Meldepflicht statt Taskforce Die Schweiz geht auf der Suche nach Oligarchen-Vermögen ihren eigenen Weg

Von Gabriela Beck

21.3.2022

Die Superjacht «Sailing Yacht A» des in St. Moritz lebenden russischen Milliardärs Andrej Melnitschenko ist mittlerweile beschlagnahmt worden. (Archivbild)
Die Superjacht «Sailing Yacht A» des in St. Moritz lebenden russischen Milliardärs Andrej Melnitschenko ist mittlerweile beschlagnahmt worden. (Archivbild)
Bild: Keystone/EPA/Sebastien Nogier 

Eine internationale Taskforce sucht nach den Vermögen russischer Oligarchen. Die Schweiz ist nicht dabei. Sie setzt stattdessen auf eine Meldepflicht. Reicht das?

Von Gabriela Beck

21.3.2022

Frankreich hat gerade Vermögen russischer Oligarchen im Wert von 875 Millionen Schweizer Franken eingefroren, Italien beschlagnahmt millionenschwere Superjachten und die USA haben eine «KleptoCapture» genannte Sondergruppe gebildet, um Sanktionen durchzusetzen und gegen russische Oligarchen vorzugehen. Weltweit suchen Behörden nach Jachten, Jets und Luxusvillen reicher Russen, die auf der Liste sanktionierter Personen stehen.

Vor ein paar Tagen haben die G7-Länder, die EU und Australien eine international vernetzte Taskforce gegründet, mit der sie die Jagd auf Oligarchen-Vermögen intensivieren wollen. Obwohl die Schweiz Ende Februar die EU-Sanktionen gegen Russland übernommen hat und bis jetzt auch bei jedem neuen Sanktionspaket aus Brüssel mitzieht, macht sie dort nicht mit. Sie hat ihr eigenes System.

Meldepflicht statt Taskforce

Die Überwachung von Sanktionen in der Schweiz funktioniert über eine Meldepflicht. Personen und Institutionen, die Vermögenswerte sanktionierter Russen halten oder verwalten, müssen diese dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) melden, damit das Vermögen gesperrt werden kann.

Das Problem an dieser Konstruktion: Das Seco ist auf die Beteiligung von Banken, Unternehmen und Grundbuchämtern angewiesen, um reagieren zu können. Dazu kommen ausgeklügelte Winkelzüge, mit denen Oligarchen ihr Vermögen nicht erst im Zuge der Kriegssanktionen verstecken: verschachtelte Offshore-Konstruktionen, Strohmänner, Vermögens- oder Unternehmensübertragung an Angehörige. Um solche Verflechtungen durchschauen zu können, braucht es Finanzmarktexperten, Korruptionsspezialisten und Strafermittler.

Geldwäscherei-Experte Daniel Thelesklaf glaubt demzufolge auch nicht an die Wirksamkeit des Schweizer Ansatzes. «Man muss aktiv suchen und allen Spuren nachgehen, wenn man will, dass diese Vermögenswerte gefunden werden», sagt er dem SRF. Hürden sieht er bei Geldern, die in Immobilien, Kunstwerken oder Luxusgütern stecken. Denn anders als Banken, die der Finanzaufsicht Finma unterstehen, würden Händler nicht beaufsichtigt und nähmen ihre Verantwortung vielleicht weniger wahr. Der Schweiz fehle es noch immer an politischem Willen, diese Gelder aktiv zu suchen, kritisiert Thelesklaf.

