die Medien, weil sie den Lehrer für zu streng hielten und die Schulleitung nichts unternahm. In einem anderen Fall fotografierten die Eltern die Strafaufgaben ihrer Kinder und stellten sie auf Facebook.
Besonders anspruchsvoll sind für Lehrpersonen Eltern, die selbst als Lehrer arbeiten. Der LCH berichtet von einem Primarlehrer, der mit einem Lehrmittel seiner Tochter nicht einverstanden ist und von der Lehrerin fordert, ein anderes zu verwenden.
Der LCH hält dazu fest: "Eltern mit einer pädagogischen oder psychologischen Ausbildung sind in Bezug auf das eigene Kind in erster Linie Eltern." Ihnen stünden die gleichen Rechte und Pflichten zu wie anderen Eltern auch. Den betroffenen Lehrpersonen wird geraten, ein offenes Ohr für Kritik aus Expertensicht zu haben und Bereitschaft zur gemeinsamen Reflexion zu zeigen.
Eltern sind keine Arbeitgeber
Zu den Eltern, die sich wegen des angeblich zu strengen Lehrers an die Medien wandten, schreibt der LCH: "Eltern haben kein Weisungsrecht gegenüber Lehrpersonen. Sie sind als Steuerzahler nicht in der Funktion eines Arbeitgebers und üben somit auch keine personalrechtliche Aufsicht aus." Diese liege ausschliesslich bei der jeweiligen Schulbehörde beziehungsweise bei der Schulleitung.
Lehrkräfte können sich Hilfe holen bei der Schulleitung. Diese kann beispielsweise an schwierigen Elterngesprächen anwesend sein oder Eltern anweisen, Kontakte nur schriftlich über die Schulleitung aufzunehmen und nicht direkt an die Lehrperson zu gelangen. In gravierenden Fällen könne die zuständige Behörde der Gemeinde "Eltern den Zutritt auf ein Schulgelände verweigern", heisst es. Wenn Konflikte eskalieren, rät der Verband allerdings dazu, unabhängige Beratungsstellen einzuschalten.
Sorgen bereiten den Lehrern nicht nur überkritische Väter und Mütter, sondern auch Eltern, die ihren Pflichten nicht nachkommen. Sie können neuerdings gebüsst werden, was laut LCH "erfreulicherweise sehr selten" vorkommt. Klar in der Mehrheit seien Eltern, die sich gegenüber Schule und Lehrpersonen konstruktiv-kritisch verhalten.
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