«Herdprämie» Reiche oder Mittelstand: Wer profitiert von Kinderabzügen?

Von Julia Käser

1.9.2020

Alles andere als Frauenförderung: Gegner der Vorlage kritisieren, dass durch die erhöhten Kinderabzüge die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht gefördert wird.
Alles andere als Frauenförderung: Gegner der Vorlage kritisieren, dass durch die erhöhten Kinderabzüge die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht gefördert wird.
Bild: Getty Images

Die Erhöhung der Kinderabzüge bei der direkten Bundessteuer ist umstritten. Dass längst nicht alle Familien davon profitieren, stösst den Gegnern sauer auf. 

Der Abstimmungskampf ist lanciert. Wegen der Debatte um Kampfjets, Vaterschaftsurlaub und Co. ist eine Vorlage jedoch in den Hintergrund gerückt: die Erhöhung der Kinderabzüge bei der direkten Bundessteuer.

Noch sind die Meinungen in der Bevölkerung bei dieser Vorlage wenig gefestigt. Dabei ist sie nicht minder umstritten. Der Grund: Eigentlich wollte man durch einen Steuerabzug für Betreuungskosten Doppelverdiener-Familien unter die Arme greifen, die wegen ihres hohen Einkommens keine Kita-Beiträge erhalten. Dann aber kam alles anders.

Nur 60 Prozent betroffen

In einem Einzelantrag verlangte CVP-Nationalrat Philipp Kutter, dass alle Familien von Steuerabzügen profitieren sollten, nicht nur die Doppelverdiener. Er plädierte für einen zusätzlichen allgemeinen Kinderabzug – und setzte sich durch. 

Darum geht's bei der Vorlage

Eltern können Ausgaben, die sie für ihre Kinder gemacht haben, von den Steuern abziehen. Bei der direkten Bundessteuer gibt es einen allgemeinen Kinderabzug und einen für Betreuungskosten. Letzterer darf pro Kind und Jahr heute maximal 10’100 Franken betragen. Parlament und Bundesrat wollen diesen Betrag auf 25'000 Franken erhöhen. Der allgemeine Abzug soll von 6'500 auf 10'000 Franken erhöht werden. Dagegen hat die SP das Referendum ergriffen.

Das Vorhaben stösst aber vor allem auf linker Seite auf viel Gegenwind. Denn: Profitieren würden nur all jene Familien, die direkte Bundessteuern bezahlen, was einem Anteil von circa 60 Prozent entspricht. 

«Gerade diejenigen Familien, die Unterstützung nötig hätten, fallen hier durch das Raster», sagt Grünen-Nationalrätin Franziska Ryser. Statt Familien mit wenig Geld kämen die Kinderabzüge vor allem reichen Familien und Top-Verdienern zugute – wobei die maximale Steuerentlastung bei einer Erhöhung der Kinderabzüge bei 910 Franken liege. 

«Für eine Familie mit einem jährlichen Einkommen von 200'000 Franken macht das wenig aus. Für eine Familie mit niedrigem Einkommen hingegen wäre das viel Geld», so Ryser. 

CVP-Politiker: Auch Mittelstand profitiert

Anders sieht das Philipp Kutter. Für ihn sei nicht nachvollziehbar, wie die Gegenseite zum Schluss komme, dass die Erhöhung der Kinderabzüge nur den reichen Familien etwas bringe. «Fast 60 Prozent aller Familien in der Schweiz würden davon profitieren. Das sind längst nicht alles aussergewöhnlich wohlhabende Leute», sagt er zu «Bluewin». 

Zwar sei es korrekt, dass sämtliche Familien, deren jährliches Einkommen weniger als 100'000 Franken betrage – also die restlichen 40 Prozent –, von den Kinderabzügen nicht profitieren könnten, so Kutter. 

Aber: «Um den Familien mit einem niedrigen Einkommen unter die Arme zu greifen, gibt es bereits Instrumente – etwa die Prämienverbilligungen der Krankenkasse oder vergünstigte Kita-Betreuungskosten.»

«Das eine tun und das andere nicht lassen»

Der CVP-Politiker rechnet den Mehrwert für Familien, die von einer Erhöhung der Kinderabzüge profitieren würden, vor: «Wir sprechen etwa von 100'000 Franken Haushaltseinkommen. Darüber verfügen beispielsweise Familien aus dem Mittelstand, die doppelt verdienen –, wenn der Mann einer Vollzeitstelle nachgeht und die Frau Teilzeit arbeitet.» Dieses Modell sei sehr häufig: In 80 Prozent aller Familien mit Kindern im Primarschulalter würden beide Elternteile arbeiten. 

Schliesslich sollten alle Familien unterstützt werden – nicht nur jene mit besonders niedrigem Budget, sondern eben auch diejenigen, die die Bundessteuer bezahlten und sämtliche Kosten alleine tragen würden. «Ganz nach dem Credo: Das eine tun und das andere nicht lassen», hält Kutter fest.

Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Die Abzüge stellten für diese Paare nicht nur eine finanzielle Entlastung dar, sondern förderten zusätzlich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Schliesslich seien die 370 Millionen, die die Kinderabzüge den Bund kosten würden, gut investiertes Geld: «Wir sind auf Menschen angewiesen, die bereit sind, Kinder zu kriegen und zu betreuen.» 

Grünen-Politikerin Ryser widerspricht: «Die 370 Millionen sollte man besser anderweitig investieren – so, dass alle Familien davon profitieren.» Sie denkt zum Beispiel an eine Erhöhung der Kinderzulagen oder an eine generelle Kostensenkung bei den Kita-Plätzen. 

«Herdprämie» statt Arbeitsanreiz für Mütter 

Auch der Vaterschaftsurlaub käme mit Kosten von rund 230 Millionen Franken billiger als die Kinderabzüge. Und: «Daraus könnten zumindest sämtliche Familien einen Nutzen ziehen.» 

Das Argument, dass die Kinderabzüge die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördere, lässt Ryser nicht gelten. Sie spricht von der sogenannten «Herdprämie». Die Vorlage sei durch die Ergänzung des allgemeinen Kinderabzugs so abgeändert worden, dass das ursprüngliche Anliegen untergraben worden sei. 

«Die Abzüge für externe Betreuungskosten hätten Anreize schaffen und Mütter dazu motivieren sollen, arbeiten zu gehen. Nun aber werden alle Familien entlastet – unabhängig vom Familienmodell», sagt Ryser. Am meisten profitieren würden gar jene Familien, in denen ein Elternteil  erwerbstätig und der andere zuhause sei. Frauenförderung sehe anders aus. 

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