Haben Luzerner ÖV-Kader Millionen abgezwackt? Verteidiger fordert Freispruch +++ Mysteriöse Briefe von Rösti und Sommaruga aufgetaucht

Dominik Müller aus Luzern

21.1.2025

Die ehemaligen Kaderleute der VBL bestreiten die Vorwürfe
Die ehemaligen Kaderleute der VBL bestreiten die Vorwürfe
sda

Fünf ehemalige Kadermitarbeiter der Verkehrsbetriebe Luzern (VBL) stehen vor Gericht. Die Anklage wirft ihnen vor, durch unerlaubte Zinsen mehrere Millionen Franken erschwindelt zu haben.

Dominik Müller aus Luzern

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Ehemalige VBL-Kadermitarbeiter sollen durch unzulässige Zinsen die Zahlung von unrechtmässigen Subventionen veranlasst haben.
  • 2024 einigten sich die VBL und die Behörden auf eine Rückzahlung von 21,5 Millionen Franken und reformierten ihre Strukturen.
  • Die Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe, dennoch fordert die Staatsanwaltschaft bedingte Freiheitsstrafen von jeweils 18 Monaten.
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  • 22. Januar, 10 Uhr

    Verteidiger fordert im Luzerner Subventionsprozess Freispruch

    Im Prozess um die von den Verkehrsbetrieben Luzern AG (VBL) bezogenen Subventionen haben am zweiten Prozesstag die Verteidiger das Wort. Der Anwalt des früheren Marketing- und Betriebschefs forderte am Mittwoch vor dem Kriminalgericht einen Freispruch.

    Der Verteidiger sagte, der Staatsanwalt habe unter medialem Druck «verzweifelt» versucht, eine Anklage zu zimmern. Diese bestehe aber nur aus «pauschalen Vorwürfen».

    Der Staatsanwalt wirft den fünf Beschuldigten Betrug vor. Sie hätten 2018 und 2019 trotz anderslautender Vereinbarung konzerninterne kalkulatorische Zinsen eingerechnet und so zu hohe Kosten ausgewiesen. Die VBL habe damit für den Linienbusverkehr zu hohe Subventionen erhalten.

    Der Verteidiger sagte, es sei ein «legitimes Vorgehen» gewesen, kalkulatorische Zinsen einzurechnen. Es liege keine Täuschung und damit auch kein Betrug vor. Es sei bekannt gewesen, dass die damalige VBL-Holding der Tochter, welche den Busverkehr abwickelte, solche Zinsen verrechnete.

  • 18 Uhr

    Das war's für heute – morgen folgen die Plädoyers der Verteidigung

    Der Staatsanwalt erläutert detailliert, inwiefern sich die einzelnen Beschuldigten mit ihrem Handeln strafbar gemacht haben. Dazu zählt er für jeden der fünf Angeklagten sämtliche aktenkundigen Indizien auf, die den Vorwurf einer mutmasslich betrügerischen Absicht stützen.

    Mit dem Plädoyer des Staatsanwalts endet der erste von drei Prozesstagen. Morgen sind die Plädoyers der Verteidigung eingeplant. Für heute war’s das vom Ticker. Wir bedanken uns für das Interesse. blue News berichtet auch in den kommenden Tagen über die Entwicklungen im Strafverfahren rund um die VBL-Subventionsaffäre.

  • 17.32 Uhr

    Angeklagte sollen versucht haben, Fehlverhalten zu vertuschen

    Ab dem Moment, als der Postauto-Skandal publik wurde, seien die Beschuldigten laut Staatsanwalt bestrebt gewesen, das eigene Fehlverhalten mittels möglichst unverfänglichen Formulierungen zu vertuschen. Er zitiert zur Untermauerung seiner Aussagen aus mehreren E-Mails der Angeklagten.