Die Politiker sind sich nicht einig

So sieht das auch die SP, weiss das St. Galler «Tagblatt». Die Partei fordert in einem offenen Brief an den Bundesrat eine Taskforce auch für die Schweiz. Das Land habe als zentrale Plattform für den Handel mit russischen Rohstoffen, als Vermögensverwalterin, als Geschäftsplatz und als Wohnort vieler russischer Oligarchen eine besondere Verantwortung. Die FDP und die Mitte lehnen den Vorstoss ab. Es sei nicht am Parlament, dem Bundesrat vorzuschreiben, wie er sich organisiert. Aber, so FDP-Präsident Thierry Burkart: «Ich teile natürlich das Ziel, dass die Sanktionen durchgesetzt werden. Das kann unter Umständen heissen, dass der Staat tätig werden muss.» Und Mitte-Fraktionschef Philipp Bregy sagt: «Wenn es internationale Gremien gibt, dann sollte man sich diesen anschliessen.»

Die SP geht noch einen Schritt weiter. Sie verlangt in dem Brief auch, dass die erteilten Aufenthaltsbewilligungen für wohlhabende Russinnen und Russen sofort überprüft werden. Es geht um die Sonderbewilligungen, die aus erheblichen steuerlichen Interessen für reiche Personen ohne Erwerbstätigkeit in der Schweiz erteilt werden können. Das Co-Präsidium von Mattea Meyer und Cédric Wermuth schreibt in dem Brief: «Es kann nicht sein, dass eventuelle Profiteure der mutmasslichen Kriegsverbrechen in der Ukraine sich ihren Aufenthalt in der Schweiz mit Blutgeld erkaufen können.»

Liste illustrer Oligarchen-Namen

Nach Angaben der Schweizerischen Nationalbank liegen auf Schweizer Bankkonten etwa zehn Milliarden Schweizer Franken von russischen Privatpersonen und Unternehmen mit Sitz in Russland. Bezieht man auch Russen mit ein, die sich inzwischen anderswo angesiedelt haben, schätzt die Schweizer Bankiervereinigung den Wert zwischen 150 und 200 Milliarden Franken.

Auf der Liste der Sanktionierten stehen illustre Namen wie der Putin-Vertraute Alisher Usmanow, der Stahlbaron Viktor Rashnikov oder Bauunternehmer Gennadi Timtschenko, dessen Vermögen das Wirtschaftsmagazin «Bilanz» auf zwölf Milliarden Franken schätzt. Noch reicher soll der in St. Moritz lebende Andrej Melnitschenko sein. Jüngst wurde seine auf 545 Millionen Franken geschätzte Luxusjacht von der italienischen Finanzpolizei im Hafen von Triest konfisziert. Die Amerikaner haben Vermögenswerte von Viktor Vekselberg blockiert. Die Schweizer Industriekonzerne Oerlikon und Sulzer, an denen er beteiligt ist, sind allerdings nicht davon betroffen.

Kleine Erfolge bei Immobilien

Derzeit fahnden die Grundbuchämter nach Immobilien, die sanktionierten Russen in der Schweiz gehören. Mit kleinen Erfolgen: So hat das Berner Grundbuchamt nach Recherchen der NZZ eine Verfügungssperre für eine Ferienwohnung des sanktionierten Oligarchen Pjotr Awen im Berner Oberland verhängt. Der Milliardär gilt als wichtiger Financier des Kremls. Er war Miteigentümer der Alfa-Bank, einer der grössten russischen Privatbanken. Nun darf die Wohnung nicht mehr verkauft oder verpfändet werden.

Die Ämter durchforsten die Grundbücher, um Villen von sanktionierten Oligarchen zu finden und zu sperren. (Archivbild)
Die Ämter durchforsten die Grundbücher, um Villen von sanktionierten Oligarchen zu finden und zu sperren. (Archivbild)
Bild: Keystone/Gaetan Bally

Obwohl die Meldepflicht auf der Suche nach betroffenen Vermögenswerten wohl eher wenig Wirkung entfaltet, bleibt die Schweiz vorerst dabei, sich nicht an der neuen transatlantischen Taskforce «Russian Elites, Proxies and Oligarchs» (Repo) zu beteiligen. Das Schweizer Aussenministerium teilt lediglich mit, dass es dessen Lancierung «zur Kenntnis» genommen habe und mit den Behörden der Länder in Kontakt stehe.