Corona-Effekt Kunden sind bereit, mehr abnormales Gemüse zu kaufen

Von Julia Käser

11.8.2020

Konsumentenorganisationen prangern an: Es brauche mehr übergrosse Früchte und krummes Gemüse in den Läden. Bei Coop heisst es, unter dem Label Prix Garantie würden solche Produkte bereits verkauft. 
Konsumentenorganisationen prangern an: Es brauche mehr übergrosse Früchte und krummes Gemüse in den Läden. Bei Coop heisst es, unter dem Label Prix Garantie würden solche Produkte bereits verkauft. 
Bild: Keystone

Während des Lockdowns waren in den Läden fleckige Früchte und krummes Gemüse erhältlich – laut Konsumentenschutz sind die Produkte nun wieder verschwunden. Dabei wäre die Kundschaft bereit, sie zu kaufen. 

Aufgrund der Schliessung der Gastronomiebetriebe während des Lockdowns landeten diesen Frühling übergrosse Früchte sowie krummes Gemüse in den Regalen von Migros und Coop. Auf diese Weise konnten die nicht der Norm entsprechenden Produkte trotz der stillstehenden Gastronomie verwertet werden. 

Gegenüber «Bluewin» zeigte sich Grünen-Nationalrätin Meret Schneider, die sich seit Längerem gegen Foodwaste einsetzt, erfreut von diesem Vorgehen. «Dadurch fallen weniger Essensabfälle an», so Schneider. 

Weiter kündigte sie an, sich im Nationalrat dafür starkmachen zu wollen, dass die Schweizer Detailhändler diese Praxis auch nach der Krise beibehielten. «Ich werde fordern, dass Detailhändler ihre Gemüse- und Früchtenormen aufweichen.»

Stichproben der Stiftung für Konsumentenschutz zeigen nun aber: Entsprechende Angebote sind im August bereits wieder weitgehend aus den Läden verschwunden. In einer Mitteilung verlangen die Konsumentenorganisationen Konsumentenschutz, FRC und ACSI deshalb mehr Engagement von den Grossverteilern gegen Foodwaste.  

Kundschaft würde krumme Gurken auch in Zukunft kaufen

Eine nicht repräsentative Umfrage der Konsumentenorganisationen mit 4'150 Teilnehmenden ergibt denn auch: Rund die Hälfte der Konsumentinnen und Konsumenten haben während des Lockdowns krumme Gurken oder fleckige Früchte gekauft. 

Weiter wären zwei Drittel der Personen bereit, auch in Zukunft vermehrt von den Normgrössen abweichendes Obst oder Gemüse zu posten. Jeder Vierte der Antwortenden gab schliesslich an, dass solche Früchte und Gemüse nicht zwingend günstiger angeboten werden müssten.

Das Fazit der Konsumentenorganisationen: Die Bereitschaft der Konsumentinnen und Konsumenten, solche Produkte zu kaufen, sei grösser als die Bereitschaft der Detailhändler, dieses anzubieten. 

«Jeder Schritt gegen Foodwaste ist wichtig: Vom Feld bis zum Teller geht in der Schweiz ein Drittel aller Lebensmittel oder knapp 3 Millionen Tonnen Lebensmittel verloren», heisst es in der Mitteilung.

Coop: Angebot der Eigenmarke wurde nicht reduziert

Auf Anfrage bestätigt Coop: Während der Lockdown-Zeit habe man den Produzenten, die extra übergrosses Gemüse für die Gastronomie hergestellt hätten, Hand geboten. 

Unter der Eigenmarke Ünique verkaufe man jedoch bereits seit 2013 Früchte und Gemüse, die aus der Norm fallen würden. Auch unter dem Label Prix Garantie würden entsprechende Produkte angeboten, so Sprecher Patrick Häfliger.

«Dieses Angebot unserer Eigenmarken Ünique und Prix Garantie behalten wir selbstverständlich bei. Das Sortiment wurde nicht reduziert.» Früchte und Gemüse von Ünique seien in rund einem Drittel aller Filialen erhältlich.

Bei der Kundschaft käme das Ganze gut an. Häfliger: «Die Nachfrage nach Ünique-Produkten steigt jedes Jahr. 2019 haben wir über 1'250'000 Kilogramm entsprechendes Obst und Gemüse verkauft.»

Gemäss Häfliger ist die Vermeidung von Foodwaste ein zentrales Anliegen von Coop. Man unternehme vieles, um diesen zu verhindern. «Dank diverser Anstrengungen müssen wir nur zwischen 0,1 und 0,2 Prozent der Lebensmittel wegwerfen – meist aufgrund von gesetzlichen Vorgaben.»

Lidl stellt keinen Bedarf seitens Kundschaft fest

Anders als bei Coop findet man bei Lidl Schweiz aktuell keine allzu krummen Gurken oder dreibeinigen Rüebli. Sprecherin Corina Milz: «Wir haben in den letzten Jahren noch keinen erhöhten Bedarf an solchen Früchten oder solchem Gemüse seitens Kundschaft festgestellt.» Neue Entwicklungen diesbezüglich verfolge man jedoch mit grossem Interesse. 

Derweil setze man auf andere Massnahmen. Seit Kurzem wird laut Milz der Hinweis «oft länger gut» auf ausgewählten Eigenmarkenprodukten mit Mindesthaltbarkeitsdatum platziert. «Das Ziel ist es, die Menge an Foodwaste in Schweizer Haushalten zu reduzieren.»

Vorher seien die Produkte standardmässig nur mit der Beschriftung «Mindestens haltbar bis …» gekennzeichnet gewesen. Da die meisten Produkte bei korrekter Lagerung über dieses Datum hinaus geniessbar seien, habe man sich für diesen neuen Hinweis entschieden. 

Auch bei Aldi gibt es abnormale Äpfel

Auch Aldi Suisse war während der Lockdown-Phase aktiv geworden: «Für einige Zeit hatten wir etwa Lollo-Salat zusätzlich ins Sortiment aufgenommen, weil einigen Lieferanten die Abnehmer fehlten», sagt Sprecher Philippe Vetterli.  

Im Hinblick auf die Kritik seitens Konsumentenschutz heisst es, man biete bereits seit geraumer Zeit Früchte wie beispielsweise Äpfel der Güteklasse II zu günstigeren Preisen an. «Diese Waren werden von unserer Kundschaft gerne gekauft, das Angebot variiert aber je nach Verfügbarkeit und nach Saison.» Auf diese Weise helfe Aldi den Lieferanten beim Absatz ihrer nicht den höchsten Standards entsprechenden Produkte.

Migros liess eine entsprechende Anfrage bis am späten Nachmittag unbeantwortet. 

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