    Da zudem das BAV die Zielvereinbarung 2017 mitunterschrieben hat, können sich die Beschuldigten gemäss Staatsanwalt nicht auf das BAV-Gutachten aus dem Jahr 2012 beziehen – zumal jenes mit der umstrittenen Vertragsklausel bei den Transparenzzielen (siehe Eintrag um 9.59 Uhr) nicht kompatibel sei.

  • 16.58 Uhr

    Staatsanwalt bezeichnet Aussagen der VBL-Kader als «Schutzbehauptung»

    Die VBL haben gegenüber dem VVL, der im Kanton Luzern den öffentlichen Regionalverkehr organisiert, in der Zielvereinbarung zugesichert, dass sie keine der umstrittenen kalkulatorischen Zinsen verrechne. Mehrere Beschuldigte erklärten am Prozess, dass die Vereinbarung nur für die ÖV-Tochtergesellschaft gegolten habe und nicht für die Muttergesellschaft. Dies sei eine «Schutzbehauptung», sagt der Staatsanwalt in seinem Plädoyer.

    Es sei logisch zwingend, dass es bei der Vereinbarung um die Eigenkapitalverzinsung der Muttergesellschaft gegangen sei, führt der Staatsanwalt aus. Eine Eigenkapitalverzinsung der Tochter sei nie ein Thema gewesen.

    Die Beschuldigten hätten gegenüber dem VVL die Einrechnung der Zinsen als Kosten für den öffentlichen Regionalverkehr nie offen gelegt, erklärte der Staatsanwaltschaft. Für ihn ist klar: «Die VBL haben so mit künstlich generierten Kosten mehr Subventionen erhalten.»

  • 16.32 Uhr

    «Sie wollten das Subventionsgesetz aushebeln»

    Die Beschuldigten haben gegenüber den Bestellern (sprich: VVL und BAV, Anm. d. Red.) bewusst wahrheitswidrige Aussagen betreffend der Verrechnungspraxis mit kalkulatorischen Zinsen inklusive Eigenkapitalverzinsung gemacht, hält der Staatsanwalt fest. Das Ziel sei gewesen: «Sie wollten das Subventionsgesetz aushebeln.»

    Der VVL habe seit Jahren versucht, darauf hinzuwirken, die «Schlaumeierei» der Beschuldigten zu unterbinden. Das gehe aus den Akten eindeutig hervor.

  • 16.18 Uhr

    Staatsanwalt: «Zielvereinbarung war der Game-Changer»

    Der Staatsanwalt skizziert zu Beginn seines Plädoyers erneut die Anklagepunkte: Den Angeklagten wird mehrfacher Betrug sowie Leistungs- und Abgabebetrug vorgeworfen. Auch er nimmt Bezug auf das mehrfach erwähnte BAV-Gutachten aus dem Jahr 2012. Aufgrund dieses Berichts könne den Angeklagten kein schuldbares Verhalten in den Jahren 2012 bis 2016 vorgeworfen werden. Mit der abgeschlossenen Zielvereinbarung habe sich dies aber geändert: «Das war der Game-Changer», sagt der Staatsanwaltschaft.

    Die VBL-Gruppe soll jahrelang mit internen, von der Muttergesellschaft der ÖV-Tochter verrechneten, kalkulatorischen Zinsen zu hohe Subventionen erhalten haben. Und dies, obwohl alle Beschuldigten gewusst hätten, dass diese Praxis gemäss den Transparenzzielen in der Zielvereinbarung nicht mehr erlaubt sei.

  • 15.37 Uhr

    Nach der Pause folgt Plädoyer des Staatsanwalts

    Zum Abschluss des heutigen Verhandlungstags steht das Plädoyer des Staatsanwalts an. Vorher gibt's aber eine Pause bis 16 Uhr.

  • 15.33 Uhr

    Briefe von Bundesräten als Zünglein an der Waage?

