Chefunterhändlerin im Fokus Parlamentarier kritisieren EU-Schelte von Livia Leu

14.9.2022

Livia Leu, hier am 5. Juli an der Ukraine Recovery Conference in Lugano, steht wegen eines Interviews im Fokus.
Livia Leu, hier am 5. Juli an der Ukraine Recovery Conference in Lugano, steht wegen eines Interviews im Fokus.
Keystone

Die EU-Chefunterhändlerin steht in der Kritik. Nachdem Livia Leu Brüssel vorgehalten hat, die Schweiz hinzuhalten, kontern nun Politiker unterschiedlicher Parteien.

«Die Schweiz möchte vorwärtsmachen», sagt Livia Leu im Interview mit der NZZ. «Leider legt die EU keine grosse Eile an den Tag und hat die Termine mehrmals hinausgezögert.» Es sei wohl generell die Taktik Brüssels, den Bund warten zu lassen, um dann wieder «Druck aufzusetzen», fährt die Schweizer EU-Chefunterhändlerin fort.

Die «Druckpolitik der EU» erschwere «die Suche nach Lösungen», so Leu. Die Einschränkungen der Kooperation in der Forschung bezeichnet sie ebenfalls als «Druckmittel». Andererseits sei Brüssel «sehr prinzipiell unterwegs», attestiert die 61-Jährige dem grossen Nachbarn.

Diese unverblümte Offenheit kommt nicht bei allen Parlamentariern gut an: Die Diplomatin wird wegen des Interviews nun von vielen Seiten kritisiert. Jürg Grossen sieht ihre Glaubwürdigkeit in Gefahr. Es sei «nicht opportun, dass man solche Dinge, wenn man Probleme in einer Verhandlung hat, in einem Interview darlegt und nach aussen trägt», sagt der Präsident der Grünliberalen dem SRF.

Hanspeter Portmann nennt das Gespräch mit der NZZ ein unwürdiges Spiel, schreibt SRF und zitiert den FDP-Nationalrat: «Wenn man an einer Lösung interessiert ist, dann macht man das so nicht, ausser man will die Verhandlungen hinauszögern.»

Bundesrat gefordert

Portmann hätte lieber gelesen, was es für konkrete Lösungsvorschläge gebe. «Sondieren müssen wir nach acht Jahren Verhandlungen nicht mehr.» Dass Leu wegen des Interviews nun für ihren Job untragbar sei, glaubt Fabian Molina jedoch nicht. «Die EU verhandelt, mit wem auch immer», weiss der SP-Aussenpolitiker.

Der 32-Jährige sieht die Bringschuld bei dem Thema nicht in Brüssel, sondern in Bern. «[Leu] versucht zu erklären, warum es nicht vorwärtsgeht und sie verschleiert, dass es der Bundesrat selber ist, der nicht vorwärtsmachen will.» Es sei jedoch unklar, welchen Kurs Aussenminister Ignazio Cassis und der Bundesrat in Sachen EU nun einschlagen, meint auch Pirmin Bischof.

«Wir haben nur bruchstückhafte Informationen, und das ist schwierig für eine Meinungsbildung», kritisiert der Mitte-Ständerat. Er fordert von Cassis und Co. zügig Lösungen, auch wenn im kommenden Jahr gewählt würde.