Reaktionen auf den Bundesrat «Hochrisiko-Strategie» – «Zum jetzigen Zeitpunkt richtig»

phi/sda/toko

12.1.2022

Bundesrat verkürzt Quarantäne – 2G-Regeln bis Ende März geplant

Bundesrat verkürzt Quarantäne – 2G-Regeln bis Ende März geplant

Nach fast vierwöchiger Winterpause traf sich der Bundesrat am Mittwoch zur ersten ordentlichen Sitzung des neuen Jahres. Vorderhand verzichte die Regierung auf eine Verschärfung der bestehenden Massnahmen, sagte Bundespräsident Ignazio Cassis am Mittwoch in Bern.

12.01.2022

Auf Social Media lassen die Nutzer*innen kaum ein gutes Haar an den heutigen Corona-Entscheiden des Bundesrats. Wirtschaft und Gewerbe würden gern lockern, linke Politiker sprechen von einer Hochrisiko-Strategie.

phi/sda/toko

Der Bundesrat verlängert Massnahmen, kann sich aber nicht zu Verschärfungen durchringen. Wie fallen die ersten Reaktionen dazu aus? Zuerst das Positive – das sich in Grenzen hält. Bisher hat sich ausschliesslich ein Verband für Angestellte erfreut über das heutige Ergebnis geäussert.

Von Harmonie und Solidarität ist bei anderen Twitter-Usern dagegen wenig zu spüren. Angesichts der Lage haben einige von ihnen mehr erwartet.

Ein Thema, das offenbar einige bewegt, und das weder von den Politikern, noch den Journalisten angesprochen worden ist, sind die potenziellen Langzeitfolgen der Krankheit:

Heftige Kritik von den Grünen 

Die Parteien reagieren unterschiedlich auf die Entscheidungen. Vor allem die Grünen üben scharfe Kritik am Bundesrat. Parteipräsident Balthasar Glättli warf der Landesregierung vor, auf dem Weg in die endemische Phase Opfer billigend in Kauf zu nehmen.

Glättli schrieb auf dem Kurznachrichtendienst Twitter von einer Hochrisiko-Strategie, was Todesfälle, Erkrankungen mit Langzeitfolgen und eine Überlastung von Infrastruktur und Gesundheitspersonal angehe.

Nach Ansicht des Zürcher Nationalrats handelt es sich um ein Grundsatzproblem: Die Sitzung des Bundesrats sei symptomatisch. Die Landesregierung sei bei den grossen Themen der Gegenwart handlungsunfähig und schaffe es nicht, vorausschauend zu regieren. 

Auch von der SVP kommt Kritik. Die Partei fordert wie der Arbeitgeberverband die vollständige Abschaffung der Pflicht zur Quarantäne und Isolation. Diese mache keinen Sinn mehr, heisst es in einer Medienmitteilung der SVP.

Die FDP schreibt in einer Nachricht auf Twitter von einer Entlastung von Wirtschaft und Gesellschaft.

In ihrer Reaktion auf den Entscheid des Bundesrats forderten die Freisinnigen zugleich, die Landesregierung solle endlich ein Szenario für den Ausstieg aus den Corona-Massnahmen vorlegen.



Namentlich wendet sich die FDP gegen die aus ihrer Sicht «starre» Homeoffice-Pflicht. Um eine Überlastung der Spitäler zu vermeiden, setzt die Partei insbesondere auf das Impfen und Boostern.

Ebenfalls positiv, jedoch zurückhaltender äusserte sich der Präsident der Grünliberalen, Jürg Grossen. Die kürzere Isolation respektive Quarantäne sei nachvollziehbar, schrieb er auf Twitter. Die Lage bleibe aber kritisch und die Belastung der Intensivstationen sei schwer abzuschätzen.

Oberstes Ziel bleibe, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern, teilte die Mitte-Partei mit. «Es kann aber nicht sein, dass die Quarantäneregelung so viele Arbeitsausfälle verursacht, dass Infrastrukturen und Dienstleistungen nicht mehr aufrechterhalten werden können», liess sich Parteipräsident Gerhard Pfister im Communiqué zitieren. Die Mitte begrüsse daher die Verkürzung der Quarantäne auf fünf Tage. Die Massnahme sei «ein gangbarer Mittelweg».

Auch die Mitte betont, dass sich die Lage schnell ändern könne. Es gelte, die Situation genau und wachsam zu verfolgen und bei Bedarf schnell zu reagieren.

Kantone einverstanden 

Die Kantone haben Verständnis für die Verkürzung der Quarantäne- und Isolationsdauer durch den Bundesrat bei Ansteckungen mit dem Coronavirus. Zwar habe keine Konsultation stattgefunden, aber viele Kantonsvertreterinnen und -vertreter hätten sich für eine solche Anpassung ausgesprochen, heisst es in einer Stellungnahme der Konferenz der Gesundheitsdirektor*innen (GDK).

Die kürzere Inkubationszeit und hohe Ansteckungsfähigkeit zu Beginn der Infektion mit der Omikron-Variante des Coronavirus machten die bundesrätliche Entscheidung «nachvollziehbar», heisst es vonseiten der GDK weiter.