    Die Befragungsrunde ist durch. Norbert Schmassmanns Anwalt reicht anschliessend weitere Dokumente – darunter Protokolle von Verwaltungsratssitzungen, mehrere E-Mails sowie ein Schreiben der Bundesräte Sommaruga und Rösti – als Beweise ein. Wieso genau, ist noch nicht klar: «Der Hintergrund wird sich Ihnen in meinem Plädoyer erschliessen», sagt der Anwalt. Sein Plädoyer wird voraussichtlich morgen stattfinden.

    Der Staatsanwalt zeigt sich wenig erfreut über die kurzfristigen Beweisanträge: «Die Taktik der Verteidigung ist offensichtlich: Sie will verhindern, dass sich die Staatsanwaltschaft seriös vorbereiten kann.»

  • 15.05 Uhr

    «Ohne Postauto-Skandal würde man das heute noch so machen»

    Dreh- und Angelpunkt bleibt weiterhin die Vertragsklausel betreffend der Transparenzzielen (siehe Eintrag um 9.59 Uhr). Auch hier verweist er auf den Umstand, dass die Zielvereinbarung nur für die Tochterunternehmung bindend gewesen sei.

    Die Strafanzeige sei nur auf politischen Druck auf das BAV hin entstanden. «Hätte es den Postauto-Skandal nicht gegeben, würde man das heute noch so machen», sagt der Angeklagte.

  • 14.57 Uhr

    Zielvereinbarung habe Zins-Praxis nicht verboten

    Als letzter Angeklagter wird nun der damalige Leiter Finanzen befragt. Sein Votum zu Beginn ähnelt dem seiner Vorgänger: «Die Zielvereinbarung ist zwischen dem Tochterunternehmen vbl AG und dem VVL abgeschlossen worden. Und daran haben wir uns gehalten.»

    Auch er verweist auf das BAV-Gutachten aus dem Jahr 2012. Man habe sich an diesen Bericht gehalten und habe entsprechend auch nach der Zielvereinbarung 2017 mit kalkulatorischen Zinsen offerieren können, weil die Zielvereinbarung dies der Muttergesellschaft nicht verbot.

  • 14.45 Uhr

    Wurde betrogen? «Nein»

    «Hatten Sie jemals irgendwelche Anhaltspunkte, dass einer der Angeklagten den Beschluss gefasst hat, den VVL um Subventionsgelder zu betrügen?», wird der Beschuldigte gefragt. Dessen Antwort ist kurz und knapp: «Nein.»

  • 14.38 Uhr

    «Das ist kein gutes Gefühl»

    Wie bereits der Angeklagte vor ihm, hinterfragt auch er die Rechtmässigkeit der Anklage: «Ich verstehe nicht, wieso ich hier bin.» Er setze sich seit 22 Jahren für den Öffentlichen Verkehr ein. «Ich hatte eine Aufgabe, und die habe ich eingehalten. Ich hatte nie das Gefühl, etwas falsch zu machen.»

    Das Strafverfahren sei sehr aufwühlend für ihn. «Das ist kein gutes Gefühl», sagt der Beschuldigte. Er hoffe, dass das Verfahren bald ein Ende findet.

  • 14.24 Uhr

    «Habe nie etwas Falsches gesagt oder unterschrieben»

    Angesprochen auf die Offerte betreffend Fahrplanjahre 2018/2019 sagt der Beschuldigte, er sei davon ausgegangen, dass die Verrechnungspraxis mit kalkulatorischen Zinsen den Bestellern, also dem VVL und dem BAV, bekannt war. Er begründet dies mit einem Gutachten durch das BAV aus dem Jahr 2012: Damals habe das BAV die VBL durchleuchtet und nichts an der Praxis mit kalkulierten Zinsen auszusetzen gehabt.

    Seither habe nie jemand eine Änderung an dieser Praxis gefordert. «Ich bin auf alle Fälle fest davon überzeugt, ich habe nie etwas Falsches gesagt oder unterschrieben», sagt der Angeklagte.

  • 14.07 Uhr

    Der Prozess läuft wieder

    Nach der Mittagspause steht nun die Befragung des Kadermitarbeiters, der damals das Angebot und die Erstellung von Offerten verantwortete, an.

