Hohe Zahlungen Mit so viel Geld «behandelt» die Pharmaindustrie die Ärzte

uri

11.4.2019

Die Pharmabranche zahlt hohe Beträge an Spitäler, Organisationen und Ärzte. (Themenbild)
Die Pharmabranche zahlt hohe Beträge an Spitäler, Organisationen und Ärzte. (Themenbild)
Bild: Keystone

Die Pharmaindustrie steckt viel Geld in Spitäler und Organisationen. Und auch an Ärzte gehen teils hohe Beträge für Honorare und Sponsoring.

Kürzlich wurde bekannt, dass deutsche Behörden beim Pharmakonzern Roche im deutschen Grenzach Durchsuchungen durchgeführt haben. Wie der «Tages-Anzeiger» berichtet hatte, verdächtigte die Staatsanwaltschaft einen deutschen Arzt, Medikamente von Roche und anderen Pharmafirmen verschrieben zu haben und dafür Sponsorengelder für eine ihm nahestehende Organisation erhalten zu haben.

Auch in der Schweiz ist es in der Tagesordnung, dass die Pharmaindustrie Ärzte, Spitäler und Apotheken mit Spenden, Honoraren und Sponsoring bedenkt, wie der «Blick» nach einer gemeinsamen Analyse mit «Beobachter», «Handelszeitung» und «Le Temps» berichtet. Laut der auf www.pharmagelder.ch zur Verfügung gestellten Analyse seien allein im Jahr 2017 162,6 Millionen Franken von den Pharmaunternehmen an «Ärzte und Co» geflossen. Das seien 16 Prozent mehr gewesen als noch zwei Jahre zuvor.



Vor allem seien dabei die Beträge für die Erstattung von Kongresskosten und die Sponsoring-Budgets gewachsen. So habe sich ein Arzt etwa Kongresskosten in Höhe von 1'721 Franken erstatten lassen – an den Zürcher Apothekerverband seien im Rahmen von Sponsoring 20'000 Franken gegangen.

Fast 100'000 Franken an Honoraren

Die höchsten Beträge wurden jedoch an sogenannte «Opinion Leader» – das sind Ärzte oder auch Organisationen mit hoher Reputation und Einfluss –, gezahlt. So hätten etwa die Unispitäler Basel, Lausanne und Zürich und die Inselgruppe, zu der auch das Berner Unispital gehört, in 2017 je deutlich über zwei Millionen Franken erhalten. Excemed, ein Anbieter medizinischer Bildung, habe insgesamt 4,7 Millionen Franken bekommen und die Gesellschaft für Krebsforschung Esmo in Viganello TI sogar 10,3 Millionen Franken.

Auch an Einzelpersonen wurden hohe Beträge geleistet. So seien etwa an den renommierten Onkologen Rolf Stahel, Leiter des Cancer Center am Universitätsspital Zürich (CCCZ), im Jahr 2017 98'900 Franken an Honoraren von verschiedenen Pharmaunternehmen gezahlt worden. Sein Stellvertreter am CCCZ, Michael Weller, habe rund 58'300 Franken erhalten, und Jan Steffel, stellvertretender Klinikdirektor am universitären Herzzentrum Zürich, habe 67'100 Franken an Honoraren bekommen.

Die Ärzte beriefen sich teils darauf, dass sie die geldwerten Leistungen deklariert hatten und sich mit den Regeln an den entsprechenden Spitälern im Einklang befanden. Die Pharmaunternehmen hielten hingegen den sogenannten Pharma-Kooperations-Kodex (PKK) ihres Dachverbands Science Industries hoch, wonach die Zahlungen «keinen Anreiz begründen» dürften, «bestimmte Arzneimittel der Humanmedizin zu empfehlen, zu verschreiben, zu erwerben, zu liefern, zu verkaufen oder zu verabreichen». Sie argumentieren damit, ihre Zahlungen dienten dem Wissensaustausch und der Zusammenarbeit mit Ärzten und seien «für die Erforschung und Entwicklung neuer Therapien unerlässlich».

Unabhängigkeit in Gefahr

Und trotzdem sind die Zahlungen offenbar ein Problem. Studien zeigen nämlich, dass bereits kleine Zuwendungen an Ärzte, etwa in Form einer Essenseinladung einen Effekt darauf haben, welche Medikamente sie verschrieben. Werden sogar über 5'000 US-Dollar an US-Ärzte gezahlt, so die Studie, verschrieben diese entsprechende Medikamente im Schnitt 19 Prozent häufiger.

Thomas Cerny, Präsident Krebsforschung Schweiz, warnt deshalb vor Interessenkonflikten. «Dass Mitarbeiter an öffentlichen Spitälern geldwerte Leistungen von Pharmafirmen im insgesamt sechsstelligen oder hohen fünfstelligen Bereich bekommen», könne er nicht verteidigen, sagte er dem «Blick». Er fordert, gerade je mehr man Meinungsmacher sei, «desto mehr sollte man die Unabhängigkeit hochhalten» – und zwar «mit der nötigen Distanz zur Pharmaindustrie».

Bilder des Tages
Zurück zur Startseite