Erbschaftssteuerinitiative der JusoReiche Ausländer meiden offenbar die Schweiz
toko
2.2.2025
Blick auf Hergiswil, wo der Grossteil der Superreichen im Kanton Nidwalden lebt.
IMAGO/Dreamstime
Schreckt die Erbschaftssteuerinitiative der Juso Superreiche davon ab, in die Schweiz zu kommen? Zumindest kommt eine PWC-Umfrage zu diesem Schluss. Auch im Kanton Nidwalden geht die Angst um.
toko
02.02.2025, 19:19
02.02.2025, 19:20
Oliver Kohlmaier
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Die Erbschaftssteuerinitiative der Juso sorgt laut einer Umfrage des Beratungsunternehmens PWC dafür, dass sich vermögende Ausländer von der Schweiz abwenden.
Nach Angaben des Kantons Nidwalden würde bei Wegzug vermögender Bewohnung 60 Prozent des Vermögenssteuer- und 13 Prozent der Einkommensteueraufkommens wegfallen.
Die Juso-Präsidentin kritisiert das PWC-Gutachten scharf und spricht von einem Ablenkungsmanöver.
Zwar hat die Juso-Initiative zur Erbschaftssteuer kaum Aussicht auf Erfolg, dennoch geht in Nidwalden und anderen Kantonen derzeit die Angst um. Denn sollten sehr vermögende Bewohner wegen der drohenden Erbschaftssteuer wegziehen, fielen 60 Prozent der Vermögenssteuer und 13 Prozent Einkommensteuern im Kanton Nidwalden plötzlich weg. Dies geht aus einer Antwort des Regierungsrats auf einen Vorstoss im Kantonsrat hervor, wie die «Sonntagszeitung» berichtet (kostenpflichtiger Inhalt).
Demnach wollte ein Lokalpolitiker wissen, was passieren würde, wenn die Juso-Initive erfolgreich verlaufen würde. Um das wegfallende Steueraufkommen zu kompensieren, müsste der Kanton demnach die Steuern um 29 Prozent anheben. Bereits zuvor warnte der Regierungsrat vor «gravierenden Folgen». Auch seien erste Multimillionäre aus Angst vor der drohenden Steuer bereits ausgewandert.
Und nicht nur das: Auch der Zuzug neuer vermögender Personen aus dem Ausland bliebe aus, genaue Zahlen könne man aber nicht nennen. Von der Staatskanzlei heisst es: «Zuzüge von sehr vermögenden Personen haben zuletzt kaum mehr stattgefunden.» Den Angaben zufolge habe dies auch mit der Erbschaftssteuerinitiative zu tun, wie man aus «Beratungsgesprächen mit interessierten Ausländern» erfahren haben will.
Aus einer Umfrage des Beratungsunternehmens PWC geht zudem hervor, dass 84 Prozent der befragten Experten der Erbschaftssteuerinitiative eine abschreckende Wirkung bescheinigen. Demnach schade der Vorstoss dem Ruf der Schweiz so sehr, dass sich Vermögende, die eigentlich in die Schweiz wollten, für ein anderes Land entscheiden.
«Das sind starke Indizien, dass die Schweiz vermögende Ausländer, die eigentlich in die Schweiz ziehen wollten, an andere Länder verloren hat», sagt Jürg Niederbacher, Berater und Partner bei PWC Schweiz. Das Unternehmen selbst habe zahlreiche Kunden insbesondere aus England, die einem anderen Land den Vorzug gaben, wenngleich sie zuvor mit der Schweiz liebäugelten.
Hostetmann: Gutachten ist «peinlich»
Vieler dieser Multimillionäre zögen stattdessen nach Italien. Gemäss der Umfrage ist das Land die meistgenannte Alternative zur Schweiz und auch insgesamt die derzeit beliebteste Destination für Superreiche in Europa. Dort gebe es« für vermögende Ausländer eine attraktive Pauschalsteuer». Sie müssten unabhängig von Vermögen und Einkommen nur 200'000 Euro bezahlen.
Das PWC-Gutachten bezeichnet Juso-Chefin Mirjam Hostetmann indessen als «peinlich». Der «Sonntagszeitung» sagt sie: «Diese irrelevante Umfrage basiert auf null überprüfbaren Zahlen, nur auf den Einschätzungen von 44 Mitgliedern der Reichenlobby.» Die Fragen suggerierten zudem teilweise, die Initiative sei bereits in Kraft. Die Reichenlobby wolle mit schlecht gemachten Gutachten und Umfragen vom eigentlichen Thema ablenken, dem Zusammenhang zwischen grossen Vermögen und der Klimakrise.
Zwar kritisiert auch Marius Brülhart, Professor für Volkswirtschaft an der Uni Lausanne die Umfrage. Dennoch glaubt er, dass die Initiative schon jetzt Multimillionäre abschreckt: «Ich gehe davon aus, dass Ausländer mit sehr grossen Vermögen, die mit einem Zuzug in die Schweiz liebäugelten, wegen der hängigen Erbschaftssteuerinitiative zuwarten oder sich gar für ein anderes Land entscheiden könnten», sagt Brülhart der «Sonntagszeitung».
Man müsse daher «durchaus davon ausgehen, dass gewisse umzugswillige Multimillionäre wegen der momentanen durch die Initiative ausgelösten Rechtsunsicherheit mit einem Wohnortwechsel in die Schweiz zögern.»
Der Ökonom hat selbst Hochrechnungen zu der Frage angestellt, was ein JA bei der Erbschaftssteuerinitiative bewirken würde. Demnach würden 49 bis 74 Prozent der betroffenen Multimillionäre auswandern.
In Summe könnte die Schweiz Brülhart zufolge im besten Fall 0,3 Milliarden Franken zusätzlich einnehmen – oder im schlimmsten Fall 0,7 Milliarden verlieren. Diese Prognosen habe Brülhart für ein Gutachten für die Eidgenössische Steuerverwaltung berechnet.
In der bürgerlichen Politik ist man indessen bemüht, die Initiative rasch zur Abstimmung zu bringen. FDP-Chef Thierry Burkart zufolge hat sie eine verheerende Vorwirkung. Er werde daher alles daransetzen, dass die Initiative möglichst bald vor das Volk kommt, sagt Burkart der «Sonntagszeitung».
Dafür muss sie aber erst noch durchs Parlament. Am 5. März wird im Nationalrat eine erste Debatte stattfinden, vermutlich im Sommer dann der Ständerat.
Aus der Perspektive von Vermögensberatern und bürgerlichen Politikern könnte dann auch ein Worst Case eintreten, schreibt die «Sonntagszeitung»: Eine Debatte um einen Gegenvorschlag könnte aufkommen. Eine Verzögerung der Abstimmung wäre die Folge und damit Rechtsunsicherheit von bis zu einem Jahr.