Sexualstrafrecht Nationalrat entscheidet über Zustimmungs- und Widerspruchslösung

bo, sda

5.12.2022 - 04:30

Leonore Porchet, Nationalrätin GP-VD, links, und Elisabeth Baume-Schneider, Ständerätin SP-JU, bei der Einreichung der Unterschriften für die Petition «Nur Ja heisst Ja», am 21. November 2022 in Bern. 
Leonore Porchet, Nationalrätin GP-VD, links, und Elisabeth Baume-Schneider, Ständerätin SP-JU, bei der Einreichung der Unterschriften für die Petition «Nur Ja heisst Ja», am 21. November 2022 in Bern. 
Bild: Keystone/Peter Klaunzer

«Nur ein Ja ist ein Ja» oder «Nein heisst Nein»: Der Nationalrat diskutiert am heutigen Montag als Zweitrat über eine Verschärfung des Sexualstrafrechts. Seine vorberatende Kommission favorisiert die Zustimmungslösung. Der Ständerat ist für die Widerspruchslösung.

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Die Nationalratskommission empfiehlt der grossen Kammer mit 15 zu 10 Stimmen die Zustimmungslösung. Einen sexuellen Übergriff, eine sexuelle Nötigung oder eine Vergewaltigung begeht demnach, wer «ohne die Einwilligung» einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt. Es soll also «Nur ein Ja ist ein Ja» gelten.

Die Kommissionsmehrheit erhofft sich davon, dass sich bei der Aufklärung von Sexualdelikten der Fokus der Strafverfolgungsbehörden vermehrt auf das Verhalten der mutmasslichen Tatperson richten wird und nicht das Verhalten des mutmasslichen Opfers im Zentrum steht.

Für die Minderheit der Kommission droht mit dem «Symbolstrafrecht» dagegen eine Beweislastumkehr. Eine solche könne in einem Strafverfahren zu überzogenen Erwartungen der Opfer von Sexualdelikten führen.

Vergewaltiger immer ins Gefängnis?

Der Ständerat hatte sich in der Sommersession 2022 mit 25 zu 18 Stimmen für die Ablehnungslösung respektive Widerspruchslösung entschieden, wonach sich strafbar macht, wer solche Handlungen «gegen den Willen» einer Person vornimmt. Es soll also «Nein heisst Nein» gelten. In der Gesamtabstimmung hiess die kleine Kammer die Vorlage dann ohne Gegenstimme gut.

Die Vorlage definiert auch den Strafrahmen im Sexualstrafrecht teilweise neu. Der Ständerat will etwa, dass Vergewaltiger künftig zwingend ins Gefängnis müssen. Die Mindeststrafe soll deshalb bei mindestens zwei Jahren Freiheitsentzug liegen, damit ein Täter nicht mehr mit einer bedingten Gefängnisstrafe davonkommt.

Die vorberatende Nationalratskommission dagegen schlägt eine minimale Freiheitsstrafe von einem Jahr vor, will den bedingten Vollzug also nicht ausschliessen. Neu will die Kommission auch das Unverjährbarkeitsalter bei Sexualdelikten an Kindern heraufsetzen. Unverjährbar sollen diese künftig sein, wenn sie an Kindern unter 16 Jahren begangen werden. Heute liegt diese Altersgrenze bei 12 Jahren.

Rachepornografie und Cybergrooming

Wie der Ständerat empfiehlt auch die Nationalratskommission, dass sogenannte Rachepornografie (Revenge porn) neu strafrelevant werden soll. Dabei geht es um das unbefugte Weiterleiten von nicht öffentlichen sexuellen Inhalten. Die Kommission empfiehlt allerdings, diesen Artikel weiter zu fassen als der Ständerat und auch andere kompromittierende Aufnahmen aufzunehmen.

Anders als der Ständerat möchte die vorberatende Nationalratskommission neu auch den Tatbestand des «Cybergrooming» ins Gesetz aufnehmen. Der Begriff bezeichnet das gezielte Anbahnen von sexuellen Kontakten mit Minderjährigen, also die Planung eines sexuellen Missbrauchs. Die digitale Belästigung von Kindern und Jugendlichen im Internet sei ein grosses Problem, schreibt die Kommission. Deshalb soll sie als Antragsdelikt Aufnahme ins Gesetz finden.

Mit der Revision will der Bundesrat das Sexualstrafrecht an die gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre anpassen. Er will, dass Gewalt- und Sexualdelikte, die oftmals an Frauen und Kindern begangen werden, künftig härter bestraft werden. Mit der Vorlage soll auch das Verhältnis der Strafrahmen der Strafgesetzgebung besser aufeinander abgestimmt werden.