  • 12.56 Uhr

    Mittagspause

    Der Prozess wird für die Mittagspause unterbrochen. Um 14 Uhr soll es weitergehen.

  • 12.55 Uhr

    «Kann nicht nachvollziehen, warum wir heute hier sitzen»

    Auf Rückfrage eines Anwalts wiederholt der Angeklagte seinen Standpunkt: «Sowohl der VVL als auch das BAV wussten von den kalkulatorischen Zinsen.» Zudem habe man dem BAV jedes Jahr die Jahresrechnung eingereicht und nie eine Nachfrage betreffend der kalkulatorischen Zinsen erhalten.

    Zudem sei in einem externen Bericht aus dem Jahr 2020 mit keinem Wort erwähnt, dass die operative Leitung betrügerische Handlungen vornahm. Noch im selben Jahr, im November 2020, reichte die Staatsanwaltschaft allerdings Strafanzeige gegen die Beschuldigten ein. Der Angeklagte sagt dazu: «Ich kann nicht nachvollziehen, warum wir heute hier sitzen.»

  • 12.22 Uhr

    «Ich rechne fest mit einem Freispruch»

    Zum Abschluss seiner Befragung und vor allfälligen Ergänzungsfragen durch die Staatsanwaltschaft sagt der Beschuldigte: «Ich hatte in meinem ganzen Leben noch keinen Konflikt mit der Justiz.» Er habe damals nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. «Ich rechne fest mit einem Freispruch, aber der Rufschaden durch die mediale Berichterstattung ist bereits angerichtet und irreparabel.»

    Er sei immer davon ausgegangen, dass der VVL und das BAV zu jederzeit wussten, dass die VBL-Gruppe kalkulatorische Zinsen verrechnet.

  • 12.08 Uhr

    «Dann hätte ich niemals eine solche Offerte gemacht»

    Auch er wird auf die Klausel bei den Transparenzzielen angesprochen (siehe Eintrag um 9.59 Uhr). Er vermute, der VVL habe auf diese Formulierung gepocht, «weil er mehr Transparenz wollte». Aber er betont erneut: «Der VVL hat die Zielvereinbarung mit der Tochtergesellschaft gemacht. Hätte sie auch für die Muttergesellschaft gegolten, hätte ich niemals eine Offerte mit kalkulatorischen Zinsen gemacht.»

  • 12.02 Uhr

    «Von den VVL-Verantwortlichen erwarte ich, dass sie diesen Unterschied kennen»

    Derzeit gibt der Angeklagte detailliert über die Buchhaltung respektive einzelne Positionen im Kontoplan Auskunft. Dem Vorwurf, man habe dem VVL bewusst den eigentlichen Gewinn der VBL vorenthalten, entgegnet er: «Es gibt einen Unterschied zwischen Betriebsbuchhaltung und Finanzbuchhaltung. Von den Verantwortlichen beim VVL erwarte ich, dass sie diesen Unterschied kennen.»

    In der Finanzbuchhaltung werden hauptsächlich finanzielle Transaktionen wie Einnahmen, Ausgaben, Gewinne und Verluste erfasst. Die Betriebsbuchhaltung erfasst neben finanziellen Informationen auch betriebliche Daten wie Produktionsmengen, Lagerbestände und Kostenstrukturen.

  • 11.37 Uhr

    Kritische Fragen an den Verkehrsverbund

    Der Beschuldigte verweist vorab darauf, man habe sowohl beim VVL als auch beim BAV Betriebsmittelbewilligungen eingeholt, in denen die kalkulatorischen Zinsen inkludiert gewesen seien. «VVL und BAV haben von den Verrechnungsmodalitäten gewusst», sagt er. 

    Dazu stellt er zwei Fragen in den Raum: «Warum hat der VVL in die Zielvereinbarung nicht klar geschrieben, dass diese auch für die VBL-Muttergesellschaft gilt? Und wieso hat der VVL nicht darauf bestanden, dass kalkulatorische Zinsen ausgerechnet werden?»

