Politologe zu Maurers Rücktritt «Das ist ein geschickt gewählter Auftakt zum Wahlkampf»

Von Monique Misteli

30.9.2022

Nur noch wenige Wochen – dann ist Schluss für Ueli Maurer nach 14 Jahren als Bundesrat.
Nur noch wenige Wochen – dann ist Schluss für Ueli Maurer nach 14 Jahren als Bundesrat.
Keystone

Bundesrat Ueli Maurer hat heute seinen Rücktritt per Ende Jahr angekündigt. Ein Politologe über die Folgen davon.

Von Monique Misteli

30.9.2022

Herr Müller, weshalb reicht Bundesrat Maurer seinen Rücktritt heute ein?

Warum Ueli Maurer gerade jetzt per Ende Jahr zurücktritt, weiss natürlich nur er selber. Man hatte bei ihm aber schon länger das Gefühl, dass er nicht mehr gleich engagiert ist, wie zu Beginn seiner Amtsperiode. Eine gewisse Amtsmüdigkeit ist also sicher mit ein Grund. Der Rücktritt vor den Gesamterneuerungswahlen vom Dezember 2023 dient aber vor allem der Partei, die dadurch eine viel grössere Visibilität erhält. Insofern würde ich das durchaus als geschickt getimten Wahlkampfauftakt deuten.

Maurers Nachfolge wird im Dezember gewählt. Was heisst das für das Parlament?

Zur Person
Sean Müller
Bild: zvg

Sean Müller ist seit Februar 2020 Assistenzprofessor am Institut für Politikwissenschaft der Universität Lausanne. Dieser Tage erscheint Müllers Buch «Der Ständerat. Die Zweite Kammer der Schweiz» im Handel, das er zusammen mit Politologe Adrian Vatter geschrieben hat.

Obwohl die Vereinigte Bundesversammlung völlig frei ist, die Nachfolgerin oder den Nachfolger zu bestimmen, wird üblicherweise die Vorauswahl der betroffenen Partei respektiert. Auch das Geschlecht und die kantonale Herkunft sind wichtig; Exekutiverfahrung und Vernetzung unter den Parlamentarierinnen helfen. Die Erwartung an die SVP ist also mindestes eine Zweierliste mit verschiedenen Kandidaten: Mann und Frau und/oder aus zwei Deutschschweizer Kantonen.

Sollte die SVP zwei Männer portieren: Muss sich das Parlament daran halten?

Das Parlament kann wählen, wen es will – vorausgesetzt, die Person ist stimmberechtigt in eidgenössischen Angelegenheiten. Christoph Blocher wurde 2007 ja sogar zugunsten einer Frau abgewählt. So weit wird es diesmal nicht kommen.

Die SVP ist aber auch aus Eigeninteresse gut beraten, eine möglichst breite Auswahl zu bieten. Ihre interne Findungskommission hatte damals, bei der Wahl von Guy Parmelin, ein dreisprachiges Ticket präsentiert. Das kam sehr gut an.

Nach Maurer fliegt der Kanton Zürich aus dem Bundesrat. Welche Rolle spielt die Kantonszugehörigkeit?

Die Vertretung der Kantone als solche ist heute weniger wichtig als auch schon, wird aber von den Parteien und einzelnen Personen sehr gerne als Argument für oder gegen eine bestimmte Kandidatur genutzt. Für die SVP wird es vor allem darum gehen, ihre (aus ihrer Sicht) fähigsten Leute zu motivieren und eine Person davon durchzubringen. Angesichts ihrer doch nach wie vor starken Verankerung im Raum Zürich wird es wohl trotzdem wieder darauf hinauslaufen. Entscheiden tut aber am Ende eine Mehrheit der Parlamentarier*innen.