Jugendliche rufen zu Gewalt aufSo wappnet sich die Polizei gegen mögliche Krawalle
Von Gil Bieler und Lukas Meyer
9.4.2021
Ob in St. Gallen, Zürich oder Winterthur: Für Freitagabend wird in mehreren Städten zu Partys und Gewalt gegen die Polizei aufgerufen. Wie bereiten sich die Polizeien vor? «blue News» hat nachgefragt.
Von Gil Bieler und Lukas Meyer
09.04.2021, 12:41
09.04.2021, 12:54
Gil Bieler und Lukas Meyer
Kommt es heute Abend erneut zu gewaltsamen Zusammenstössen zwischen Jugendlichen und der Polizei? Das ist zumindest nicht abwegig: In den sozialen Medien wird dazu aufgerufen, sich in verschiedenen Städten zu Partys zu treffen.
In St. Gallen, wo es vor Ostern bereits an zwei Freitagabenden zu Ausschreitungen kam, hat die Stadtpolizei Kenntnis von «Aufrufen zu Gewalt» und nimmt diese auch ernst. Man bereitet sich entsprechend vor, teilte die Polizei im Vorfeld mit. Und: Personen, gegen die eine Wegweisung ausgesprochen wurde, dürfen sich «explizit nicht in der Stadt St. Gallen aufhalten». Wer dagegen verstosse, werde zur Anzeige gebracht. Dasselbe gelte beim Verdacht, dass jemand «auf Krawall aus» sei, oder bei Schaulustigen.
«Wir setzen am Freitagabend auf ausgedehnte Personenkontrollen, vor allem in der Innenstadt», sagt Mediensprecher Dionys Widmer auf Anfrage. Trotz der Vorkommnisse der jüngsten Zeit gelte aber der Grundsatz: Erst den Dialog suchen, dann deeskalieren und erst als letzte Option durchgreifen. «Die Personenkontrollen werden im ganz normalen, ruhigen Rahmen ablaufen», so Widmer.
Von den 650 ausgesprochenen Wegweisungen wurden 30 inzwischen wieder aufgehoben. Insgesamt hätten sich 47 Personen wegen einer Wegweisung gemeldet. Beim kantonalen Sicherheits- und Justizdepartement gingen derweil 16 Rekurse dagegen ein.
Zur Erinnerung: Wegen der geltenden Corona-Bestimmungen sind im Freien derzeit nur Treffen mit maximal 15 Personen erlaubt.
«Riesenparty» im Zürcher Niederdorf
In Zürich hat die Stadtpolizei ihre Präsenz an Wochenenden seit längerem verstärkt. Auch hier kursiert ein Aufruf, wonach man sich am Freitagabend im Niederdorf zu einer «Riesenparty» treffen wolle. Die Stadtpolizei Zürich hat Kenntnis davon, wie Sprecher Michael Walker auf Anfrage bestätigt: «Die Stadtpolizei Zürich lässt die Erkenntnisse aus diesen Aufrufen in ihre Lagebeurteilung einfliessen.»
Sind Wegweisungen auch in Zürich denkbar? Dazu Walker: «Über das Mittel der Wegweisungen verfügt die Stadtpolizei Zürich schon seit mehreren Jahren. Dieses wird, wo nötig und zielführend, verhältnismässig eingesetzt.»
Offener Brief an Jugendliche
Die Stadtpolizei Winterthur sucht derweil den Dialog mit den Jugendlichen. Auf ihren Social-Media-Kanälen spricht sie diese direkt an: «Liebe Jugendliche», heisst es in dem Post, «bitte folgt Aufrufen in den (sozialen) Medien zu Ausschreitungen nicht.» Und: «Gewalt ist die Sprache von Losern. Sie schadet der Sache, sie schadet euren und unseren Anliegen.»
Mit diesem offenen Brief «versuchen wir etwas Experimentelles», sagt Michael Wirz, Mediensprecher der Stadtpolizei Winterthur, auf Anfrage. Da sich die Diskussion über illegale Partys und Randale auf den sozialen Medien abspiele, habe man dort auch die Sichtweise der Polizei platzieren wollen. «Ob wir damit auch jene erreichen, die auf Krawalle aus sind, kann ich aber nicht sagen. Wir wollen vor allem die an sich friedlich gestimmten Jugendlichen erreichen, und nichts zu tun, war für uns keine Option.»
Die Hoffnung sei, dass sich die Jugendlichen nicht zu Krawallen anstacheln lassen. Im offenen Brief heisst es dazu: «Einzelne haben wohl ein Interesse daran, dass es zu Gewalt kommt, denn sie verdienen Geld mit solchen News, vor allem mit Videos.» Das sei keine Medienschelte, versichert Wirz. «Es gibt Influencer, die auf solche Videos hoffen, um damit viel Reichweite zu erreichen.» Dies sei ein relativ neues Phänomen, auf das man reagieren müsse.
«Wir rechnen nicht mit Krawallen, aber wir haben Gerüchte über mögliche Partys auch vernommen und werden die Situation genau beobachten und laufend analysieren», sagt Wirz. Die Polizei werde am Freitagabend mit Dialogteams und der Jugendpolizei im Einsatz stehen. «An erster Stelle steht immer der Dialog.»
Die Jugendpolizei habe in der Pandemie den Kontakt zu den Jugendlichen gepflegt und immer wieder den Puls gefühlt. Vereinzelt habe man Pöbeleien unter Teenager-Gruppen auflösen müssen – im Dezember 2020 kam es etwa zu einem Grosseinsatz am Hauptbahnhof. «In den meisten Fällen aber geht es um Lärm oder Blödsinn, wie er auch in Nicht-Pandemie-Zeiten vorkommt», so Wirz.