    Die operative Leitung sei in ihrem Handeln entsprechend immer davon ausgegangen, dass die Zielvereinbarung nur für die Tochtergesellschaft vbl AG gilt.

  • 11.25 Uhr

    Es geht weiter

    Nun steht die Befragung des damaligen Leiters Rechnungswesen an.

  • 11 Uhr

    Schmassmann berät sich mit Anwalt

    Ein Anwalt stellt mehrere Rückfragen an Norbert Schmassmann. Hierzu zitiert er aus einem Bericht aus dem Jahr 2016, in dem die Verrechnungsmodalitäten der VBL thematisiert werden. Schmassmann zieht sich für Beratungen mit seinem Anwalt in ein Nebenzimmer zurück. Sein Kommentar nach seiner Rückkehr in den Saal: «Ich möchte dazu keine Stellung nehmen.»

    Nun wird der Prozess für eine 15-minütige Pause unterbrochen.

  • 10.22 Uhr

    Schmassmann betont: «Wir haben nicht alleine gehandelt»

    Zum Schluss seiner Befragung hat Schmassmann das Wort: «Wenn ich auf meine 26-jährige VBL-Karriere zurückblicke, hat sich einiges verändert.» Es habe in der ganzen Branche über all die Jahre Veränderungen gegeben. Auf der operativen Ebene habe man sich immer überlegen müssen, was kann man beibehalten und was muss verändert werden.

    Schmassmann betont aber: «Die strategische Verantwortung lag immer beim Verwaltungsrat.» Alle strategischen Entscheidungen seien stets in Absprache mit dem Verwaltungsrat getroffen worden. «Der Verwaltungsrat wurde von mir über alle wichtigen Geschäftsvorfälle schriftlich informiert. Wir haben nicht alleine gehandelt.»

  • 10.04 Uhr

    «Alles ist Sinne der Vorgaben durch den Verwaltungsrat erfolgt»

    Auf Grundlage der Zielvereinbarung hat Schmassmann nach deren Abschluss mehrere Offerten unterschrieben. Der Gerichtsreferent will von ihm wissen, ob er bewusst eine Lüge in Kauf nahm, weil er wusste, dass die beschriebene Vertragsklausel (siehe letzten Eintrag) nicht eingehalten wird. Schmassmann verneint: «Alles ist Sinne der Vorgaben durch den Verwaltungsrat erfolgt.»

    Die Rechnungen der VBL seien stets genehmigt worden. Auch das Bundesamt für Verkehr habe bis zur Affäre um die Postautosubventionen eine «tolerante Praxis» angewandt. «Dann wurde die Schraube angezogen». Das BAV hab mit Strafanzeigen von eigenen Versäumnissen ablenken wollen.

  • 9.59 Uhr

    Eine Vertragsklausel im Fokus

    Zwischen 2017 und 2021 fanden zwischen der VBL-Gruppe und dem VVL sowie dem BAV Verhandlungen betreffend der Zielvereinbarung statt. In diesem Rahmen wurden Transparenzziele vereinbart, darunter der Punkt, dass die Tochtergesellschaft vbl AG bestätigt, im abgeltungsberechtigten Regional- und Ortsverkehr keine Gewinnzuschläge respektive Eigenkapitalzinsen zu berücksichtigen. Die Staatsanwaltschaft wirft den Beschuldigten vor, diese Formulierung unterschrieben zu haben, obwohl man wusste, dass weiterhin Eigenkapitalzinsen verrechnet werden.

    Norbert Schmassmann betont, man sei bei den Verhandlungen unter Zugzwang gewesen, weil das Jahr 2017 noch im vertragslosen Zustand begann. «Das sorgte für zusätzlichen Zeitdruck», sagt Schmassmann. An die «Finessen» bei den Verhandlungen, wie es genau zur Formulierung der Transparenzziele gekommen ist, könne er sich nicht mehr genau erinnern.

