Urteil Vincenz: Das sagen die Anwälte zum Urteil
Das Bezirksgericht Zürich hat den ehemaligen Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. «Das Urteil ist falsch und es gibt eine Berufung», sagt Verteidiger Lorenz Erni.
13.04.2022
Diese Woche wurde der ehemalige Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Falls er tatsächlich seine Strafe absitzen muss, sollte er auf einiges achten.
Das Strafmass, das vom Zürcher Bezirksgericht gegen den ehemaligen Raiffeisen-Banker Pierin Vincenz verhängt worden war, schlug hohe Wellen: Er und sein Mitangeklagter Beat Stocker wurden wegen mehrfacher Veruntreuung, mehrfacher ungetreuer Geschäftsbesorgung und Urkundenfälschung zu 3,75 beziehungsweise 4 Jahren Gefängnisstrafe verurteilt. Voraussichtlich werden sie das Urteil in die nächste Instanz ziehen, wo sie sich einen anderen Ausgang erhoffen.
Erhalten die beiden Banker eine bessere Behandlung als normale Häftlinge, falls sie tatsächlich ins Gefängnis müssen? Oder sind sie gar einer grösseren Gefahr ausgesetzt, weil sie schweizweit Bekanntheit erlangten?
«Je nach Bekanntheitsgrad ist das Aufsichts- und Betreuungspersonal sensibilisiert und der Insasse wird allenfalls in einer Kleingruppe untergebracht», sagt Elena Tankovski, Mediensprecherin des Justizvollzugs des Kantons Zürich. Sollte ein Insasse tatsächlich Probleme bekommen, könne er sich jederzeit an das Betreuungspersonal wenden.
Neben der Bekanntheit spielt wohl auch das Vermögen eine Rolle. Bei anderen Insassen könnte es Neid auslösen, dass bald Millionäre in ihren Reihen sitzen. Egal, wie reich oder arm die Insassen sind, die Hausordnung gibt klare Empfehlungen. So werde bei der Erörterung von Privatvermögen oder Delikten mit Mitinsassen Zurückhaltung empfohlen, sagt Tankovski. «Insbesondere sollte man darauf verzichten, die Adressen von Verwandten und Bekannten anzugeben.»
«Alle Insassen werden gleich behandelt»
Vor der Justiz sollten alle gleich sein – ungeachtet des Vermögens oder der Bekanntheit. Doch ist dies wirklich so? Lassen sich nicht doch kleine Vorteile erkaufen? «Besonders solvente Personen erhalten in den Justizvollzugsanstalten des Kantons Zürich keine Vorteile oder Vorzüge. Alle Insassen werden gleich behandelt», sagt Tankovski.
Beim Vollzug im Hausarrest gibt es dennoch Unterschiede. So ist es für eine reiche Person viel angenehmer, die Strafe in der eigenen Villa zu verbüssen, als für eine Person, die etwa nur über eine kleine Wohnung verfügt. Kann ein Millionär beantragen, die Strafe bei sich zu Hause abzusitzen?
Leider nein, denn die ganze Strafe könne nicht im sogenannten Electronic Monitoring abgesessen werden, sagt Tankovski. Betrage die Strafe mehr als ein Jahr, könne bei gewissen Voraussetzungen in der Stufe vor der bedingten Entlassung ein Teil in Form von Electronic Monitoring verbüsst werden.
Auch sind die Insassen der Gefängnisse zur Arbeit verpflichtet. Wäre es theoretisch denkbar, dass erfolgreiche Banker aus der Haft weiterarbeiten und Geld verdienen? Nein. Denn: «Im geschlossenen Vollzug werden Arbeitsplätze innerhalb der Anstaltsmauern angeboten.» Immerhin werde bei der Zuordnung eines Arbeitsplatzes nach Möglichkeit auf die Fähigkeiten der Insassen Rücksicht genommen.
Darf man aus dem Gefängnis als Banker arbeiten?
Doch auch ausserhalb der Anstaltsmauern gibt es die Möglichkeit, zu arbeiten. «Diese findet entweder in der Form von externer Beschäftigung oder des Arbeitsexternats statt», heisst es. Diese beiden Optionen seien aber erst nach einer gewissen Aufenthaltsdauer in einer Vollzugsinstitution möglich.
Im Fall der ersten Option: Dürften inhaftierte Banker, Lehrer oder Buschauffeure bei externer Beschäftigung wieder in ihren Berufen arbeiten? Vielleicht. Denn: «Die Arbeit darf keine deliktrelevanten Tätigkeiten betreffen, diese Abgrenzung ist im Einzelfall zu treffen.»
Eine Person könne also auch während des Vollzugs einer Freiheitsstrafe in eigenen Domänen tätig sein. «Wobei dies von der Vollzugsbehörde bewilligt werden muss, mit Auflagen versehen werden kann und die Bewilligung bei fehlender Mitwirkung auch jederzeit widerrufen werden kann», sagt Tankovski.