Verstoss gegen Dublin-Abkommen? SBB lenken Migranten Richtung Frankreich und Deutschland

uri

13.10.2022

Grenzwächter bringen Flüchtlinge aus einem Zug aus Wien im November 2021 in Buchs zur Kontrolle. (Archiv)
Grenzwächter bringen Flüchtlinge aus einem Zug aus Wien im November 2021 in Buchs zur Kontrolle. (Archiv)
Bild: Keystone

Die SBB lenken Migranten von Buchs an der österreichischen Grenze Richtung Deutschland und Frankreich. Für eine Rechts-Professorin ist das ein Verstoss gegen das Dublin-Abkommen.

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An der Schweizer Ostgrenze hat sich die Zahl der aufgegriffenen illegalen Migrantinnen und Migranten seit Anfang des Jahres laut dem Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) vervierfacht. Vor allem in Buchs SG kommen viele von ihnen mit dem Nachtzug aus Österreich an. Wie die SRF-«Rundschau» berichtet, hilft die SBB offenbar bei der Weiterreise und dürfte damit gegen das Dubliner Abkommen verstossen.

So würden Aufnahmen der «Rundschau» zeigen, dass die meisten Migranten nach der Kontrolle durch die Grenzwache schon bald wieder auf den Perrons stehe. Dort angekommen, werden sie demnach von SBB-Personal zum Schnellzug nach Zürich geleitet, welcher über einen eigenen Wagen für die Migrant*innen verfüge.

Flüchtlinge werden in Zug nach Basel kanalisiert

Aus internen Weisungen, die der «Rundschau» vorlagen, wird als Grund für den Sonderwagen angeführt, dass Geflüchteten «teilweise eine gute Körperhygiene nicht möglich» sei. Das sei auch «für die anderen Mitreisenden belastend.» In Zürich angekommen, würde auf die Migrant*innen bereits die SBB-Transportpolizei warten, die sie zum nächsten Zug bringe.

Hierzu heisse es in einer Weisung der SBB: «Migrantinnen und Migranten, welche weder eine Reservierung noch ein Ticket besitzen, sind auf die definierten Züge des IR37 zu lenken.» Dabei handelt es sich um einen Zug, der nach Basel fährt – weil die meisten Migranten nach Frankreich und Deutschland weiterreisen wollten.

Kritisiert wird das Vorgehen von der Migrationsrechts-Professorin Sarah Progin-Theuerkauf von der Universität Freiburg. Sie erklärt, das sei nicht mit dem Dublin-System vereinbar. «Das ist ein Rechtsverstoss.» Gemäss dem Dublin-Abkommen müsste die Schweiz die Migrant*innen nämlich wieder zurückschicken. Sie müssten nämlich dort ihr Asylverfahren durchlaufen, wo sei eingereist sind.

«Sie macht aktive Migrationspolitik»

Für Progin-Theuerkauf  ist klar, dass «das aktive Fördern des Durchreisens» durch die SBB «eigentlich auch schon rechtlich relevant» sei. Andere Mitgliedstaaten würden sich in so einem Fall wohl melden und reklamieren, «so geht das nicht, dass ihr einfach die Leute durchreisen lasst und das sogar noch in bestimmten Formen kanalisiert.»

Kritik an der SBB kommt im Bericht auch von Grünen-Nationalrätin Greta Gysin. «Sie macht aktive Migrationspolitik, das ist nicht ihre Aufgabe. Gysin bemängelt, dass mit der «Eskortierung» und der Separierung der Migrant*innen «eine Grenze überschritten worden» sei». Die SBB müsse «ab sofort darauf verzichten».

Verständnis für die Bundesbahnen zeigt unterdessen SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann. Sie meint, die SBB übernehme «eine sehr undankbare Rolle» und müsse «ausbaden, was die Schweiz, die Politik in Europa, falsch macht». Es handle sich um eine Folge der offenen Grenzen.

Auch die SBB selbst sieht wenig Grund für Kritik. «Wir machen keine Politik, unser Auftrag ist ein Transportauftrag», sagte Mediensprecherin Sabine Baumgartner dem SRF. Wenn viele Reisende das gleiche Ziel hätten, dann stelle man einen Sonderwagen zur Verfügung oder auch «Personal vor Ort, das die Menschen lenkt und unterstützt».