  • 9.29 Uhr

    «Alle haben es gewusst, wir haben nur ausgeführt»

    Die VBL AG leistete seit dem Bestehen der Holdingstruktur jährlich eine Dividendenzahlung in Höhe von einer Million Franken an die Stadt Luzern, die Eignerin der VBL AG. In diesem Zusammenhang hat eine externe Untersuchung ergeben, dass die Dividenden mit Subventionen finanziert wurden.

    Er sei froh, habe es diese Untersuchung gegeben, sagt Schmassmann. «Wir haben auf der operativen Ebene ausgeführt, was von den zuständigen Stellen, dem Verwaltungsrat und dem Luzerner Stadtrat, gewollt war.» Er könne nicht verstehen, warum einige Verantwortungsträger aus der Politik argumentieren, sie würden nichts von der Finanzierung aus öffentlichen Geldern wissen. «Alle haben es gewusst», sagt Schmassmann.

  • 9.11 Uhr

    Nun wird Ex-Direktor Schmassmann befragt

    Als zweiter Beschuldigter nimmt der ehemalige VBL-Direktor Norbert Schmassmann vor dem Richtergremium Platz.

    Die Verrechnungsmechanik, die Hauptbestandteil der Vorwürfe ist, und die Holdingstruktur der VBL-Gruppe gehen auf einen Entscheid des Verwaltungsrats aus dem Jahr 2009 zurück, erläutert Schmassmann. In den Jahren vor dem Postauto-Skandal, von Schmassmann die «alte ÖV-Welt» genannt, sei diese Praxis verbreitet gewesen und entsprechend so angewandt worden. Nach der Postauto-Affäre habe das Bundesamt für Verkehr (BAV) die Kontrollen verstärkt und mit Strafverfahren ein entschlossenes Handeln demonstrieren wollen.

    Im Gegensatz zum Befragten vor ihm wirkt Schmassmann gefasst und gibt detailliert Auskunft.

  • 8.57 Uhr

    «Die Situation ist sehr belastend für mich»

    Der Gerichtsreferent spricht den Ex-Stv.-Direktor auf die verschiedenen Vorwürfe an. Der Beschuldigte will sich aber nicht detailliert äussern. Auf alle Fragen, die direkt auf die Vorwürfe gegen ihn abzielen, antwortet er mit dem Verweis auf seine Aussage beim Staatsanwalt.

    «Die Situation ist sehr belastend für mich», sagt er zum Abschluss der Befragung. «Ich hoffe, dass wir nun dieses Kapitel endgültig abschliessen können.»

  • 8.40 Uhr

    Impression vor dem Prozessstart

    Der ehemalige Direktor der VBL, Norbert Schmassmann (rechts), und sein Verteidiger Arno Thürig auf dem Weg zur Gerichtsverhandlung.
    Der ehemalige Direktor der VBL, Norbert Schmassmann (rechts), und sein Verteidiger Arno Thürig auf dem Weg zur Gerichtsverhandlung.
    Keystone
  • 8.34 Uhr

    «Mehr habe ich nicht zu sagen»

    Zuerst muss der ehemalige stellvertretende Direktor der VBL Auskunft geben. «Ich habe bereits beim Staatsanwalt ausgesagt, mehr habe ich nicht zu sagen», sagt er angesprochen auf die Vorwürfe.

  • 8.27 Uhr

    Gleich starten die Befragungen der Angeklagten

    Der Fall findet unter der Leitung von Kriminalgerichtspräsident Bernard Holdermann statt. Zum Prozessbeginn erläutert er das Verfahren. Vorfragen gibt es keine. Auch auf das Vorlesen der Anklageschrift wird verzichtet. Es folgen die Befragungen der Beschuldigten im Beweisverfahren.

  • 8.20 Uhr

    Der Prozess beginnt

    Mit fünf Minuten Verspätung haben sich die Türen geöffnet. Der Saal ist gefüllt. Der Prozess vor dem Kriminalgericht Luzern beginnt – allerdings im Hotel Radisson Blu, weil die Infrastruktur des Gerichts einen Prozess mit so vielen Beteiligten nicht zulässt.

