Covid-Gesetz Presse sieht im Ja einen «kurzen Sieg der Vernunft»

sda

29.11.2021 - 05:46

Stimmberechtigte stehen am 28. November 2021 über die ganze Münsterbrücke bis zum Zürcher Stadthaus Schlange, um im Stimmlokal vom Stadthaus abzustimmen.
Stimmberechtigte stehen am 28. November 2021 über die ganze Münsterbrücke bis zum Zürcher Stadthaus Schlange, um im Stimmlokal vom Stadthaus abzustimmen.
Bild: Keystone/Michael Buholzer

Die Annahme des Covid-Gesetzes zeige, dass eine klare Mehrheit des Schweizer Stimmvolkes hinter wissenschaftlichen Fakten und dem Bundesrat stehe, so der Tenor in der Schweizer Presse. Es sei aber auch ein Auftrag an diesen und das Parlament zu handeln, bevor es noch schlimmer komme.

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Auch bei der zweiten Abstimmung über das Covid-19-Gesetz haben die Corona-Massnahmengegner eine klare Niederlage erlitten. Rund 62 Prozent der Stimmenden haben am Sonntag ein Ja zum Covid-19-Gesetz in die Urne gelegt. 24 von 26 Kantonen stimmten der Vorlage zu – sechs mehr als bei der ersten Referendumsabstimmung zum Thema im Juni. Nur die Kantone Appenzell Innerrhoden (55,8 Prozent) und Schwyz (51,4 Prozent) lehnten die Vorlage ab.

Für den «Tages-Anzeiger» ist das Resultat ein «kurzer Triumph der Vernunft». Damit sei nach dem ersten Urnengang zum Covid-Gesetz am 13. Juni zum zweiten Mal belegt, dass «die Massnahmengegner, die in den letzten Monaten so laut trychelten und demonstrierten, deutlich in der Minderheit sind». An sie gehe die Verpflichtung, die eindeutige Äusserung des Souveräns zu akzeptieren und mitzutragen. Das klare Ja sei auch ein Auftrag an Bundesrat und Parlament, eine wissenschaftlich fundierte Pandemieabwehr voranzutreiben.

Der Bundesrat solle die Mehrheit bei künftigen Entscheiden stärker im Auge haben und entschlossener handeln, so der «Blick». Das Volk belohne die Corona-Strategie der Schweiz mit einem deutlichen Ja. Die pragmatische Schweizer Corona-Politik werde von den Bürgerinnen und Bürgern ganz offenbar unterstützt.



Bundesrat hat Bewährungsprobe vor sich

Derselben Meinung ist das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF). Innerhalb von nur einem halben Jahr habe die Stimmbevölkerung nun zweimal die Pandemie-Politik des Bundesrates unterstützt. Die grosse Bewährungsprobe für den Bundesrat dürfte jedoch erst kommen.

Für den «Bund» befindet sich der Bundesrat auch nach der gewonnenen Abstimmung auf einer Gratwanderung. Die explodierenden Fallzahlen und die neue Virusvariante würden rasch neue Einschränkungen nötig machen. Die Rücksicht auf die freiheitliche Kultur aber werde bremsend wirken, allzu radikale Massnahmen zu verhängen.

Laut «Watson» sind die Würfel gefallen, es gebe keinen Grund mehr, in der Pandemie-Bekämpfung auf die unsolidarische Minderheit der Ungeimpften Rücksicht zu nehmen. Das Newsportal fordert unter anderem rasche Impfobligatorien für die Berufsgruppen, wo sie rechtlich möglich sind und eine 2G-Regelung für den Zugang zum öffentlichen Verkehr und allen nichtessenziellen Orten, Dienstleistungen und Menschenansammlungen.



Zertifikat als Fluch und Segen

Die «Wochenzeitung WOZ» will die Rückkehr zu wissenschaftsbasierter Politik. Zudem sollen Gratistests wieder eingeführt werden, damit die Pandemientwicklung nachverfolgbar bleibe. Auch brauche es eine Impf- und Boosterkampagne, die diesen Namen verdiene sowie klare Kommunikation statt mutloses Lavieren.

Gemäss der «Berner Zeitung» nützt das deutliche Ja allen. Das vom Volk angenommene Covid-Gesetz erleichtere den Kampf gegen die Seuche. Aber Weitertorkeln wie in den letzten Monaten gehe nicht. Für diese Zeitung erlaubt das Zertifikat eine gewisse Normalität. Dieses immer wieder vorzuzeigen, sei lästig, unzumutbar auf lange Sicht, aber es sei ein taugliches Instrument, um ein bisschen Normalität herzustellen.

Ins gleiche Horn stösst die «Luzerner Zeitung»: Das Covid-Zertifikat sei zwar unschön in einer freiheitlichen Gesellschaft, sobald es nicht mehr nötig sei, müsse es abgeschafft werden. Aber es sei allemal besser, als ganze Wirtschaftszweige herunterzufahren.



Gehässiger Ton als Armutszeugnis für Demokratie

Den unschönen Ton der Abstimmungskampagne prangern mehrere Kommentatoren an. So zum Beispiel die «Basler Zeitung». Für sie war der Abstimmungskampf ein Armutszeugnis für die direkte Demokratie im Land. Er sei in gehässigem Ton geführt worden. Wenn bei Teilen der lauten Minderheit der Anstand auf der Strecke bleibe, sei die Politik doppelt gefordert. Sie müsse das Land wissenschaftlich fundiert aus der Krise führen und ein Zeichen setzen.

Für eine konstruktivere Debatte plädiert die Kommentatorin von CH-Media etwa in der «bz Basel». Auch die SVP stehe hier in der Verantwortung. Die Strategie des Bundesrats setze viel auf Eigenverantwortung – Stimmbevölkerung, Kantone und Parlament prägten diese mit, setzten aber auch Schranken. Diese Verhandlungsdemokratie sei anstrengend. Aber der Kurs habe sich bislang ausbezahlt und werde von einer «erstaunlich satten, wenn auch leisen Mehrheit» mitgetragen.

Die Westschweizer Tageszeitung «24 heures» schreibt, die stille Mehrheit habe gesiegt. Die Gesundheitsdiktatur existiere nicht, denn über zwei Drittel der Stimmbevölkerung hätten den Weg der Regierung gestützt. Die Debatte im Vorfeld sei à la Trump geführt worden. Ein Austausch und Verhalten dieser Art unter Bürgern sei eine Art Virus, der nicht der Höhe der politischen Kultur der Schweiz entspreche.

Für die «Neue Zürcher Zeitung» stehen auch die Massnahmen-Skeptiker in der Pflicht, sie sollen zeigen, dass sie wirklich keine Spaltung wollen, denn eine klare Mehrheit stehe hinter der Corona-Politik.