Künstliche Kinderpornos Moralische Bedenken – wie die Polizei Pädophile im Netz überführen will

phi

29.5.2020

Ein 2017 ausgehobener Tatort auf den Philippinen, wo der Missbrauch von Kindern live ins Internet gestreamt wurde.
Ein 2017 ausgehobener Tatort auf den Philippinen, wo der Missbrauch von Kindern live ins Internet gestreamt wurde.
Bild: Ke<ystone.

Weltweit häufen sich in der Corona-Krise Beschwerden über Online-Kinderpornografie. Deutsche Ermittler bekämpfen diese mit einem neuen Instrument, das die Schweizer Polizei auch gerne hätte.

«In der Krise kämpft die Polizei gegen die Zunahme von sexuellem Kindesmissbrauch», titelte «Bluewin» in der zweiten Aprilhälfte: «In einigen Ländern versuchen erwachsene Straftäter zunehmend, Kinder über soziale Medien zu kontaktieren», warnte damals eine Europol-Sprecherin. Nicht zu Unrecht, wie nun aktuelle Zahlen zeigen.

Zwischen März und April wurden doppelt so viele Beschwerden über obszönes Online-Material eingereicht, berichtet die «BBC». Die Summe der Beanstandungen in Grossbritannien hat sich demnach von zwei auf vier Millionen verdoppelt.

Dazu passt: Auf den Philippinen, wo viele der Missbrauchsvideos entstehen, verdoppelte sich die Zahl entsprechender Beschwerden – von 50'000 im Februar auf 101'000 im März. Auch die spanischen Behörden haben einen Anstieg bei entsprechendem Filmmaterial festgestellt – 20 Prozent mehr kinderpornografischer Videos seien gemeldet worden.

Deutsche Ermittler mit künstlichen Kinderpornos

In Australien gab es laut «BBC» 86 Prozent mehr Versuche, solche illegalen Clips herunterzuladen. «Wir haben im Darknet tatsächlich Covid-19-bezogene Foren von Kinderausbeutern identifiziert», bestätigte Paula Hudson von der australischen Bundespolizei. «Einer davon, den wir überwachen, ist bereits auf über 1'000 Personen angewachsen. Sie diskutieren aktiv die Möglichkeiten, durch Covid-19 mehr Opfer zu finden.»

Der deutschen Polizei steht im Kampf gegen Kinderpornografie seit Januar ein Instrument zur Verfügung, das auch in der Schweiz auf Interesse stösst. Der Hintergrund: Wenn verdeckte Ermittler in ein entsprechendes Forum aufgenommen werden wollen, müssen sie oft eine «Keuschheitsprobe» ablegen: Sie müssen ein eigenes Missbrauchsvideo hochladen – mitunter versehen mit einer Zeitung als Beweis für dessen Aktualität.

Wie «Zeit Online» berichtet, können deutsche Fahnder seit Jahresbeginn mit einem Programm künstliche Missbrauchsvideos erstellen, mit denen sie Pädophile im Netz jagen können. Die Software nimmt reale Clips als Grundlage und verfremdet dann die Akteure, um daraus ein «neues» Video zu machen.

Polizeikommandanten fordern Umdenken

In der Schweiz wäre ein solcher Vorgang ungesetzlich, denn er würde unter Erstellung und Verbreitung von Kinderpornografie fallen. Das soll sich nach dem Willen der Polizei ändern: «Die Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten begrüsst Instrumente, mit welchen diese Straftaten verfolgt und weitere verhindert werden können. So sind die Täter in diesem Bereich sehr vorsichtig, und es ist schwierig, an sie heranzukommen.»

Unterstützung bekommen sie laut «20 Minuten» von der Staatsanwaltschaft Basel-Land. «Wenn sie helfen, die Täter aus dem Verkehr zu ziehen, begrüsse ich das Vorgehen grundsätzlich», sagte Sprecher Markus Melzl der Pendlerzeitung. «Der Worst Case wäre, wenn die Bilder einer Tat, die für die Herstellung der Computerbilder benötigt werden, nicht ausreichend verändert würden.»

Der stellvertretende Leitende Staatsanwalt im Kanton Zürich, Stephan Walder, verweist ausserdem auf ein moralisches Dilemma und gibt zu bedenken: «Wohl könnte man ins Feld führen, die verbreiteten Bilder seien künstlich generiert, also habe keine sexuelle Missbrauchshandlung gegenüber einem Kind bei der Herstellung der Datei stattgefunden. Andererseits befriedigen genau solche Bilder und Filme die Bedürfnisse der Täter gleichwohl.»

Wichtige Informationen zum Thema finden Sie unter anderem bei der Berner Stiftung gegen Gewalt an Frauen und Kindern und der Opferhilfe Lantana, die auch die Frauenhäuser in Bern und Thun betreibt.

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