  • 8.11 Uhr

    Prozess verzögert sich

    Noch dürfen Journalisten und Zuschauer nicht in den Saal und warten im Vorzimmer. Der Auftakt dürfte sich entsprechend verzögern. Etwa 20 Zuschauer*innen sind vor Ort. Zu ihnen gesellen sich ein halbes Dutzend Medienschaffende.

  • 8 Uhr

    Prozessauftakt um 8.15 Uhr

    Der dreitägige Prozess gegen die Kadermitarbeiter der VWL soll um 8.15 Uhr beginnen. Der Andrang ist gross, deswegen findet der Prozess nicht im Gerichtssaal, sondern im Radisson Hotel in Luzern statt.

Fünf Kadermitarbeiter der Verkehrsbetriebe Luzern (VBL), darunter der ehemalige Direktor und CVP-Kantonsrat Norbert Schmassmann, stehen ab Dienstag wegen des Verdachts auf mehrfachen Betrug vor dem Luzerner Kriminalgericht. Laut Anklage sollen sie den Verkehrsverbund Luzern (VVL) und das Bundesamt für Verkehr (BAV) um mehrere Millionen Franken betrogen haben.

Im Mittelpunkt stehen interne Abrechnungen zwischen der Muttergesellschaft VBL AG und der Tochtergesellschaft vbl AG. Ein früherer VBL-Direktor sowie vier weitere damalige Kadermitglieder, von denen zwei noch heute in leitender Funktion bei der VBL tätig sind, müssen sich wegen Betrugs verantworten. Es geht um 2,1 Millionen Franken.

Die Staatsanwaltschaft wirft den Beschuldigten vor, fingierte Dienstleistungen und Produkte zwischen den Unternehmen vorgetäuscht zu haben. Rechnungen wurden laut Anklage genutzt, um Geld von einer Gesellschaft zur anderen zu verschieben. Zudem seien kalkulatorische Zinsen auf Eigenkapital berechnet worden, die nie von den zuständigen Behörden genehmigt wurden.

Diese nicht erlaubten Zinsen flossen in interne Verrechnungspreise ein und dienten unter anderem dazu, die jährliche Dividende von einer Million Franken an die Stadt Luzern zu finanzieren.

Postauto-Skandal legte Probleme offen

Als 2018 der Postauto-Skandal öffentlich wurde, intensivierten VVL und BAV ihre Kontrollen. Die Beschuldigten sollen versucht haben, kritische Fragen mit geschickten Formulierungen zu umgehen und in Berichten falsche Angaben zu machen, heisst es in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft. 

Trotz wiederholter Mahnungen wurden unzulässige Eigenkapitalzinsen weiterhin in Offerten für die Fahrplanjahre 2018/2019 enthalten. Die Kader der VBL haben sich mit diesem Vorgehen nach Ansicht der Staatsanwaltschaft des Betrugs schuldig gemacht. Die VBL habe nämlich 2017 dem VVL in einer Vereinbarung zugesichert, dass sie bei der Verrechnung im subventionierten Regionalverkehr keine solche Zinsen oder Gewinnzuschläge verrechne.

Hohe Rückzahlungen und Reformen

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe forderten BAV und VVL im Jahr 2020 insgesamt 16 Millionen Franken an Subventionen zurück. 2024 einigte man sich auf eine Rückzahlung von 21,5 Millionen Franken. Die Struktur zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft wurde aufgelöst und die Rechnungslegung reformiert, um mehr Transparenz zu schaffen.

Die Staatsanwaltschaft fordert für die fünf Beschuldigten jeweils bedingte Freiheitsstrafen von 18 Monaten. Es gilt die Unschuldsvermutung. Die Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe.

blue News tickert den Prozessauftakt aus dem Kriminalgericht ab 8.15 Uhr live.