Slowakei Regierungswechsel in der Slowakei

SDA

1.3.2020 - 01:49

Igor Matovic hat laut ersten Prognosen die Parlamentswahlen in der Slowakei gewonnen. Er lässt sich von seinen Anhängern feiern.
Igor Matovic hat laut ersten Prognosen die Parlamentswahlen in der Slowakei gewonnen. Er lässt sich von seinen Anhängern feiern.
Source: KEYSTONE/AP/Petr David Josek

Das EU-Land Slowakei erlebt einen politischen Umbruch. Die jahrelange Herrschaft der sozialdemokratischen Smer-Partei scheint gebrochen. Erste Prognosen nach der Parlamentswahl sehen eine Protestpartei vorn.

Nach der Parlamentswahl in der Slowakei vom Samstag zeichnet sich ein Erdrutschsieg für die Opposition ab. Die Protestpartei OLaNO des Unternehmers Igor Matovic wird nach einer Nachwahlbefragung im Auftrag des Fernsehsenders «Markiza» sogar mit Abstand stärkste Kraft. Sie kann demnach mit 25,8 Prozent der Stimmen rechnen (2016: 11 Prozent). Eine Prognose des öffentlich-rechtlichen Rundfunks RTVS sieht die Partei bei 25,3 Prozent.

Kampf gegen die Korruption

Der 46 Jahre alte Matovic hat sich den Kampf gegen die Korruption auf die Fahnen geschrieben. Er habe diejenigen Menschen ansprechen wollen, die das Vertrauen in die Politik bereits verloren hätten, sagte er nach der Wahl im Fernsehen. «Jetzt sind wir die Mafia definitiv losgeworden!«, rief er. Er wolle allen 5,4 Millionen Slowaken dienen, nicht nur den obersten Zehntausend.

Das Kürzel OLaNO steht übersetzt für «Normale Menschen und unabhängige Persönlichkeiten». Zur Wahlparty in einer Sporthalle in Trnava im Westen des Landes versammelten sich rund 1500 Menschen. Wegen der Coronavirus-Gefahr wurde allen beim Betreten die Temperatur gemessen, wie slowakische Medien berichteten.

Niederlage für Sozialdemokraten

Die Sozialdemokraten (Smer) von Ministerpräsident Peter Pellegrini müssen schwere Verluste hinnehmen und landen je nach Prognose bei 14,9 oder 13,9 Prozent (2016: 28,3 Prozent). Damit dürfte eine Ära enden: Seit 2006 war die linkspopulistische Partei im Parlament immer die stärkste Kraft gewesen.

Pellegrinis bisherige Koalitionspartner, die Slowakische Nationalpartei (SNS) und die Partei der ungarischen Minderheit Most-Hid, verfehlen aller Voraussicht nach die Fünf-Prozent-Hürde für den Einzug in den Nationalrat, das Einkammerparlament in Bratislava.

Hohe Wahlbeteiligung

Es zeichnete sich eine hohe Beteiligung ab. Mit dem Endergebnis wird am Sonntag gerechnet. Es ist die erste Parlamentswahl seit der Ermordung des Journalisten Jan Kuciak und dessen Lebensgefährtin Martina Kusnirova vor genau zwei Jahren. Die kaltblütige Tat hatte zu Grossdemonstrationen gegen Filz und Korruption geführt. «Die Slowakei ist nach dem Tod von Jan und Martina aufgewacht», erklärte Matovic in der Wahlnacht.

Beobachter erwarten langwierige Koalitionsverhandlungen, denn der Protestpolitiker Matovic gilt vielen als unberechenbar. «Wörter wie Seriosität und Regierungsverantwortung scheinen im Zusammenhang mit ihm recht unangebracht», merkte der Politologe Lubomir Kopecek in einem Zeitungskommentar an.

Abstimmung im Internet

Im Internet liess Matovic seine Anhänger selbst über das Programm abstimmen. Mit frech-provokanten Aktionen erzielte er viel Aufmerksamkeit. So reiste er nach Cannes zur Villa eines sozialdemokratischen Ex-Finanzministers. Er klebte ein Schild «Eigentum der slowakischen Republik» an das Haus, wollte damit zeigen, dass Korruption im Spiel sei, und postete das Video im Internet.

Die Slowakei gehört mit Tschechien, Ungarn und Polen der Visegrad-Gruppe an, die sich gegen eine Umverteilung von Flüchtlingen innerhalb Europas wehrt. Daran dürfte sich auch unter einem möglichen Ministerpräsidenten Matovic nichts ändern.

Aufruf zur Ruhe

«Leute, bleibt ruhig – es wird keine Quoten geben, keine illegalen Migranten werden in die Slowakei eingeschleust werden», versicherte er in einer TV-Debatte. Keine Zuwächse erzielte entgegen mancher Befürchtungen die rechtsextreme Volkspartei – Unsere Slowakei (LSNS), welche die Prognosen bei 6,5 bis 8,8 Prozent sehen.

Die Slowakei war bis 1993 Teil der Tschechoslowakei, ist seit 2004 EU- und Nato-Mitglied und trat Anfang 2009 der Eurozone bei. Sie hat rund 5,4 Millionen Einwohner.

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