Das GDK-Präsidium hält eine befristete Weiterführung der geltenden Massnahmen für angezeigt. Die Auswirkungen der sehr hohen Fallzahlen auf das Gesundheitssystem seien mit grossen Unsicherheiten behaftet — auch weil sich das Infektionsgeschehen von der jüngeren zur älteren Bevölkerung verschieben könnte. Eine «Laissez-faire-Politik» sei aus gesundheitspolitischer Sicht derzeit nicht zu verantworten.

Arbeitgeber fordern weitere Lockerungen

Nach der Verkürzung der Quarantäne auf fünf Tage fordert der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) weitere Lockerungen. Personen ohne Symptome sollen seiner Ansicht nach gar nicht mehr in Quarantäne müssen. Im Visier hat er zudem die Homeoffice-Pflicht.

Das sagt der Arbeitgeberverband zur Verkürzung der Quarantäne

Das sagt der Arbeitgeberverband zur Verkürzung der Quarantäne

Valentin Vogt, Präsident des Arbeitgeberverbandes begrüsst die Verkürzung der Quarantäne und Isolationsdauer auf fünf Tage. Gleichzeitg fordert er für symptomlose Personen eine vollständige Aufhebung. Laut Vogt ist die Situation angespannt. Es fehlen schweizweit rund 150 000 bis 200 000 Personen am Arbeitsplatz wegen Quarantäne oder Isolation. Das entspricht vier Prozent der Erwerbstätigen.

12.01.2022

Man begrüsse den Entscheid des Bundesrats betreffend Quarantäne und Isolation, sagte Verbandspräsident Valentin Vogt der Nachrichtenagentur «Keystone-SDA». Aufgrund der hohen Fallzahlen müsse aber ohnehin von einer hohen Dunkelziffer bei den Ansteckungen ausgegangen werden, so Vogt. Deshalb wäre es sinnvoll, über die Abschaffung der Quarantäne für Personen ohne Symptome zu diskutieren.

Im Moment seien etwa 4 Prozent der Erwerbstätigen wegen der Pandemie nicht am Arbeitsplatz, gab Vogt zu bedenken. Steige dieser Anteil weiter an, werde es kritisch für die Schweizer Wirtschaft. Es gelte, sie am Laufen zu halten. Hinsichtlich der Homeoffice-Pflicht erklärte er: Wo Arbeiten von zu Hause aus möglich sei, setzten die Unternehmen dies von sich aus um. 

Gewerbeverband gegen längere Home-Office-Pflicht

Der Gewerbeverband (SGV) kritisiert den Bundesrat ebenfalls für die Verlängerung der Homeoffice-Pflicht: Sie sei in vielen Branchen nicht durchsetzbar. Die Verkürzung der Quarantäne- und Isolationsdauer für Coronavirus-Infizierte hingegen begrüsst er – dies sei eine Forderung der Wirtschaft gewesen.

Bundespräsident Ignazio Cassis (links) und Bundesrat Alain Berset auf dem Weg zur heutigen Medienkonferenz in Bern.
Bundespräsident Ignazio Cassis (links) und Bundesrat Alain Berset auf dem Weg zur heutigen Medienkonferenz in Bern.
KEYSTONE

«Die Verlängerung der Homeoffice-Pflicht ist nicht zielführend und reine Symbolpolitik», schreibt der SGV in einer Mitteilung. Die Unternehmen, in denen Homeoffice überhaupt möglich sei, hätten diese Massnahme bereits bei der Homeoffice-Empfehlung eingeführt, lautet auch hier die Argumentation.

Die Verkürzung der Quarantäne sei hingegen eine sinnvolle Entlastung der Unternehmen, die zunehmend unter Personalmangel litten. Allerdings sei es nicht verständlich, warum sie nur verkürzt und nicht ganz aufgehoben werde. Es sei alles daran zu setzen, dass die Wirtschaft möglichst ungehindert arbeiten und sich so von den Folgen der Pandemie erholen könne.

Economiesuisse kritisiert «vorauseilende Verlängerung»

Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse begrüsst einerseits die vom Bundesrat verkürzte Quarantäne- und Isolationsdauer für Coronavirus-Infizierte. Der Verband zeigt auch Verständnis dafür, dass die geltenden Einschränkungen vorläufig bestehen bleiben. Aber er kritisiert deren «vorauseilende Verlängerung bis Ende März».

Die geltenden Vorschriften für die Isolation der betroffenen Personen und vor allem die Quarantänepflicht für Kontaktpersonen führe vielerorts zu Personalengpässen. Verschiedene Unternehmen und öffentliche Dienstleister müssten ihre Leistungen bereits einschränken, heisst es in einer Economiesuisse-Mitteilung vom Mittwoch.

Dass der Bundesrat die geltenden Einschränkungen gleich bis Ende März verlängert habe, sei für die Wirtschaft nicht nachvollziehbar. Falls sich in den kommenden Wochen bestätigen sollte, dass die fünfte Ansteckungswelle nur noch bei wenigen Personen zu schweren Symptomen führe, seien aus Sicht der Wirtschaft schon deutlich früher weitere Lockerungen angezeigt. Economiesuisse erwarte, dass der Bundesrat die Massnahmen aufhebt, sobald es die epidemiologische Lage zulässt.

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